Die Grenzkontrollen zu Ungarn und Slowenien werden um weitere sechs Monate verlängert.
Wien/Kiew (Kyjiw)/Moskau. Österreich verlängert ab Mitternacht die im Zuge der Flüchtlingskrise 2015 eingeführten Grenzkontrollen zu Slowenien und Ungarn um mindestens ein halbes Jahr. Eine dementsprechende Verordnung von Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) gelte ab Donnerstag dem 12. Mai 2022, 0.00 Uhr, hieß es dazu aus dem Innenministerium zur APA. Die bisherige Regelung wäre am Mittwoch, 24.00 Uhr, abgelaufen, sagte ein Ministeriumssprecher weiter. Grund dafür sei unter anderem der Ukraine-Krieg.
Die neue Regelung gelte bis einschließlich 11. November 2022, dann müsse erneut verlängert werden. Als Grund für die Fortsetzung der Grenzkontrollen gab Österreich in einer Mitteilung an die EU-Kommission sekundäre Migration, also das Weiterziehen von Menschen von einem EU-Land in das nächste, sowie die Lage an den EU-Außengrenzen an. Außerdem wurden Terrorgefahr und Organisierte Kriminalität genannt.
Schlepperkriminalität habe neue Geschäftsfelder entdeckt
"Wir sind durch den Krieg in der Ukraine auch im Bereich der inneren Sicherheit besonders gefordert. Die Schlepperkriminalität hat im Schatten der Krise neue Geschäftsfelder entdeckt. Die Kriminellen machen Werbung damit, Europa sei offen, die Grenzen seien offen, man könne in Europa arbeiten. So funktioniert derzeit das Marketing der Schlepper. Dem müssen wir einen Riegel vorschieben", meinte Karner, der am Mittwoch die Eröffnungsrede beim 25. Europäischen Polizeikongress in der deutschen Hauptstadt Berlin hielt. "Wenn wir den Schengenkodex in der Europäischen Union neu verhandeln, muss auch in Zukunft gewährleistet sein, dass Binnengrenzkontrollen weiter möglich sind, wenn es notwendig ist. Und wir müssen jetzt Grenzen setzen, wenn die Hilfsbereitschaft für die Vertriebenen von der Schleppermafia ausgenutzt wird", so der Innenminister weiter.
Karner betonte zudem, dass vor dem Hintergrund des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine die Polizei auch in den Bereichen Extremismus und Cyberkriminalität besonders gefordert sei. Am Rande des Kongresses traf Karner den bayrischen Innenminister Joachim Herrmann. Themen waren unter anderem die polizeiliche Zusammenarbeit, illegale Migration, die Zukunft von Schengen und Grenzkontrollen. Die Kontrollen an der bayerisch-österreichischen Grenze wurden von Deutschlands Innenministerin Nancy Faeser unterdessen bis November verlängert.
Urteil des Europäischen Gerichtshofs
Auch im Hinblick auf ein jüngst ergangenes Urteil des Europäischen Gerichtshofs stellt der Krieg in Europa laut Innenministerium eine neue Bedrohungslage dar. Der EuGH hatte Ende April festgestellt, dass Staaten solche Kontrollen nur im Fall "einer neuen ernsthaften Bedrohung seiner öffentlichen Ordnung oder seiner inneren Sicherheit" verlängern dürfen. Im konkreten Fall ging es um die von Österreich eingerichteten Kontrollen an der Grenze zu Slowenien.
Denn eigentlich gibt es im Schengen-Raum, der 26 europäische Länder umfasst, keine stationären Personenkontrollen an den Landesgrenzen. In den vergangenen Jahren nutzen aber mehrere Staaten eine Ausnahmeregelung und führten wieder Kontrollen ein. Wie es im EuGH-Urteil vom 26. April 2022 hieß, dürfte Österreich schon seit 2017 die für die Kontrollen erforderliche ernsthafte Bedrohung seiner öffentlichen Ordnung nicht nachgewiesen haben. Eine abschließende Entscheidung liegt jedoch beim zuständigen Gericht in Österreich.