Nach Forstunfall

Bub (10) erhielt neue Schädeldecke aus 3D-Drucker

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Sensation am Uniklinikum Salzburg: Zehnjähriger durfte fünf Wochen nach Unfall das Krankenhaus wieder verlassen

Ende 2023 ist in Bayern nahe der Grenze zu Salzburg ein zehnjähriger Bub bei einem Forstunfall lebensbedrohlich verletzt worden. Ein Metallstück hat einen Teil seiner Schädeldecke zertrümmert. Die behandelnden Ärzte am Uniklinikum Salzburg entschlossen sich, das fehlende Knochenstück mit dem 3D-Drucker nachzubauen. Das ist im Krankenhaus seit dem Vorjahr in Eigenregie möglich und nun erstmals bei einem Kind erfolgt. Fünf Wochen nach dem Unfall wird der Bub heute entlassen.

Am 28. Dezember helfen der zehnjährige Felix und sein jüngerer Bruder Simon ihrem Vater und Großvater bei Holzarbeiten am Ulrichshögl im bayerischen Ainring, als ein Stahlseil reißt. Dabei löst sich eine Seilklemme und wird gegen den Kopf des Buben geschleudert. Das Metallteil durchschlägt die Schädeldecke und bleibt stecken. Der Vater versucht, die Blutung zu stoppen, und setzt einen Notruf ab. Dann bringt er den Buben mit einem Quad mit Anhänger aus dem Wald auf eine Wiese, wo sie auf die Rettungskräfte warten. Felix - noch immer bei Bewusstsein - erhält vom Notarzt eine Narkose und wird mit dem Hubschrauber ins Uniklinikum Salzburg geflogen.

Seilklemme im Kopf

Der Bub kommt in den Schockraum, ein CT zeigt, dass im Kopf ein Fremdkörper steckt: die etwa vier bis fünf Zentimeter große Seilklemme. Die Kalotte - das knöcherne Dach des Schädels - ist teilweise zertrümmert. In einer ersten, vierstündigen Operation entfernen zwei Kinderchirurgen und ein Neurochirurg den Metallteil und viele Knochensplitter aus dem Gehirn von Felix, legen eine Hirndrucksonde ein und verschließen den Schädel provisorisch. Dann kommt das Kind auf die Intensivstation.

"Die erste Zeit ist besonders heikel. Das Gehirn schwillt an, es könnte sich etwas entzünden, Nachblutungen und Störungen auftreten", sagt Roman Metzger, der Vorstand am Uniklinikum Salzburg für Kinder- und Jugendheilkunde. Die Eltern dürfen am Anfang ihren Sohn nicht einmal streicheln, weil jeder Impuls für das Gehirn vermieden werden soll. Lange bangen sie - Prognosen sind zunächst nicht möglich. "Nach der Operation erwarten wir eigentlich eine Reihe von heiklen Phasen. Auch das Risiko neurologischer Folgen ist da", erklärt Metzger. Doch nach einigen Tagen geht es Felix besser. "Nichts ist so eingetreten, wie man es hätte befürchten müssen, das war eine Glückskette."

Doch es ist klar, dass ein großer Teil des Schädeldachs fehlt - und am Uniklinikum seit September 2023 die Möglichkeit besteht, mit einem hauseigenen 3D-Drucker selbst Ersatz herzustellen. Das ist Aufgabe von Werner Wurm. "Bisher wurde das von externen Firmen erledigt, was im Schnitt drei bis vier Wochen gedauert hat", sagt der Leiter des 3D-Labors der Klinik. "Bei Felix haben wir gemeinsam mit den Chirurgen innerhalb von fünf Tagen ein auf ihn abgestimmtes Implantat designt und gedruckt." Als Material dazu dient "PEEK", ein extrem robuster medizinischer Kunststoff, der vom Körper nicht abgestoßen wird.

3D-Labor

Allerdings gab es Hürden: Bei planbaren Eingriffen wird zuvor ein CT gemacht, um das Implantat dem intakten Schädel genau nachzuempfinden. Felix wurde mit zersprungenen Knochen eingeliefert, die Vorlage fehlte. "Wir haben darum auf Basis des 3D-Datensatzes aus den CT-Bildern die bestehende Schädelform virtuell gespiegelt und zunächst ein Modell der Gegenseite gemacht", berichtet Neurochirurg Johannes Pöppe. Auf Basis des Modells wurde dann der fehlende Teil konstruiert und am 17. Jänner eingebaut. Noch einmal wird Felix fast drei Stunden lang operiert, das Implantat passt auf einen halben Millimeter genau.

Das Uniklinikum Salzburg ist eines der ersten Krankenhäuser mit eigenem 3D-Labor. Seit vergangenem September wurden 24 Implantate gedruckt - bisher nur für Erwachsene. "Dass eine im Haus selbst 3D-gedruckte Plastik bei einem Kind gemacht worden ist, ist unserer Kenntnis nach das erste Mal passiert", sagt dazu Neurochirurg Pöppe. Nachsatz: möglicherweise weltweit.

Der Technologie dürfte auch die Zukunft gehören. "Ziel ist Präzisionsmedizin", sagt dazu Abteilungsvorstand Metzger. "Wo Implantate nicht von der Stange kommen und man auf fixe Größen zugreifen muss, sondern wo sie für das Individuum gestaltet werden." Die Schädeldeckenplastik von Felix sei dafür gedacht, grundsätzlich Jahrzehnte im Kopf des Burschen zu bleiben. "Ob mit seinem Wachstum einmal eine Knochenlücke entsteht, die man zusätzlich noch einmal deckeln müsste, kann ich noch nicht sagen. Das kann sein, muss aber nicht sein."

Fest steht, dass der Zehnjährige heute, nur fünf Wochen nach seinem Unfall, aus dem Krankenhaus entlassen wird. "Am Anfang war von Monaten die Rede", sagt seine Mutter. Sein größter Wunsch ist es nun, mit seinen besten Freunden Silvester nachzufeiern, sagt er selbst. Nach den Semesterferien wolle er "Teilzeit", also schrittweise, wieder mit der Schule beginnen. Seine Hobbys - Mountainbiken und Skifahren - müssen allerdings ruhen. Und auch der Musikverein, wo Felix Tenorhorn spielt, wird noch längere Zeit auf ihn verzichten müssen.

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