Streik droht

Richter im Psychokrieg mit Regierung

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Richter und Staatsanwälte fordern 430 zusätzliche Dienstposten. Der Regierung wird ein Ultimatum bis Ende März gestellt.

Im Konflikt um mehr Personal für die Justiz verschärfen Richter und Staatsanwälte ihre Gangart: Im einem ersten Schritt wurden für kommende Woche wie schon im Jänner angekündigt tausende Gerichtsverfahren abgesagt. Sollte die Regierung bis Ende März nicht einlenken und die geforderten 430 zusätzlichen Planstellen freigeben, dann sollen den künftig einmal pro Monat geplanten "verhandlungsfreien Wochen" weitere Kampfmaßnahmen "bis hin zum Streik" folgen. Die Gewerkschaft wirft der Politik vor, die unabhängige Justiz "totsparen" und "kleinknebeln" zu wollen. Eine erste Verhandlungsrunde zwischen Standesvertretern und Regierung ist für kommenden Donnerstag geplant.

Justiz kann nicht mehr
Zwar ist die Zahl der Richter und Staatsanwälte seit 1992 um mehr als 300 auf 2.140 gestiegen - trotzdem sieht sich die Justiz aber am Ende ihrer Kapazitäten. Komplexe Wirtschaftsverfahren, international agierende Verbrecherbanden und eine neue Strafprozessordnung, die den Staatsanwälten die Oberhoheit über die Ermittlungen der Polizei und damit mehr Arbeit beschert hat, werden als Begründung genannt. Das Fass zum überlaufen brachte aus Sicht der Gewerkschaft die Studie eines Consulting-Unternehmens über den Personalbedarf: Demnach fehlen der Justiz 200 Verwaltungsbeamte, 187 Richter und 43 Staatsanwälte.

Monatelange Wartezeiten
Zugesagt hat die Regierung bisher aber nur 70 Staatsanwälte und Kanzleimitarbeiter - für die Standesvertreter zu wenig. "Unsere Leute arbeiten am Limit", kritisierte Beamtengewerkschafter Gerhard Scheucher bei einer Pressekonferenz am Freitag. Das Ergebnis seien monatelange Wartezeiten für die Rechtssuchenden - etwa für Opfer von Finanzspekulationen oder Eltern im Scheidungsverfahren, assistierte der Präsident der Richtervereinigung, Werner Zinkl: "Väter warten monatelang auf ein Besuchsrecht, die Sorgen der kleinen Leute werden völlig ignoriert."

Der Vorsitzende der Sektion Richter und Staatsanwälte in der Beamtengewerkschaft, Klaus Schröder, warf der Regierung vor, die Justiz nach dem Motto "wir werden euch schon kleinsparen" ans Gängelband nehmen zu wollen. Er forderte bis spätestens 31. März substanzielle Verhandlungen über einen Stufenplan zur Aufstockung der fehlenden Dienstposten. Dass man nicht auf einen Schlag 200 Mitarbeiter einstellen könne, sei klar. Sollte ein "verbindliches Strukturpaket" aber ausbleiben, dann werde man die Proteste intensivieren - "bis hin zum Streik".

Bandion-Ortner reicht Wünsche weiter
Justizministerin Claudia Bandion-Ortner (V) unterstützt die Forderung nach mehr Personal, reicht die Wünsche der Standesvertreter aber an Beamtenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (S) weiter. "Wir können nur darauf hinweisen, dass wir einen Personalmangel haben, wir können die Planstellen aber nicht aus dem Hut zaubern", sagte ihr Sprecher am Freitag. Heinisch-Hosek lädt die Standesvertreter zwar kommenden Donnerstag zu einem Gespräch, will dabei aber nicht über mehr Personal verhandeln, sondern über Effizienzsteigerungen. "Das Personal in der Justiz wird heuer um 70 Stellen aufgestockt, es hat noch nie so viele Richter und Staatsanwälte gegeben wie heute", zeigte die SP-Politikerin kein Verständnis für die Proteste.

Strukturreform
Einen Sparvorschlag haben die Richter am Freitag bereits eingebracht: Sie erinnerten die Politik an die 2005 gescheiterte Strukturreform bei den Bezirksgerichten. Damals sollten kleine Gerichtsstandorte aufgelöst werden, womit von den 141 Bezirksgerichten nur noch 105 bis 110 übrig geblieben wären. Gescheitert ist das allerdings am Widerstand der Landeshauptleute, die den Schließungen nicht zustimmen wollten. Unterstützung erhielten die Richter und Staatsanwälte von den Grünen, die Bandion-Ortner aufforderten, die für mehr Personal zu "kämpfen".

Vollständig leerbleiben werden die Gerichtssäle übrigens auch in den "verhandlungsfreien Wochen" nicht: Einzelne Verfahren werden nämlich trotz der Protestmaßnahmen stattfinden, etwa wenn es um die zur Wahrung der Menschenrechte nötigen Haftprüfungen geht. "In Haftsachen, wo es schließlich auch um die Freiheit von Verdächtigen geht, kann man Verhandlungen nicht einfach kurzfristig abberaumen", heißt es dazu am Wiener Straflandesgericht. Dort werden kommende Woche 50 Verfahren stattfinden - normalerweise sind es 50 Prozesse pro Tag.

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