"Weniger als Hartz IV"

Sozialexperte rechnet mit Mindestsicherung neu ab

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Der Sozialexperte der evangelischen Diakonie warnt, dass Kinder in Österreich in größerer Armut aufwachsen werden.

Familien werden mit der von ÖVP und FPÖ geplanten Kürzung der Mindestsicherung weniger Geld erhalten als im deutschen "Hartz IV". Zu diesem Schluss kommt der Sozialexperte der evangelischen Diakonie, Martin Schenk, beim Vergleich der Geldleistungen ohne Wohnkosten. Familien mit drei Kindern erhalten demnach 270 Euro weniger pro Monat als in Deutschland - trotz hierzulande höherer Lebenskosten.

"Damit werden zukünftig österreichische Kinder in größerer Armut als Kinder in Deutschland aufwachsen. Und das will was heißen, wenn man die katastrophalen Auswirkungen von Hartz IV auf Gesundheit und Chancen berücksichtigt", kritisierte Schenk gegenüber der APA.
 

Mit vier Kindern 379 Euro weniger als in Deutschland

Für den Vergleich hat Schenk die Geldleistungen der "Sozialhilfe neu" jenen des deutschen "Hartz IV" gegenübergestellt. Ausgeklammert werden in beiden Fällen die explizit für Wohnkosten zweckgewidmeten Mittel, die nicht direkt an die Bezieher fließen. Sehr wohl berücksichtigt werden aber die österreichische Familienbeihilfe (114 bis 165 Euro pro Kind und Monat), die Mehrkindzuschläge und der Kinderabsetzbetrag (58,4 Euro).

Das Ergebnis: Während es für Alleinstehende in Österreich künftig etwas mehr Geld gibt (531 Euro monatlich) als in Deutschland (434 Euro), erhalten Paare und Familien mit Kindern weniger. Ein Paar mit einem 16-jährigen Kind erhält demnach 1.173 Euro monatlich - 45 Euro weniger als in Deutschland (1.218). Und weil die Kinderzuschläge mit höherer Kinderzahl künftig sinken, steigt der Fehlbetrag mit zunehmender Familiengröße an: Mit zwei Kindern gibt es in Österreich künftig 126 Euro weniger, mit drei Kindern 270 und mit vier Kindern 379 Euro weniger als im viel kritisierten deutschen Modell.
 

Sozialhilfe sei "Hartz IV" nicht unähnlich

Schenk räumt zwar ein, dass die Wohnkosten künftig zusätzlich zu den Geldleistungen bezahlt werden. Dies sei aber auch in Deutschland der Fall und insofern sei die neue "Sozialhilfe" dem bisher strengeren "Hartz IV" gar nicht so unähnlich. Außerdem müsse die Sozialhilfe ja nicht nur die bloße Existenz garantieren (Stichwort: Wohnkosten), sondern auch Chancen sichern und soziale Ausgrenzung verhindern. Hier gehe es etwa darum, ob sich ein Kind ein Geschenk für die Geburtstagsfeier eines Freundes leisten kann.

Schenk plädiert daher dafür, in der Sozialhilfe neben Sach- und Geldleistungen eine dritte Kategorie der "Dienstleistungen" einzuführen und damit Skikurse oder therapeutische Leistungen zu bezahlen. Außerdem warnt er, dass die neue "Sozialhilfe" nach deutschem Vorbild auch für Langzeitarbeitslose zur Anwendung kommen könnte, wenn die Regierung wie angekündigt die Notstandshilfe abschafft: "Dann bedeutet der Verlust des Arbeitsplatzes für viele Menschen und insbesondere für Eltern und ihre Kinder den Absturz ganz nach unten."
 

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