Prozess-Neuauflage

Tiroler "Leihopa" erneut freigesprochen

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Richterin sprach den 64-Jährigen "im Zweifel" frei. 

Die Neuauflage des Prozesses gegen einen ehemaligen Betreuer einer Tiroler Jugendorganisation wegen Quälens oder Vernachlässigens eines minderjährigen Buben hat am Montag am Innsbrucker Landesgericht erneut mit einem Freispruch geendet. Richterin Helga Moser erklärte in ihrer Urteilsbegründung, die Entscheidung erfolge "im Zweifel".

 Ob die Gesundheit des Buben beträchtlich geschädigt worden sei, sei zwar nicht auszuschließen, man könne es aber nicht mit der für einen Schuldspruch notwendigen Sicherheit sagen, meinte die Richterin. Es sei aber klar, dass die Obsorge- und Sorgfaltspflichten vernachlässigt wurden. Ein Sachverständiger hatte zuvor in der Verhandlung erklärt, dass die geistige Entwicklung des Kindes nicht gefährdet gewesen sei. Es sei auch kein Schaden festzustellen, der Bub gehe normal in die Schule. Die Staatsanwaltschaft gab keine Erklärung ab, das Urteil war somit vorerst nicht rechtskräftig.

"Leihopa" hatte Buben sozial "isoliert"
Der 64-Jährige war im November 2012 wegen mangelnden Vorsatzes bereits einmal freigesprochen worden. Das Oberlandesgericht Innsbruck hob dieses Urteil jedoch anschließend auf. Dem Beschuldigten war von der Staatsanwaltschaft vorgeworfen worden, zwischen Frühsommer 2009 und Anfang Mai 2010 den damals neunjährigen Buben als "Leihopa" immer mehr "isoliert" und die sozialen Kontakte zu anderen unterbunden zu haben. Gutachten hätten ergeben, dass der Bub durch die Handlungen des 64-Jährigen eine posttraumatische Belastungsstörung erlitten habe.

Schon einmal Verurteilung
Gerichtspsychiater Reinhard Haller hatte in einem Gutachten festgestellt, dass der 64-Jährige aufgrund seiner eigenen Kindheit an einem "übertriebenen Helfersyndrom" leide. Die Verteidigung gab im Erstprozess an, dass ihr Mandant den Neunjährigen damals in Absprache mit der Mutter betreut habe, nachdem diese permanent Aufgaben an ihn delegiert habe.

Der ehemalige Betreuer war bereits im Jahr 1999 in Zusammenhang mit dem Selbstmord eines Zwölfjährigen wegen Bestimmung zur Selbsttötung zu 13 Jahren Haft verurteilt worden. Acht Jahre später wurde er wegen guter Führung entlassen.
 

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