Zwei deutsche Gutachter haben Strafanzeige eingebracht gegen einen Staatsanwalt, die Oberstaatsanwaltschaft Linz und Ex-Ministerin Berger.
Die beiden deutschen Gutachter Hans-Jochim Keim und Bernhard Schrettenbrunner, die mit ihrer Strafanzeige gegen die vier Gutachter des Kaprun-Strafverfahrens und ihrem Wiederaufnahmeantrag des Strafverfahrens abgeblitzt sind, haben nun gegen einen Linzer Staatsanwalt, Angehörige der Oberstaatsanwaltschaft (OStA) und Ex-Justizministerin Maria Berger (S) und andere Personen Strafanzeige erstattet: Wegen Verdachts des Amtsmissbrauchs, der Bildung einer kriminellen Verreinigung, vorsätzlicher Strafvereitelung, schweren Betruges und andere Delikte.
Keineswegs gehe es ihnen mit ihren Anzeigen ums Geld, sondern der Wahrheit und Gerechtigkeit solle zum Sieg verholfen werden, betonten die beiden Deutschen.
Fakir-Verfahren eingestellt
In ihrer 22-seitigen
Strafanzeige an Justizministerin Claudia Bandion-Ortner, das Landgericht
Salzburg, das BKA Wiesbaden und Europol beziehen sich Keim und
Schrettenbrunner auf das Strafverfahren in Heilbronn, wo die Gletscherbahnen
Kaprun AG (GBK) den Heizlüfterhersteller "Fakir" angezeigt
hatten, der laut Urteil im Kaprun-Strafverfahren die Brandkatastrophe am
Kitzsteinhorn verursacht haben soll, bei der 155 Menschen am 11. November
2000 ums Leben kamen. Die Ermittlungen des LKA Stuttgart ergaben ganz andere
Ergebnisse als jene der vier Gutachter des Strafverfahrens, die StA
Heilbronn stellte das Verfahren gegen "Fakir" am 25. September
2007 ein.
Gutachter-Verfahren eingestellt
Die OStA Linz hat am 2. November
dieses Jahres das Ermittlungsverfahren gegen die vier - von den beiden
Deutschen angezeigten - Gutachter eingestellt
und die Wiederaufnahme "blockiert - trotz erdrückender Beweislast, wie
sie auch von der StA Heilbronn geliefert wurde", heißt es in der
Anzeige. Schrettenbrunner und Keim haben der österreichischen StA und OStA
auf mehreren hundert Seiten neue Beweise vorgelegt. Sie beschweren sich auch
darüber, dass die zum Gerichtsakt gegebene schriftliche Aussage eines
Gutachters von der StA und OStA Linz "zum geheimen Gerichtsakt"
(gemeint ist das sogenannte "Tagebuch") hinzugefügt wurde, dessen
Einsicht dem Privatbeteiligtenvertreter verwehrt wurde.
Geheimer Deal
Auch sei ein geheim gehaltener, zivil- aber auch
strafrechtlich sich nachhaltig auswirkender geheimer
Deal zwischen den GBK, dem Verbund, der Generali Versicherung, sowie
Vertretern der Republik Österreich und diverser am Bau der Fahrzeuge
beteiligter Unternehmen geschlossen worden. Erst mit der Veröffentlichung
durch "Die Zeit" am 5. November 2009 "wurde der bisher geheim
gehaltene Deal in der Öffentlichkeit bekannt", heißt es in der
Anzeige.
Mehr Geld für US-Opfer
Mit diesem geheimen Vertrag wären
die Hinterbliebenen und Überlebenden auf Basis ihrer Staatsangehörigkeit
bezüglich ihrer zivilrechtlichen Ansprüche in zwei Gruppen aufgeteilt
worden, lauten die Vorwürfe: Hinterbliebene ohne US-Staatsbürgerschaft seien
vertragsgemäß gegenüber den US-Hinterbliebenen diskriminiert worden, weil
sie nur geringere zivilrechtliche Ansprüche geltend machen konnten. So
hätten die amerikanischen Angehörigen rund 200.000 US-Dollar (134.517 Euro)
pro Person mehr erhalten, als die anderen von der Vermittlungskommission.
Wiederaufnahme eingestellt
Ex-Justizministerin Berger habe in
Kenntnis der vollkommen widersprechenden Ermittlungsergebnisse der
Staatsanwaltschaft Heilbronn vom 25. Sept. 2007 das Wiederaufnahmeverfahren
gegen die 16 Angeklagten im Hauptprozess ohne Begründung eingestellt. Die
vorliegenden Ermittlungsergebnisse der StA Heilbronn seien vom
Justizministerium ignoriert worden. Auch die Einstellungen gegen die vier
Gutachter erfolgte begründungslos und lediglich mit der "Schutzbehauptung,
dass keine neuen Beweise vorliegen". Die StA, die OStA und das
Justizministerium hätten sich zugunsten der Parteien des Geheimvertrages
auch nicht mit der Frage des bedingten Vorsatzes auseinandergesetzt. Aus
demselben Grund seien auch die eingeleiteten Strafverfahren wegen des
Verdachts der Korruption, des Betruges, des Amtsmissbrauches, der
vorsätzlichen Strafvereitelung gegen die vier österreichischen
Gerichtssachverständigen und gegen Unbekannt wegen angeblichen Mangels des
Nachweises des Vorliegens eines Vorsatzes durch die StA Linz und OStA Linz
und das BMJ eingestellt worden.
Japaner schließen sich an
Seine 31 japanische Mandanten
werden sich auf jeden Fall den neuen Strafverfahren anschließen, und noch
weitere Privatbeteiligenanschlüsse würden folgen, kündigte der Wiener
Rechtsanwalt Gerhard Podovsovnik. Das Justizministerium habe lange genug
Zeit gehabt, "um im Hause Österreich selbst mit diesen skandalösen
Vorgänge aufzuräumen", so der Wiener Advokat, der zwölf
Überlebende sowie zahlreiche Opfer-Angehörige vertritt.
Justizministerium verteidigt Freisprüche
Das
Justizministerium verteidigte am Montag die Freisprüche für die Gutachter.
Die österreichische Justiz habe zur Aufklärung der Brandkatastrophe in der
Gletscherbahn Kaprun intensive und umfangreiche Ermittlungen geführt. Das
österreichische Strafprozessrecht sei gekennzeichnet vom Grundsatz: "Im
Zweifel für den Angeklagten", hieß es in einer Stellungnahme des
Ministeriums.
Ein Schuldspruch durch ein Strafgericht erfordere einen zweifelsfreien Nachweis der persönlichen Verantwortlichkeit jedes einzelnen Angeklagten. Ein solcher Nachweis sei trotz aller Bemühungen nicht in jedem Fall zu erbringen, wurde in der Aussendung mitgeteilt.