Kann Kunstschnee Sünde sein? Der Rektor der Linzer Privatuniversität verurteilt den Einsatz von Schneekanonen als moralisch verwerflich.
Schneekanonen können Sünde sein. Diese Ansicht vertrat der neue Rektor der Katholisch-Theologischen Privatuniversität (KTU) in Linz, Michael Rosenberger, am im Gespräch mit dem ORF Radio Oberösterreich. Bei Ausnahmen - wie etwa Skirennen - könnte der Moraltheologe ein Auge zudrücken, "aber im Normalfall würde ich davon ausgehen, dass das keine Lösung darstellt".
Sünde an der Natur
Wer um jeden Preis dafür sorge, dass die
Pisten weiß sind, versündige sich unter Umständen gegen die Natur, so
Rosenberger. "Schließlich verschlingen diese Schneekanonen Unmengen an
Energie und heizen damit den Treibhauseffekt weiter an. Dieser sorgt
letztlich dafür, dass wir keinen Schnee auf den Pisten haben", hat er
"grundsätzlich schon ein Problem" mit dem Kunstschnee. "Man müsste sich
Alternativen überlegen, um den Tourismus in den Schnee armen Gebieten auf
andere Weise zu unterstützen".
Er wolle "kein generelles Urteil" sprechen, denn es hänge vom Einzelfall ab, so Rosenbergern abschließend. Dennoch bleiben seine Vorbehalte gegen die künstliche weiße Pracht aufrecht: "Es kann auf jeden Fall auch eine Sünde sein."
Stift Schlägl setzt Kunstschnee ein
Etwas anders ist die
Position des Abtes des Stiftes Schlägl, Martin Josef Felhofer. Das Stift
setzt auf den Hängen des Hochfichts bei Bedarf ebenfalls Schneekanonen ein.
Kunstschnee sei zwar problematisch, räumte der Abt im Radio-Interview ein,
er wolle das Wort Sünde aber hier nicht verwenden, "weil es in der
Moraltheologie auch den Begriff der Güterabwägung gibt". In Hinblick auf die
Bereiche Wirtschaft, Sport und Freizeit halte er die Verwendung der
Schneekanonen für "vertretbar".
Michael Rosenberger ist Moraltheologe und Umweltsprecher der Diözese Linz. 2004 wurde er in die Gentechnik-Kommission des Gesundheitsministeriums berufen. Am Montag gab die Diözese bekannt, dass der geweihte Priester neuer Rektor der KTU wird, wo er seit dem Studienjahr 2002/2003 den Lehrstuhl für Moraltheologie innehat.
Todesgefahr durch Schneekanonen
Wie gefährlich Schneekanonen
sein können, belegt ein weiterer tragischer Unfall in Frankreich: In den
französischen Alpen kam zum zweiten Mal innerhalb gut einer Woche ein Mensch
ums Leben, nachdem er gegen eines der Geräte gerast war, wie die Bergrettung
in Val-Frejus im Departement Savoie mitteilte.
Der 46-Jährige sei am Nachmittag mit der Kanone kollidiert und auf der Stelle tot gewesen. Am 8. Jänner war im selben Regierungsbezirk eine Elfjährige an der Station Meribel-les-Allues mit hoher Geschwindigkeit gegen eine Schneekanone gefahren und gestorben. Sie war durch eine Schneeschanze über die Fangzäune um das Gerät katapultiert worden.
Skifahren in den Alpen bald unmöglich
Nach Meinung der
britischen Klimawissenschafterin Jill Jäger muss sich die Tourismusindustrie
in den Alpen mangels Schnee langfristig von Ski- auf reine Wellnessangebote
umstellen. Die vom Menschen verursachte Erderwärmung werde den Alpenregionen
voraussichtlich weitere warme Winter bringen, sagte die
Umweltwissenschafterin. "Langfristig gesehen wird man in den Alpen nicht
mehr Ski fahren können", ergänzte sie. Der Tourismus müsse sich dieser
Entwicklung zwangsläufig anpassen.
Kunstschnee kein Konzept
Die Investitionen der Alpenregionen in
Schneekanonen seien auf längere Sicht kein hilfreiches Konzept, betonte
Jäger. "Es ist in diesem Winter so warm, dass auch Schneekanonen nichts mehr
nutzen", ergänzte sie. Der Energie- und Wasserverbrauch der Geräte sei
selbst bei ausreichend kühlen Temperaturen nicht wirtschaftlich. Es könne
auf Dauer auch keine Lösung sein, dass beispielsweise für ein Skirennen in
Kitzbühel Ende Jänner 4.000 Kubikmeter Schnee vom Großglockner mit Lastwagen
herangefahren würden.
"Die Alpenregionen bekommen heute die Folgen des Ausstoßes von Treibhausgasen aus den sechziger und siebziger Jahren zu spüren", erläuterte Jäger. Selbst wenn es heute gelänge, die Emissionen in Europa stark zu senken, würde das den Schneefall dort nicht begünstigen. "Den Alpen wird das nichts mehr nutzen", so die Forscherin.