Urteil nicht rechtskräftig

Messerstiche nach Prügelattacke: Zwei Jahre Haft

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Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Wien. Wegen der Messerattacke auf ihren Freund im vergangenen Mai ist am Donnerstagabend eine 20-Jährige von einem Wiener Schwurgericht zu zwei Jahren Haft verurteilt worden. Der Mann soll sie ihren Angaben zufolge an den Haaren durch die Wohnung geschliffen haben. Um sich aus seinem Griff zu befreien, habe sie zum Messer gegriffen und plädierte auf Notwehr. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Die Geschworenen bejahten die Hauptfrage nach versuchtem Mord einstimmig, werteten aber die Maßnahme, dass die Frau mit dem Zustechen aufgehört habe, als er ihre Haare los ließ, allerdings als Rücktritt vom Versuch. Deshalb kam die Eventualfrage nach absichtlicher schwerer Körperverletzung zu tragen, die von allen acht Geschworenen mit Ja beantwortet wurde.

Die Beschuldigte nahm das Urteil an. Die Staatsanwaltschaft gab keine Erklärung ab.

"Toxische Beziehung"

Die zum Tatzeitpunkt 19-jährige Slowakin war mit 15 Jahren nach Österreich gekommen, weil sie nach Misshandlungen ihres Stiefvaters von Zuhause weggelaufen war. Recht bald lernte sie ihren Freund kennen, beide würden "aus desolaten Verhältnissen" stammen, berichtete die Anklägerin in ihrem Eröffnungsplädoyer. Sie sprach von einer "toxischen Beziehung". Vor zwei Monaten zogen die beiden in eine kleine Wohnung. Laut dem Verteidiger der 20-Jährigen, Thomas Nirk, sei der Afghane allerdings nicht nur sehr eifersüchtig, sondern auch "massiv gewalttätig" gewesen.

Als laut Staatsanwältin "streng gläubiger Moslem" hat der Mann am Abend des 1. Mai gemeinsam mit der damals 19-Jährigen und einem Mitbewohner das Ende des Ramadan feiern wollen - mit reichlich Alkohol. Dazu wurde eine Whiskeyflasche geöffnet und der Inhalt geleert. "Wir fühlten uns wohl und lachten miteinander", sagte die Angeklagte. "Wir tranken und sprachen über unsere Zukunft. Wir wollten uns trauen lassen und Kinder haben."

"Er hat mich sehr, sehr arg beschimpft"

In der Nacht auf den 2. Mai kam es dann zu einer handfesten Auseinandersetzung zwischen dem Paar. "Er hat mich sehr, sehr arg beschimpft", meinte die junge Frau. Auslöser dürfte gewesen sein, dass der Mitbewohner nicht gemeinsam mit der 19-Jährigen feiern wollte, daraufhin bezeichnete der Freund der Angeklagten die 19-Jährige als "Hure" und ließ auch kein gutes Haar an der Mutter der Frau.

Als die Frau ihn zur Rede stellte, meinte dieser: "Setz dich hin oder ich werde dich schlagen." Sie meinte: "Sag nichts Böses mehr über meine Mutter! Komm doch her und verprügel mich!" Daraufhin schlug der Mann auf seine Freundin ein, sie schlug laut Staatsanwältin zurück und es kam zu einer Rauferei. Die 19-Jährige holte aus der Küche zwei Messer "mit der Absicht, ihn zu erschrecken". Der Mitbewohner - der beste Freund des Mannes - schlug ihr jedoch die Waffen aus ihrer Hand.

"Da wurde er noch aggressiver, packte mich an den Haaren und zerrte mich in die Küche", sagte die Beschuldigte, die seit dem Vorfall in Untersuchungshaft sitzt. Bei der Abwasch lag ein weiteres Messer, sie schnappte es sich und stach zu. Am Ende hatte der Mann zwei Stiche in der Brust und am Oberarm einen weiteren Stich. "Ich habe überhaupt nicht gefühlt, das ich ihn getroffen habe." Sie habe erst bemerkt, dass ihr Freund verletzt sei, als er ihre Haare losgelassen habe. "Was hatten sie für Emotionen dabei?", fragte die Schwurgerichtsvorsitzende Martina Frank. "Ich war so wütend, weil er meine Mutter beleidigt hat." Schon zwei Woche zuvor sei er auf die Frau losgegangen. "Ich wollte zu einer Freundin ziehen, ich wurde aber von meinem Freund in der Wohnung eingesperrt."

"Wir sind nicht mehr zusammen"

Auf die Frage der Richterin, ob sie derzeit in einer Beziehung mit dem Mann sei, meinte die Angeklagte: "Wir sind nicht mehr zusammen." Und weiter: "Ich habe Angst mit ihm zusammen zu sein." Die Vorsitzende: "Würden Sie die Beziehung wieder aufnehmen, wenn sie aus der Haft entlassen sind?" Darauf sagte die 20-Jährige: "Möglich, aber es ist nicht sicher." Laut der Richterin hat die Beschuldigte nämlich nicht nur mit dem ehemaligen Lebensgefährten, sondern auch mit einem anderen Mann regen Briefverkehr im Gefängnis. Dabei handelt es sich um einen Insassen, nämlich einer jener beschuldigten Männer, die im Fall der getöteten 13-Jährigen kommende Woche vor Gericht stehen.

Der Prozess um den Mordversuch gestaltete sich schwierig, weil das Opfer und sein Freund als Zeugen aussagen sollten, aber nicht bei Gericht auftauchten. Sie wurden polizeilich vorgeführt. Die beiden widersprachen der Frau und gaben an, dass die damals 19-Jährige das Messer erst nach dem Festhalten geholt und auf den Mann eingestochen haben. Ein dritter Zeuge, der ebenfalls in der Wohnung anwesend war, unterstützte jedoch die Angaben der Angeklagten.

Hinweis: In Österreich finden Frauen, die Gewalt erleben, Hilfe und Informationen bei der Frauen-Helpline unter: 0800-222-555 (kostenlos und rund um die Uhr), www.frauenhelpline.at; beim Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser (AÖF) unter www.aoef.at; der Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie: www.interventionsstelle-wien.at und beim 24-Stunden Frauennotruf der Stadt Wien: 01-71719 sowie beim Frauenhaus-Notruf unter 057722)

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