Jetzt liegen die lange erwarteten Aussagen der Meinungsforscherin Beinschab zu den Schmid-Chats vor.
Vier Monate lang mussten die Österreicher auf die im Ermittlungs-Verfahren um die „Schmid-Chats“ so wichtige Aussage der Meinungsforscherin Sabine Beinschab warten. Am 13. Oktober 2021 war Beinschab von der Wirtschafts- und Korruptions-Staatsanwaltschaft erstmals über sechs Stunden (!) einvernommen worden – doch erst letzten Donnerstag fand ihr Protokoll den Weg in den offiziellen Akt.
Das ist die Aussage von Sabine Beinschab im Wortlaut. Einfach auf diesen Link klicken und downloaden:
Tatsächlich ist die Aussage in vielen Punkten brisant, für einige Wenige belastend, in manchen Punkten überraschend – vor allem aber für die Tageszeitung ÖSTERREICH und deren Macher Helmuth und Wolfgang Fellner entlastend.
ÖSTERREICH-Politik-Umfragen und Fragen für
Finanzministerium sind »zwei Paar Schuhe«
Sabine Beinschab war von der WKStA ja im Zusammenhang mit „Schmid-Chats“ vorgeworfen worden, Umfragen in ÖSTERREICH im Sinne von Sebastian Kurz „gefälscht“ zu haben. ÖSTERREICH war vorgeworfen worden, diese Umfragen vom Finanzministerium – für Kurz – diktiert und finanziert bekommen zu haben. Beinschab hat mit diesen Gerüchten ein für allemal aufgeräumt.
Von Beginn ihrer Aussage betont sie, die Politik-Umfragen für die Tageszeitung ÖSTERREICH und die „Studien“ für das Finanzministerium seien – wie sie es nennt – „zwei verschiedene Paar Schuhe gewesen“. Sie habe „auf der einen Seite“ fast jede Woche eine Politik-Umfrage für ÖSTERREICH durchgeführt, deren Fragen von der ÖSTERREICH-Redaktion (meist von Chefredakteur Werner Schima persönlich) kamen, die völlig eigenständig waren und auch von ÖSTERREICH eigenständig per Rechnung und vereinbartem Tarif bezahlt wurden.
Und sie habe „auf der anderen Seite“ unabhängig davon für das Finanzministerium Umfrage-Studien durchgeführt, die von Thomas Schmid beauftragt und vom Finanzministerium mit Fragen beliefert und bezahlt worden sind.
Zusätzlich habe sie – und an dieser Stelle wird’s für die Ermittler brisant – an die wöchentliche ÖSTERREICH-Umfrage – auch oftmals „einige zusätzliche Fragen“ angehängt, die ihr vom Pressesprecher des Finanzministeriums (und späteren Kanzler-Pressesprecher) Johannes FRISCHMANN übermittelt wurden.
Aber – betont Beinschab in ihrer Einvernahme: Diese Fragen vom Finanzministerium seien niemals mit den ÖSTERREICH-Umfragen vermischt worden, sie seien über die „Studien“ oder auch einzeln mit dem Finanzministerium verrechnet worden. Die Kurz- und Finanzministeriums-Mitarbeiter SCHMID und FRISCHMANN hätten auch immer nur ihre eigenen Fragen und nie die ÖSTERREICH-Umfrage erhalten und auch nur auf ihre eigenen Fragen Einfluss gehabt. Beinschab: „Ich habe die ÖSTERREICH-Befragung wie eine Omnibus-Befragung, also eine Mehrthemenbefragung gesehen.“
Tatsächlich ist es in der Branche üblich, in „Omnibus-Umfragen“ mehrere Auftraggeber zusammenzufassen, um Kosten zu sparen. ÖSTERREICH hatte in seinem „Omnibus“ mit dem Finanzministerium also Mitfahrer, von denen es keine Ahnung hatte.
Und tatsächlich sind diese Zusatzfragen, die Thomas SCHMID und Johannes FRISCHMANN für das Finanzministerium – ohne Wissen von ÖSTERREICH – an die Research-Affairs-Umfragen angehängt haben, für die Ermittler brisant. Denn FRISCHMANN ließ regelmäßig Themen abfragen, die mit der Arbeit des Finanzministeriums nicht unbedingt zu tun haben. Er fragte die Wahl-Chancen von Griss und Pilz ab, ließ die Rolle von Kanzler Kern als Pizza-Boten bewerten und wollte zum Schluss sogar wissen, wie viele Österreicher sich mit Sputnik impfen lassen würden.
Brisant: SCHMID ließ die Bezahlung dieser Extra-Fragen teilweise zu den Kosten der Studien des Finanzministeriums dazuschreiben. Und FRISCHMANN ließ in diesen Extra-Fragen teilweise Ergebnisse der VP „frisieren“. Beinschab versandte diese von FRISCHMANN frisierten und teilweise auch getexteten Extra-Fragen dann als ihre „Eigen-Studien“ an eine Vielzahl von Medien – von der APA bis bevorzugt zur „Presse“.
Die Behauptung, dass diese „Eigen-Studien“ vor allem in ÖSTERREICH erschienen wären, ist falsch. Chefredakteur SCHIMA: „Frau Beinschab ist mir mit dem Aufdrängen ihrer Eigen-Umfragen oft auf die Nerven gegangen, ich habe sie meist nicht verwendet, weil wir am gleichen Tag ja unsere eigenen Umfrage-Ergebnisse hatten.“
Beinschab spricht ÖSTERREICH eindeutig von jeder Involvierung in dieses Misch-Masch frei. ÖSTERREICH habe von den Fragen des Finanzministeriums – und vom „Omnibus“ – nichts gewusst. Und: „Der Thomas SCHMID hat jetzt nicht die Ergebnisse von der ÖSTERREICH-Befragung bekommen, sondern es waren zwei Paar Schuhe.“
Beinschab packt aus: »Karmasin hat immer 20 % bei Aufträgen mitgeschnitten«
Deutlich unangenehmer sind die Aussagen von Sabine Beinschab für ihre langjährige Freundin, die ehemalige Familienministerin Sophie Karmasin.
Sophie Karmasin ist die „Entdeckerin“ von Sabine Beinschab, machte sie beim Gallup-Institut zur persönlichen Assistentin und half ihr, als Karmasin 2014 Familienministerin wurde, ihr neues Umfrage-Institut Research Affairs zu gründen.
Zum Start vermittelte Karmasin dem neuen Institut die Umfragen, die sie zuvor bei Gallup ein Jahrzehnt betreut hatte, und „Studien“ vom Finanzministerium: „Schick deine Kontaktdaten zu Thomas SCHMID. Dort gibt’s Studienaufträge.“
Während ihrer Aussage ließ sich Beinschab den Status einer „Kronzeugin“ geben und packte gegen ihre Freundin aus: „Sophie Karmasin hat an den Aufträgen 20 Prozent mitverdient.“
Und konkreter: „Angenommen wir haben im Jahr 100.000 Euro gemacht, dann hat sie 20.000 Euro bekommen, indem sie eine Rechnung gelegt hat.“
Karmasins Anwalt betont, dass eine Beratungs- und Vermittlungsgebühr beim Aufbau einer Firma nicht strafbar sei, weil alle Rechnungen ordnungsgemäß versteuert wurden. Die Staatsanwälte wollen aber als nächstes Karmasin grillen: Was hat sie davon gewusst, dass die – in den Chats von ihr immer als „Freunde“ bezeichneten – Herren FRISCHMANN und SCHMID Polit-Zusatzfragen in die Studien verrechnet haben? Ihr Anwalt sagt: „Nichts!“
FRISCHMANN & SCHMID sind am stärksten im Visier der Staatsanwälte
Am schwersten belastet werden von Beinschab die führenden Mitarbeiter des Finanzministeriums, Thomas SCHMID und Johannes FRISCHMANN. Für beide gilt die Unschuldsvermutung. Bei beiden sind die Beweise für eine „Untreue“ auch nach der Beinschab-Aussage ziemlich dünn.
Beinschab hat nun offen gelegt, wie viele allgemein politische Fragen – bis zu den Fragen, welchem Tier Österreichs Spitzenpolitiker am ähnlichsten wären – die Herren FRISCHMANN und SCHMID bei ihr beauftragt hätten und sie hat am Ende ihrer Befragung, um den „Kronzeugen-Status“ zu bekommen, sogar zugegeben, dass sie nun einsieht, dass sie die politischen Fragen zu den Wahl-Chancen der ÖVP oder zu Kern als Pizzaboten nicht mit den Finanzministeriums-Studien zum Steuerbetrug o.ä. hätte „verbinden dürfen. Das war ein Fehler!“
Doch erst die Befragung von FRISCHMANN und SCHMID wird ergeben, ob die beiden wirklich Untreue begangen haben, oder ob ihre Zusatz-Fragen nicht von höheren Stellen im Ministerium – etwa dem Minister selbst – abgesegnet waren.
Sebastian Kurz von Beinschab entlastet: »Ich habe ihn nie getroffen. Gar nie.«
Vorerst völlig entlastet wird von Beinschab Kurz. Beinschab betont mehrfach, dass sie zu Kurz in Sachen Umfragen keinen Kontakt hatte und ihn auch gar nicht kannte. Sie hätte Kurz kein einziges Mal getroffen oder gesprochen: „Ich habe ihn nur einmal im Vorbeigehen gesehen. Ansonsten nie. Gar nie.“ Auch den Kurz-Berater Stefan STEINER kenne sie „überhaupt nicht“.
Aus der durch diese Beinschab-Aussage schwer in die Defensive geratene Staatsanwaltschaft hört man, Kurz solle sich „nicht zu früh“ freuen. Als Nächstes würden FRISCHMANN und FLEISCHMANN einvernommen und gefragt, ob sie die Ergebnisse ihrer Umfragen an Kurz weitergegeben und mit ihm besprochen hätten.