Dompfarrer

Faber: "Weiß schon, wo ich begraben werde"

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In und um den Wiener Stephansdom wird Pfingsten ganz besonders gefeiert.

Toni Faber (53) strahlt. Er ist voll Energie, freut sich auf das Wochenende. Zwei Monate lang war er im Spital. Eine chronische Bauchspeicheldrüsenentzündung hat dem Dom­pfarrer von St. Stephan arg zugesetzt. Insgesamt 15 Kilo hat er abgenommen. Jetzt, zu Pfingsten, ist er wieder fit. Gerade rechtzeitig: Denn jetzt wird in und um den berühmten Stephansdom besonders gefeiert. Mit Kirtag und Lichtinstallationen im Dom. Faber ist stolz drauf, hier das Pfingstwochen­ende zelebrieren zu dürfen – und zu können. Im Interview mit ÖSTERREICH am SONNTAG spricht er über die Bedeutung dieses Feiertags-Wochenendes. Und er beschreibt seine schweren Stunden im Spital und wie ihm die Krankheit seine eigene Endlichkeit bewusst gemacht hat.

Lehren aus den vergangenen Wochen im Spital
Loslassen. Angst vor dem Tod hat Faber keine, wie er sagt. Doch die vergangenen Wochen haben ihn gelehrt, dass er sich noch mehr in Dankbarkeit, Demut und Geduld üben müsse. Und er weiß, dass er das „Loslassen“ noch lernen muss. Einige Vorkehrungen hat er bereits getroffen, um vom Leben loszulassen: „Ich weiß schon, wo ich begraben werde“, so der Dompfarrer.

Faber: "Die Situation war ernst. Ich lebe gern!"

ÖSTERREICH: Pfingsten wird in der Dompfarre St. Stephan besonders gefeiert. Warum?
Toni Faber: Wir feiern Pfingsten, das Fest des Heiligen Geistes und der Geburtsstunde der Kirche, als Geburtstagsfest mit einem Kirtag. Pfingsten ist ein Fest, bei dem wir von oben Kraft erbitten und hoffentlich auch bekommen, um durchzuhalten. Denn für vieles brauchen wir einen langen Atem. Beispielsweise, wenn wir von schwerer Krankheit bedrückt sind. Dann wirkt der Heilige Geist als Tröster, Erquicker und Kraftquelle von oben.
ÖSTERREICH: Sie selbst waren von langer Krankheit ­betroffen. Ihre chronische Bauchspeicheldrüsenentzündung hat Sie monatelang geschwächt. Wie geht es Ihnen nun?
Faber: Ich war zwei Monate im Spital. Das ist eine sehr lange Zeit. Ich habe nach den ersten Tagen gehofft, dass ich bald wieder auf den Beinen bin. Aber ich musste Geduld lernen, Demut lernen, Dankbarkeit lernen. Das alles sind Haltungen, von denen man glaubt, dass man sie hat. Aber wenn man so auf ärztliche Hilfe angewiesen ist, wenn das eigene Körpergewicht immer weniger wird, dann wird man auf das eigene Endliche verwiesen.
ÖSTERREICH: Wie sehr hatten Sie Angst vor dem Tod?
Faber: Ich versündige mich hoffentlich nicht, wenn ich sage, wenig Angst vor dem Tod zu haben. Aber wenn man im Spital liegt und alle zwei Tage um ein Kilo weniger hat, dann fängt man schon an nachzudenken. Dann ist auch noch ein Problem mit der Galle aufgetreten und ich war mehr grün und gelb im Gesicht als rosé­farben. Da ist man schon in Sorge. Die Situation war wirklich ernst. Ich lebe gern, trotzdem muss ich nicht 100 Jahre alt werden. Aber meine Zeit möchte ich gerne noch sinnvoll nützen.
ÖSTERREICH: Haben Sie durch die Zeit im Spital neue Erkenntnisse über sich gewonnen?
Faber: Garantiert. Ich habe meine Phase des Demütiger-Werdens, des Dankbar-Werdens noch nicht abgeschlossen. Das wird bei jedem Krankheitsfall, jedem Todesfall, bei all den kleinen und großen Dramen und Katstrophen, zu denen ich gerufen werde, immer mehr. Es ist eine Schule des Lebens, die darin mündet, loslassen zu können. Das Loslassen ist für mich ein großes Thema. Ich weiß schon, wo ich begraben sein werde in St. Stephan: Ich kenne meinen Platz in der Domherrengruft in St. Stephan. Und für die letzten Momente habe ich schon vieles geordnet. Kardinal König hat gesagt: Der Tod ist das einzig Sichere im Leben. Alles, was vorher ist, ist spannend. Ich liebe das Leben und weiß, mit dem Tod ist nicht alles aus.
ÖSTERREICH: Insgesamt haben Sie 15 Kilo abgenommen. Wie haben Sie sich körperlich wieder aufgepäppelt?
Faber: Ja, es waren 15 Kilo, aber ich habe schon einiges wieder zugenommen. Am Anfang habe ich Infusionen und Proteine erhalten. Dann hat mir jemand einen Vorschlag gemacht, dass ich Anabolika nehmen soll, weil diese für den Muskelaufbau gut sind. Mein Primarius war aber von dem Vorschlag geschockt. Also bin ich beim normalen Aufbauprogramm geblieben und jetzt ist schon Einiges wieder auf den Ripperln drauf. Kleine Sünden begehe ich natürlich. Da und dort habe ich schon ein Stück Schokolade gekostet und ein Fleisch, das nicht nur mager war, sondern wo auch das gut Durchzogene dabei war. Aber diese Sünden müssen klein bleiben. Ich bin einfach gezwungen, strenge Diät zu halten. Ich kenne die Krankheit ja seit 20 Jahren und bin erblich belastet. Mein Vater ist an einem Pankreas-Karzinom gestorben. Er konnte nichts dagegen tun, ich schon. Und ich kann Hochzeiten, Taufen, Firmungen an einem Wochenende feiern und Sterbende begleiten. Das macht mich glücklich. Es ist ein großes Lebensglück, wenn man für andere da sein kann.
ÖSTERREICH: Gerade jetzt zu Pfingsten ist es sicherlich sehr anstrengend. Wird das nicht alles zu fordernd?
Faber: Ich habe gelernt, das Sterblich-Sein zu bedenken: Memento mori. Aber man darf nicht stehen bleiben und in Trauer verfallen, sondern muss weitergehen: Carpe diem – nütze den Tag! Ich habe die Bauchspeicheldrüse als Schwachstelle, möchte aber meine Lebenskraft gut einsetzen. Die Zeit der Rekonvaleszenz, bei den Zisterzienserinnen in Marienkron, war für mich eine wichtige Zeit des Innehaltens, um der Natur wieder näher zu kommen, um aufmerksamer für die Regungen meines Körpers zu werden. Jetzt bin ich wieder mitten im Getriebe und ich spüre: Übertreibe es nicht! Darum habe ich mir vorgenommen, meinen Terminkalender am Abend etwas zu lichten.
ÖSTERREICH: Sie haben aber zu Pfingsten im Dom Spezielles für die Besucher vorbereitet, da wird die Zurückhaltung mit der Arbeit wohl schwierig. Was bedeutet die Lichtinstallation im Dom?
Faber: Richtig. Schon am Aschermittwoch haben 
wir mit einer Fastentuchinstallation begonnen. Wir haben Menschen eingeladen, ihre Gebetsanliegen auf Zettel niederzuschreiben. 50.000 solcher Anliegen wurden in Kuben eingeknotet. Diese wurden jetzt vom Künstler Stefan W. Knor in eine Art Himmelsleiter verwandelt. Bis zur Langen Nacht der Kirchen am 29. Mai wird diese Installation zu sehen sein. Die Gebetsanliegen sind ein guter Weg, zu Gott zu finden. Denn die Kirche steht ja nicht nur für Seelsorge, ­sondern auch für das Mit­einander, für Architektur und Kunst und dafür, Speis und Trank gemeinsam zu genießen. Diese Botschaft wollen 
wir zu Pfingsten besonders vermitteln. Es wäre also jeder schlecht beraten, sich zu Pfingsten nur freie Zeit zu nehmen und den Heiligen Geist nicht für sich zu erbitten. Denn wir alle brauchen ihn auf viel­fältige Weise!

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