Mehr Funde erwartet

Pferdefleisch: Ekel-Skandal spitzt sich zu

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Landwirtschaftsminister will Herkunft aller Lebensmittel-Zutaten auf Etikett ausweisen.

Schon die Vorstellung schockiert! Statt Tortelloni mit saftigem Rindfleisch zu genießen, dürften Hunderte, wenn nicht sogar Tausende Pferd gegessen haben. Noch ist nicht klar, seit wann wir Opfer des kriminellen Etikettenschwindels sind.

Fest steht bislang nur, dass die Wissenschaftler im AGES-Institut in Wien am Freitag in einer von zwei Proben Pferde-DNA gefunden haben. Folge: „Combino Tortelloni Rindfleisch, 400 g-Packung“, das bis Freitag bei einem Diskonter erhältlich war, wurde zurückgerufen.

Und es wird kommende Woche wohl noch ekelhafter werden: Denn Experten und selbst das Gesundheitsministerium gehen davon aus, dass es weitere Funde von Fertigprodukten mit Pferd, statt Rind geben wird. „Es würde mich nicht wundern, wenn in den Labors noch mehr Pferde-DNA gefunden wird“, sagte die Chefin des Lebensmittelrechts im Innenministerium, Caroliln Krrejci, zu ÖSTERREICH.

144 Tonnen verdächtige Ross-Lasagne im Handel
Jetzt wird mit Hochspannungen auf weitere Ergebnisse der Fleischtests gewartet. Mitte kommender Woche soll es soweit sein, so das Gesundheitsministerium. Dann soll nicht nur feststehen, in wie vielen weiteren Fertigprodukten Pferdefleisch steckt, sondern auch die genaue Menge pro Packung. Auch auf die Ross-Arznei Phenylbutation sollen die Lebensmittel getestet werden – diese ist gesundheitsgefährdend.

Jetzt reagiert die Politik: Im ÖSTERREICH-Interview fordert Landwirtschaftsminister Nikolaus Berlakovich (ÖVP) einen „Nahrungs-Reisepass“ (Kasten). Das würde Hilcona, Hersteller der Tortelloni, in denen die Pferde-DNA gefunden wurde, sicher nicht gefallen – denn sie beziehen das Fleisch in mehreren Ländern.

Hilcona, Marktführer von Fertiggerichten weist alle Vorwürfe von sich: „Als Hersteller des betroffenen Produktes verarbeitet Hilcona kein Frischfleisch, sondern bezieht es von Lieferanten.“

Horror-Zahlen kommen derzeit aus Deutschland: Laut Spiegel Online kamen 144 Tonnen Lasagne aus einem verdächtigen Betrieb in Luxemburg nach Deutschland.

 

ÖSTERREICH: Welche Konsequenzen ziehen Sie aus dem Pferdefleisch-Skandal?
Niki Berlakovich: Es steht der Verdacht des Betrugs im Raum – diesen Machenschaften muss das Handwerk gelegt werden. Ich gehe aber weiter: Wir brauchen mehr Transparenz. Derzeit werden Eier, Milch oder Gemüse etc. gekennzeichnet, woher sie kommen. Bei verarbeiteter Kost gibt es dies nicht. Mein Vorschlag: Ein „Lebensmittel-Reisepass“, der Ursprungsorte der Inhaltsstoffe anzeigt. Bei einer Tiefkühlpizza weiß man dann, woher der Teig kommt, woher die Salami und so weiter. Dieser Nahrungs-Reisepass soll auf dem Etikett angebracht werden.

ÖSTERREICH: Können Sie das im Alleingang einführen?
Berlakovich: Nein, das ist eine Angelegenheit der EU. Es wird Ende Februar ein Agrar-Ministerrat tagen – dann beantrage ich diesen Lebensmittel-Reisepass.

ÖSTERREICH: Ist so etwas überhaupt durchführbar?
Berlakovich: Es gab bisher Widerstand – aber nach diesem Skandal muss man einfach handeln.

ÖSTERREICH: Das heißt: Hersteller müssen für die Herkunft der Zutaten geradestehen?
Berlakovich: Jetzt geht es um die Nahrungssicherheit: Es soll anhand des Etiketts ausgewiesen werden, woher Inhaltsstoffe kommen. Das Ganze soll in einer Datenbank unterlegt werden, wo die Rückverfolgbarkeit der Lebensmittel gewährleistet ist.

ÖSTERREICH: Sind die Kontrollen bei uns ausreichend?
Berlakovich: Das Kontrollsystem hat funktioniert, ich begrüße aber den Vorschlag der EU, der DNA-Tests vorsieht.

ÖSTERREICH: Hat Sie das Ausmaß des Skandals überrascht?
Berlakovich: In dieser Dimension, ja. Wir brauchen eine neue Werthaltung zum Thema Lebensmittel: Der Preis ist nicht alles.
Interview: (gü)

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