Verruf

Julia: Die "Freundin" klagt an

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Als angebliche Drogenlieferantin und Intimfreundin der vermissten Julia Kührer kam Tamara K. diese Woche in eine Zelle – und grausam in Verruf.

Seit Juni 2006 wurde die Niederösterreicherin Tamara K. (27) nie zum Verschwinden der damals 16-jährigen Julia Kührer aus Pulkau befragt. „Hätte die Polizei mich angerufen“, sagt die gelernte Friseurin, „wäre ich sofort hingefahren. Ich habe ja kein schlechtes Gewissen.“

Gerüchte
Montag kam die Polizei dafür zu ihr. In einer spektakulären Aktion wurden Tamara K., ihr Ex-Freund Martin W. (26) und ihr Bruder Martin (21) festgenommen – aber bald wieder auf freien Fuß gesetzt, weil der „dringende Tatverdacht“ nicht hielt.

„Bloße Vermutungen ohne Substrat“, so Tamaras Anwalt Normann Hofstätter, brachten seine Mandantin drei Tage lang in einen Bombenhagel von Gerüchten: Sie sei drogenabhängig, arbeitsscheu und vielleicht sogar bisexuelle Freundin Julias gewesen.

Nichts davon stimmt
Die Soko arbeitet weiter. Tamara K. nicht. Sie hätte Dienstag ein Bewerbungsgespräch in Wien gehabt. Die Stelle wurde anders vergeben.

Tamara K. über ihre Albtraum-Festnahme
ÖSTERREICH:
Montag dieser Woche um sechs Uhr Früh …
Tamara K: … war ich im Bett und hab’ ein Klopfen an der Tür gehört. Jemand hat geschrien: Polizei, machen Sie auf. Dann habe ich nur noch schwarze Masken und Waffen gesehen. Es war irr. Ich wusste überhaupt nicht, was los ist.
ÖSTERREICH: Was haben Sie sich gedacht?
Tamara: Man kommt nicht zum Denken. Ich hab’ gar nicht so schnell schauen können, da wurde ich schon an der Wand gegenüber fixiert. Ich hab’ gezittert – und nach einer Ewigkeit hat mir ein Polizist gesagt, dass es um Julia Kührer geht. Ich hab’ mich gefragt: Worum kann es da gehen? Ich kenne das Mädchen ja überhaupt nicht.
ÖSTERREICH: Die Soko hat dann bei Ihnen Utensilien der vermissten Julia gesucht. Gefunden wurde aber nur ein bisschen Hasch.Tamara: Ich mache ja gar kein Geheimnis daraus, dass ich ab und zu einen Ofen rauche – wie laut Studien 50 Prozent aller Jugendlichen. Bin ich deshalb ein gefährlicher Schwerverbrecher?
ÖSTERREICH: Sie wurden dann ins Bundeskriminalamt gebracht. Wie waren die Einvernahmen?
Tamara: Im Wesentlichen ruhig und fair. Ich verstehe ja, dass die Polizei herausfinden muss, wo ein Mädel ist, das mit 16 verschwindet. Und ich habe auch vom ersten Moment an gesagt: Von mir erfahrt ihr alles, was ich weiß.
ÖSTERREICH: Angeblich hatten Sie ein „Nahverhältnis“ zu Julia Kührer.
Tamara: Das ist Schwachsinn. Bevor die Zeitungen über ihr Verschwinden berichteten und überall Plakate hingen, wusste ich gar nicht, dass es sie gibt.
ÖSTERREICH: Zeugen sagen, Sie hätten Julia gekannt.
Tamara: Ich weiß. Und meine einzige Erklärung dafür ist: Mein früherer Freund Martin und ich gelten als gemütliche Typen. Unsere Wohnung in St. Leonhart am Hornerwald war ein offenes Haus. Ständig sind Leute gekommen. Und irgendwer hat immer ein Mädchen mitgebracht. Vielleicht war einmal auch Julia dabei. Ich weiß es nicht – und es hat mich auch damals nicht interessiert. Kührer ist um sieben Jahre jünger als ich. Was hätte ich mit ihr denn reden sollen?
ÖSTERREICH: Was war der schlimmste Moment in Polizeigewahrsam?
Tamara: Als ich erfahren habe, dass bei Martins Festnahme mein Osiris erschossen wurde (weint). Er war der gutmütigste Hund der Welt; sein ganzes Wesen war: Hab mich lieb. Es geht mir nicht in den Kopf, dass ich ihn nie wieder sehen werde.
ÖSTERREICH: Der „dringende Tatverdacht“ hat sich in Luft ausgelöst, seit Mittwoch sind Sie wieder frei.
Tamara: Ja, aber bei uns am Land wohl für immer in Verruf. Wer gibt mir jetzt noch einen Job?

Wolfgang Höllrigl

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