Krise nach Börsen-Spekulation mit Strom

Wien Energie: Das steckt hinter dem Milliarden-Loch

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Bürgermeister Ludwig und Finanzstadtrat beschwichtigen. Experten alarmiert.

Wien. Am Dienstagmittag äußerte sich Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) erstmals zur Finanznot der Wien Energie, die seit dem Wochenende ganz Österreich bewegt. Die Wien Energie hat Strom an der Börse für das erste Quartal 2023 viel zu billig verkauft, braucht jetzt Sicherheiten in Mil­liardenhöhe. Zehn Milliarden, vielleicht weniger, vielleicht mehr.

„Die Versorgungssicherheit mit Strom und Gas ist weiterhin gewährleistet“, sagte Ludwig. Es selbst wusste schon am 15. Juli von den Schwierigkeiten, in die der Energieanbieter wegen derivativer Finanzgeschäfte (höchste Risikoklasse) geschlittert ist.

Milliarden-Darlehen. „Am 15. Juli und diesen Montag hat die Stadt der Wien Energie zwei Darlehen in der Höhe von jeweils 700 Millionen Euro gewährt“, sagte Ludwig. Er als Bür­germeister gewährte diese 1,4 Milliarden Euro eigenhändig via Notkompetenz – der Gemeinderat soll erst in der nächsten offiziellen Sitzung informiert werden.

Spekulationsvorwurf. „Die Wien Energie hat nicht spekuliert“, sagte deren Aufsichtsratschef Peter Wei­nelt: „Den Strom, den wir verkauft haben, den werden wir auch produzieren.“ Besonders im ersten Quartal 2023 (Jänner, Februar, März) würde viel Gas verbrannt, um zu heizen. Der daraus gewonnene Strom wurde teils schon verkauft. Verkaufen würde die Wien Energie bis zu 24 Monate im Voraus.

Zittern vor einem neuen »schwarzen Freitag«

Finanzstadtrat Peter Hanke (SPÖ) gab den „verrücktspielenden Märkten“ die Schuld an der Misere der Wien Energie. „Die Preisspitze für Strom wurde am vergangenen Freitag erreicht, jetzt ist Strom an der Börse wieder billiger. Zuerst wäre eine Kaution in Höhe von 1,7 Mrd. Euro notwendig gewesen, nach dem Stand von Dienstagvormittag um 9 Uhr haben wir nun eine Gutschrift von 798 Millionen Euro.“

Kreditlinie. Wiens Bürgermeister forderte einen Kredit von der Bundesfinanzierungsagentur (OeBFA) und „keine ­Rettungsaktion des Bundes“. Andere Bundesländer hätten in den vergangenen zwei Jahren auch Kredite von bis zu vier Milliarden Euro bekommen. So sollen Sicherheiten bedient werden.

Rechnungshof prüft. Der Rechnungshof hat derweil eine Prüfung angekündigt, die Opposition fordert dringend Aufklärung.

Zmuegg: »Es war Spekulation, und das Risiko ist nach oben ohne Grenze.«

Wien Energie: Das steckt hinter dem Milliarden-Loch
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× Wien Energie: Das steckt hinter dem Milliarden-Loch
Finanzexperte Gerald Zmuegg
 

Experte sieht Spekulation. Finanzexperte Gerald Zmuegg sagt zu ÖSTERREICH: „Der Verkauf von Strom im Voraus ist ein Risiko, das nach oben hin ohne Grenze ist. Die Wien Energie hat zig Terawattstunden Strom zum Preis von 125 Euro pro Megawattstunde verkauft, und der Preis stand am Freitag bei 1.000 Euro. Steigt der Preis weiter, könnten Sicherheiten von mehr als zehn Milliarden Euro nötig sein. Im Vorjahr hatten sie 43 Millionen Euro Verlust mit Derivatgeschäften – wie hoch ist der Verlust jetzt schon?“

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