Nach Drama um Kellermayr

Ärzte-Aufstand gegen Hass-Poster

Teilen

Tote Ärztin Kellermayr: Auch weitere Mediziner sind dem Hass im Netz ausgesetzt.

Wien/Innsbruck. Lisa-Maria Kellermayr, 36, hielt die Hassnachrichten und Todesdrohungen von anonymen Impfgegnern nicht mehr aus, zerbrach am Druck, verübte Suizid. Der Fall schockt, sorgt weltweit für Reports, Bestürzung. Jetzt melden sich immer mehr Mediziner und Virologen zu Wort – auch sie werden beschimpft, bedroht, im Netz verfolgt. Eine der bekanntesten ist Dorothee von Laer, Virologin an der Universität Innsbruck. Im oe24.TV-Interview schilderte sie: „Die Hass-E-Mails waren und sind zum Teil sehr verletzend. Anfangs war es so schlimm, dass ich sogar mit Perücke auf die Straße ging, um nicht erkannt zu werden.“ Die ständige Konfrontation mit den radikalen Impf-Gegnern führte bei ihr sogar zum Burn-out. Die meisten Drohungen kamen via E-Mail oder auf ihre FB-Seite, natürlich anonym.

Tennis-Lehrer drohte mit schlimmsten Hass-Mails

Verachtung. Nur ein Mal konnte sie einen Hassposter ausfindig machen: „Es war ein Tennislehrer aus Ostösterreich“, sagt sie im oe24.TV-Interview (s. rechts). Auch Hans-Peter Hutter, Hygiene-Experte der MedUni Wien, war und ist Drohungen ausgesetzt. Man brauche eine sehr dicke Haut, sagt er: „Man ärgert sich drüber, es nagt an einem. Ich hab das radikal abgestellt.“

Immer wieder Ziel von Hasspostern ist auch Mo­nika Redlberger-Fritz, Virologin an der MedUni Wien. Sie sagt zu ÖSTERREICH: „Es betrifft mich genauso, man lernt, damit umzugehen. Die schlimmsten Drohungen gehen sofort an die Rechtsabteilung der MedUni.“ Lungenfacharzt Arschang Valipour berichtet im oe24.TV-Interview, dass er „beleidigende Nachrichten ignoriere“. Er werde sich jedenfalls „nicht einschüchtern lassen“ und fordert einen „Schulterschluss von Gesellschaft und Politik gegen den Hass“.

Dorothee von Laer: "Nur mit Perücke auf die Straße"

oe24.TV: Auch Sie waren und sind im Netz blankem Hass ausgesetzt?

Dorothee von Laer: Zu Beginn der Pandemie war es so heftig, dass ich sogar mit Perücke auf die Straße gegangen bin. Der Hass findet im Netz statt, es fallen alle Hemmungen, die E-Mails waren zum Teil sehr verletzend. Das hat mich sehr belastet, ich hatte sogar ein Burn-out, bin einen kompletten Monat ausgefallen.

oe24.TV: Wie schützen Sie sich?

Von Laer: Deutlich vorsichtiger bin ich geworden, ich mache heute klar, dass nicht ich über die Corona-Regeln entscheide, sondern die ­Politiker.

oe24.TV: Was wünschen Sie sich von der Justiz?

Von Laer: Hass und Beleidigungen im Netz sind schwere Delikte, sind beleidigend. Die Justiz muss Hassmails so bestrafen, als wären sie „face to face“ ausgesprochen worden.

Spitalsarzt Arschang Valipour: "Fordere Schulterschluss gegen Hass"

oe24.TV: Wie nehmen Sie als Spitalsarzt diese Hasskampagne wahr?

Arschang Valipour: Als Arzt, als Kollege dieser jungen Ärztin Lisa-Maria Kellermayr, macht es mich sehr betroffen, dass ihre psychische Gesundheit unter diesem Terror und den Drohungen so weit gelitten hatte, dass sie keinen anderen Ausweg mehr gesehen hatte.

oe24.TV: Wurden Sie im Spital auch so angegangen?

Valipour: In der Klinik Floridsdorf zum Glück nicht in dem beschriebenen Ausmaß. Zu uns kommen natürlich Menschen, weil sie krank sind und auf Hilfe angewiesen sind. Aber natürlich hatten auch wir schon intensive Diskussionen.

oe24.TV: Sie sind auf Twitter aktiv und klären auf.

Valipour: Großteils erhalte ich Dank dafür. Mit manchen versuche ich zu diskutieren. Jene, die mich beleidigen, ignoriere ich. Aber eines sage ich auch klar: Ich werde mich nicht einschüchtern lassen und weiter aufklären. Ich erwarte mir einen Schulterschluss von Gesellschaft und Politik gegen diesen Hass und die Angriffe auf Wissenschaft.

I. Daniel

Fehler im Artikel gefunden? Jetzt melden.