Bei Automatenrazzia

Polizisten bedrohten Angestellte mit Waffe

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Sie wurde festgehalten, bekam kein Wasser und musste sich nackt nach vorne beugen.

Die Polizei ist wegen ihres besonders brutalen Vorgehens bei einer Automatenrazzia in Oberösterreich im Juni gerügt worden. Laut Landesverwaltungsgericht (LVwG) haben die Beamten die Menschenwürde der anwesenden Angestellten verletzt. Die Frau wurde lange in einem Raum festgehalten, durchsucht, musste sich ausziehen und nackt nach vorne beugen. Zu trinken bekam die Rumänin trotz Übelkeit nichts.

Vorgehen "überschießend"

Auch sonst sind die Beamten von Finanzpolizei, Polizei und Cobra bei dem mehr als dreistündigen Einsatz am 22. Juni nicht zimperlich vorgegangen. Die Eingangstür des Lokals, in dem sie Glücksspielautomaten vermuteten, brachen sie mit Rammbock, Spaten und Winkelschleifer auf. Die Überwachungskameras versuchten sie gewaltsam außer Funktion zu setzen. In einem Zwischenraum wurden ein Stehtisch "achtlos beiseite gestoßen und Barhocker umgeworfen" - und das alles mit gezückten Pistolen.

Allein schon, dass die Landespolizeidirektion Oberösterreich überhaupt eine Cobra-Einsatztruppe beigezogen hat, ist für das Landesverwaltungsgericht "überschießend", wie es in dem Urteil heißt, das der APA vorliegt. Dies umso mehr, als es sich nur um eine Kontrolle nach dem Glücksspielgesetz (GSpG) handelte und nicht der Verdacht einer strafbaren Handlung nach Strafgesetzbuch (StGB) vorlag. Aber selbst wenn eine strafbare Handlung vermutet worden wäre, wäre der Einsatz gesetzlich nicht gedeckt gewesen, weil die einschreitenden Organe weder eine Ermächtigung der Staatsanwaltschaft und schon gar keine richterliche Bewilligung der Razzia hatten, so das LVwG. Das Hausrecht des Lokalbetreibers wurde laut dem Gerichtserkenntnis verletzt. Über ein Amtshaftungsverfahren müsste zivilgerichtlich entschieden werden.

Angestellte unwürdig behandelt

Gerade haarsträubend liest sich, wie die anwesende Angestellte behandelt wurde. Die Rumänin hielt sich im Kellerraum des Lokals auf und war an diesem Abend die einzige, die gearbeitet hatte. Sie wurde mit einer Waffe bedroht, in die Küche gezerrt und von Polizeibeamtinnen am ganzen Körper durchsucht. Die Ermittler dachten, dass die Frau eine Funkfernbedienung bei sich haben könnte, mittels der sie den Austritt von Reizgas aus den Spielautomaten auslösen könnte.

Für den LVwG-Richter passt das nicht zusammen: Die Cobra-Beamten waren zwar "überproportional" ausgerüstet, nämlich mit Schusswaffen, schusssicheren Westen und Spezialhelmen, trugen aber keine Gasmasken. Die Einsatzleitung habe also nicht mit einer "akuten Gefährdung" gerechnet.

"Mehr als seltsam"

Die Angestellte, die zwar unkooperativ war, aber zu keinem Zeitpunkt gefährlich oder aggressiv, wurde etwa eine Stunde von Polizeibeamtinnen in einem Raum festgehalten. "Obwohl sie bloß mit einem eng anliegenden ärmellosen Top, Leggings, Unterwäsche und Schuhen bekleidet war", wurde ihr ganzer Körper abgetastet, um den bei ihr vermuteten Fernfunkauslöser zu finden. "Unter derartigen Umständen" haben sie die Beamtinnen dann noch aufgefordert, "ihre Kleidung vollständig abzulegen, um eine Besichtigung ihres unbekleideten Körpers vornehmen zu können", was laut Gericht "mehr als seltsam" anmuten muss. "Völlig unverständlich" ist dann dem Erkenntnis zufolge "der von den Polizeibeamtinnen an sie zusätzlich ergangene Befehl, sich in nacktem Zustand nach vorne bücken zu müssen".

"Denn es bedarf keiner besonderen Vorstellungskraft, um nachvollziehen zu können, dass schon der Umstand, sich in einem abgesonderten Raum allein einer Mehrheit von uniformierten - und noch dazu bewaffneten - Exekutivbeamten gegenüberzusehen, geeignet ist, bei jedem durchschnittlichen Bürger den nachhaltigen Eindruck der Minderwertigkeit und des schutzlosen Ausgeliefertseins gegenüber den Vertretern der öffentlichen Gewalt zu erzeugen", schreibt der LVwG-Richter.

Psychische Belastung

Und weiter: "Davon ausgehend bedeutet es fraglos eine zusätzliche Degradierung, wenn einem befohlen wird, sich - als einzige der anwesenden Personen - seiner gesamten Kleidung entledigen zu müssen, weil eine gesteigerte Form der Schutzlosigkeit nur noch im Falle einer zusätzlichen Fesselung oder psychischen Ohnmacht vorstellbar ist."

Die Beamtinnen haben der Angestellten zudem "trotz erkennbarer Übelkeit und mehrfachen entsprechenden Ersuchens die Einnahme von Wasser über einen langen Zeitraum hinweg verweigert", stellte das Gericht fest. Sie hat sich aufgrund der psychischen Belastung sechs Zahnkronen ausgebissen.

Menschenwürde verletzt

Der Linzer Landesverwaltungsrichter sieht die Frau klar in ihrem Grundrecht auf Menschenwürde und auf Nichtvornahme einer erniedrigenden Behandlung verletzt. Begründet wird das nicht nur mit der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), sondern auch mit der relativ neuen Europäischen Grundrechtecharta (EGRC). Letztere konnte nur herangezogen werden, weil die Frau nicht österreichische Staatsbürgerin ist. Die EGRC ist in Österreich nicht unmittelbar anwendbar, sondern nur in Fällen mit Auslandsbezug.

Wie die Angestellte von den Beamten behandelt wurde, war nach Ansicht des Gerichts nicht nur erniedrigend, sondern enthielt zudem "einen spezifischen Akt der Demütigung, der den Schutzanspruch der Zweitbeschwerdeführerin ignoriert, sie seitens der Öffentlichen Gewalt nicht zu einem bloßen Handlungsobjekt herabzusetzen, sondern in jeder Lage, d. h. eben 'vorbehaltlos', ihre Eigenschaft als menschliches Wesen und Persönlichkeit respektieren zu müssen."

Keine ordentliche Revision zulässig

Gegen das am 24. September ergangene Erkenntnis ist keine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof (VwGH) zulässig, weil keine wesentliche Rechtsfrage offen ist. Möglich sind lediglich eine außerordentliche Revision an den VwGH sowie eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof (VfGH).

Die Entscheidung des LVwG hat noch keine direkten Folgen, ist aber Grundlage für ein allfälliges Amtshaftungsverfahren vor einem Zivilgericht. Damit ein ordentliches Gericht überhaupt feststellen kann, ob sich zum Beispiel Polizisten schuldig gemacht haben, braucht es nämlich die Feststellung einer Rechtswidrigkeit. Und diese liegt jetzt mit dem LVwG-Erkenntnis vor. Eine Amtshaftung ist dann gegeben, wenn ein Organ, das Gesetze vollzieht, Personen schädigt - als Person selbst oder am Vermögen.

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