Während die Hinterbliebenen vor Trauer fast zugrunde gehen, müssen sich die Ermittler viele Fragen gefallen lassen.
Die schwerste Aufgabe der weitverzweigten Familie aus Tunesien kommt jetzt dem Cousin des Mordopfers zu: Wajih K. erhielt endlich ein Visum, das ihm die Reise von London nach Ungarn ermöglicht.
Am Ziel angelangt, soll er dort seinen engen Verwandten identifizieren und dann dafür sorgen, dass die sterblichen Überreste in die Heimat überstellt werden – zu den gramgebeugten, tief religiösen Eltern. Wobei die Mutter des Verstorbenen zuletzt so sehr erkrankt ist, dass man sich große Sorgen um die Frau machen muss. Doch welche Familie erträgt schon ohne Folgen, dass der Sohn brutal getötet und zerstückelt wurde und mit Salzsäure aufgelöst hätte werden sollen.
Mutter von Killerin half, die Leiche zu beseitigen
Dass der Täter eine Frau ist. Dass die Mutter der Killerin als Komplizin mithalf, die Leiche verschwinden zu lassen, ebenfalls verhaftet wurde. Und dass die Behörden bei den Ermittlungen derart geschlampt haben, dass etwaige weitere Komplizen unbehelligt davonkommen …
Tatsächlich artet das Versagen der Ermittler zu einem handfesten zwischenstaatlichen Behördenskandal aus: Da sind einerseits die ungarischen Mordermittler, die am 2. März alarmiert werden, dass man in Jászalsószentgyörgy einen zerstückelten, in Plastiksäcken in einem Kanal abgelegten Mann gefunden habe. Mithilfe von Interpol wird der Mann als Ashref K. identifiziert, der in Wien lebte – und wenn er kein U-Boot war, auch hier gemeldet war. Schon zu diesem Zeitpunkt hätte man die österreichische Kripo um Amtshilfe fragen können. Was verabsäumt wurde.
Spuren in Mord-Wohnung wohl bereits vernichtet
Als man am 25. März die verdächtige Szilvia P. ausforschte, legte die noch am selben Tag ein Geständnis ab, ihren Freund in Wien, und zwar schon am 24. Februar in dessen Wohnung angeblich in Notwehr mit einem Messer getötet zu haben. Szilvias Mutter Andrea P. lieferte sich selbst ans Messer, weil sich ein Verkäufer in der Region gemerkt hatte, dass sie es war, die die Haushaltssalzsäure gekauft hatte. Wie dem auch sei: Spätestens am 25. März hätten die ungarischen Kriminalisten ihre Wiener Kollegen informieren sollen, dass es in einer Wiener Wohnung ein Blutbad gegeben hatte, wo noch Spuren zu sichern wären, damit alle Fragen – auch nach etwaigen Komplizen – geklärt werden können.
Aber nichts da. Die Wiener Ermittler erfuhren angeblich erst Anfang vergangener Woche aus der Zeitung, auch nach Berichten von ÖSTERREICH, von dem abscheulichen Verbrechen. Doch die ermittlungsführende Staatsanwaltschaft ließ sich mit einem Erhebungsauftrag an die Polizei noch ein paar Tage Zeit, in denen die letzten Spuren in dem Haus in der Abelegasse in Ottakring wohl vernichtet wurden: Wie ÖSTERREICH aufdeckte, ist die Mordwohnung mittlerweile renoviert, geputzt und wieder vermietet. An vier Rumänen, die der Graus packte, als sie von den Ereignissen erfuhren, die sich vermutlich in ihrem Bad abgespielt haben.
Ende der Woche vermeldete die Staatsanwaltschaft in Wien dann fast lakonisch, dass man nun die Unterlagen aus Ungarn angefordert habe und in alle Richtungen ermittle. An Spekulationen über Mitwisser, Zeugen und Komplizen beteilige man sich nicht. Man kann gespannt sein, wie es weitergeht. Es gilt die Unschuldsvermutung. (kor)