Warum es gescheiter wäre, eine Polizistin zu sein
Ich hätte einen komischen Beruf, sagt mein kleiner Sohn und er wolle – im Gegensatz zu mir – später einmal etwas Seriöses werden. Fußballer oder Polizist, wenn geht beides.
Nur zu, sage ich dann, tu dir keinen Zwang an. Mach’, was immer dich interessiert, unsere Unterstützung hast du. „Warum bist du Schreiberin geworden und nicht Polizistin?“, fragte er mich unlängst. Ich hätte ihm erklären können, dass man in zwielichtige Berufe wie meinen meist zufällig hineingerät. Ich war jung und brauchte das Geld, wäre auch eine Erklärung. Aber keine vernünftige. Also sagte ich: „Weil ich wusste, dass mir zum Schreiben immer was einfällt. Und weil ich nicht den Nerv habe, Leuten Strafmandate auszustellen, und Verbrecher will ich auch keine fangen.“
„Schade“, sagte mein Sohn und beobachtete aus dem Autofenster einen Polizisten, der ein suspekt abgestelltes Auto umkreiste. In seinem Blick lag großer Respekt. Mich sieht er nur selten so an.
Unlängst flog auf, dass ein Mann seiner Familie jahrelang vorspielte, er sei Polizist, obwohl er arbeitslos war. Jeden Morgen verließ er in Polizeiuniform sein Haus und kehrte abends heim, voller Geschichten über gefangene Räuber und gefährliche Verfolgungsjagden mit Kriminellen. Irgendwie kam dann alles ans Licht und er in die Nervenheilanstalt.
Zumindest eine winzige Überlegung wäre es wert. Jeden Morgen in der Uniform zuerst zur Schule und Kind abliefern, dann weiter ins Büro und umziehen. Nach ein paar Wochen würde keiner mehr Fragen stellen. Schreibende Menschen haben die seltsamsten Spleens. Abends dann wieder Uniform anlegen, heimfahren: „Pah, das war ein Tag, sag’ ich dir! Den Bankräuber mussten wir vor seinem Geständnis sechs Stunden in den Schwitzkasten nehmen, puh, bin ich fertig …“ Die Mühen des Schreibens hingegen sind abstrakt. Letzte Woche hielt mein Sohn einen Harry-Potter-Band hoch und sagte: „Wenn du wenigstens SO was schreiben würdest!“ Er hat ja recht.
Und woher kriege ich eine Uniform?