Ein entsprechendes Modell soll nun ausgearbeitet werden.
Wien. Vizekanzler und Grünen-Chef Werner Kogler spricht sich dafür aus, die "Übergewinne" von Konzernen am Energiemarkt zu besteuern. Ein entsprechendes Modell soll nun ausgearbeitet werden. Im Sommerinterview mit der APA plädierte er auch dafür, die gesetzlichen Regelungen zu verschärfen, sollte die Bundeswettbewerbsbehörde keine Handhabe gegen überhöhte Spritpreise finden. An der Koalition mit der ÖVP hält Kogler fest, "altem Denken" erteilte er aber eine Absage.
Eine - wohl nicht rückwirkende, hier will Kogler "seriöserweise" schauen, ob und inwieweit das möglich sei - Besteuerung der "Übergewinne" wäre aus Sicht des Vizekanzlers das tauglichste Instrument, und zwar unter Abzug der Investitionen in erneuerbare Energien von der Gewinngröße. Wie hoch die Einnahmen dieses "sozialen und ökologischen Beitrags" ausfallen könnten, wollte er nicht prognostizieren. Dass die SPÖ damit gleich eine Vielzahl an Anti-Teuerungs-Maßnahmen wie eine Mehrwertsteuersenkung auf Gas, Strom und Lebensmittel finanzieren will, "das riecht mir eher nach Unseriosität der Sozialdemokraten".
Als "Übergewinne" ("Windfall profits") werden Gewinne bezeichnet, die Unternehmen zufällig und ohne eigene Leistung erzielen und die als ungerecht empfunden werden. Das ist derzeit bei Energieunternehmen der Fall, die dank der hohen Öl-, Gas- und Strompreise sehr gut verdienen. Dass dies die Menschen wütend mache, verstehe er, so Kogler. Man habe Experten mit der Erstellung eines "schlauen und machbaren Modells" beauftragt, das dann dem Koalitionspartner ÖVP vorgeschlagen werden soll.
Generell hält Kogler von Mehrwertsteuersenkungen nicht viel, denn "das kostet Riesensummen für alle SteuerzahlerInnen, bringt aber zielgerichtet genau nichts". "Wieso sollte ich den SUV-Fahrer, der im Wienerwald herumcruist und hin und wieder einen Abstecher zum Stephansdom macht, jetzt auch noch fördern?", fragte er. In der Koalition mit der ÖVP habe man schon im Frühjahr die Grundsatzentscheidung getroffen, auf direkte Hilfen und Zahlungen an besonders von der Teuerung Betroffene zu setzen.
Dass die Grünen angesichts der durch den russischen Angriff auf die Ukraine ausgelösten Energiekrise Maßnahmen wie die Wiederinbetriebnahme eines Kohlekraftwerks in Österreich oder die Laufzeitverlängerung der Atomkraft in Deutschland mitvertreten müssen, verteidigte der Vizekanzler. "Es ist schmerzlich, ja, aber es ist aus tiefster Überzeugung", sagte er. Man wolle im Notfall jede Kilowattstunde Gas in der Stromproduktion einsparen, um sie für Haushalte, Industrie und Arbeitsplätze zu haben. "Das ist genau der grüne Ansatz. Wirtschaft und Umwelt auf Basis sozialer Tragfähigkeit unter einen Hut zu bringen."
"Andere Regierungen haben den Karren in den Dreck gefahren", meinte er weiter, "wir ziehen ihn raus, was die Abhängigkeit von russischem Gas betrifft". Kurzfristig agiere man dabei pragmatisch, in der mittleren Frist aber visionär, "radikal sogar". Bis 2030 werde man Strom nur noch aus erneuerbaren Quellen beziehen, und nicht umsonst habe man für schnellere Verfahren bei Windparks jetzt die Bundesländer "an die Kandare" genommen.
Auch sonst wollte sich Kogler nicht nachsagen lassen, dass in den zweieinhalb Jahren grüner Regierungsbeteiligung nichts weitergegangen sei, von den klimaschutzrelevanten Investitionshilfen nach Corona, der ökosozialen Steuerreform, dem Klimaticket, der Erhöhung der Normverbrauchsabgabe - "ein Jahr lang haben Wirtschaftsvertreter gequietscht" - bis zur Einführung der CO2-Bepreisung ab Herbst. Würden die Grünen allein regieren, gäbe es zwar auch schon ein neues Klimaschutz- und ein Energieeffizienzgesetz, doch immerhin habe man das Erneuerbare-Wärme-Gesetz durchgebracht: "Das hat uns auch keiner zugetraut, also geht eh recht viel."
Auf der Positivseite verbuchte Kogler auch die Neuregelung der Parteienfinanzierung mit den erweiterten Einschaumöglichkeiten des Rechnungshofs - ein Novum, das gegen den Widerstand der SPÖ durchgebracht worden sei. Für den Vizekanzler stellt sich daher in Hinblick auf Koalitionsalternativen die Frage: "Wäre es mit den Sozialdemokraten leichter?" Wenn die Grünen könnten, wie sie wollen, gäbe es allerdings schon ein Informationsfreiheitsgesetz, großzügigere Regelungen von der Rot-Weiß-Rot-Card bis zur Bildungspolitik, und auch "mehr Menschlichkeit, Herz und Hirn in der Integrationsfrage" würde man walten lassen, betonte er.
Von vorgezogenen Neuwahlen, weil die Umfragedaten der Koalition im Keller sind und eine Ampelkoalition angesichts der Schwäche der ÖVP möglich erscheint, will der kürzlich bis 2025 bestätigte Grünen-Chef dennoch nichts wissen. Angesichts multipler Krisen solle man sich nicht leichtfertig darauf einlassen, wäre die Republik dadurch doch fast neun Monate lang in ihrer Entscheidungsfähigkeit eingeschränkt. "Jetzt ist das Arbeitsprogramm weiter voranzutreiben und sind Ergebnisse zu liefern", unterstrich er.
Die Koalition mit der ÖVP sei man nach der Wahl 2019 "aus Gründen der Verantwortungsübernahme, und weniger, weil das parteipolitisch sehr lustig ist" eingegangen. "Es bleibt für die Grünen wichtig, ob es eine arbeits- und handlungsfähige Regierung gibt und einen handlungs- und arbeitsfähigen Bundeskanzler. Und wir werden das immer an den Ergebnissen messen", sagte Kogler.
Dass sich die Grünen nach der spätesten 2024 fälligen Wahl auch in der Opposition wiederfinden könnten, schreckt den Grünen-Chef nicht. "Außerparlamentarische und parlamentarische Opposition sind wichtig und wir kennen beides. Uns erschüttert gar nichts mehr", schließlich sei man zwischendurch auch nicht mehr im Nationalrat vertreten gewesen: "Uns erschüttert, wenn es der Welt schlecht geht, aber zu deren Rettung treten wir ja nun an."
Die SPÖ reagierte auf Koglers Ankündigung verärgert. "Am 5. Mai hat Kanzler Nehammer angekündigt, man wolle die Übergewinne von Krisengewinnern steuerlich abschöpfen und er habe den Finanzminister mit einem Modell beauftragt - bis jetzt gibt es nichts", so Vize-Klubchef Jörg Leichtfried in einer Aussendung: "Mehr als 3 Monate später verkündet jetzt Vizekanzler Kogler, er lasse ein Modell ausarbeiten, dass er wiederum der ÖVP vorschlagen will. Das ist doch nur mehr eine Pflanzerei der Bevölkerung." Komme dies nicht rückwirkend, würden die Konzerne ihre "Windfall Profits" ins Trockene gebracht haben, bevor diese Steuer greife.
Die Reaktion von Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP) fällt verhalten aus: "Für uns ist klar, dass in Krisenzeiten jene Unternehmen, die durch steigende Preise von importierten Energieträgern sehr viel mehr verdienen, ihren Beitrag zum gesamtgesellschaftlichen Wohl leisten müssen", erklärte Kocher in einer der APA übermittelten Stellungnahme und beteuerte "keine Denkverbote". Allerdings stehe die Mehrheit der Experten aus der Wirtschaftsforschung einer Besteuerung von "Übergewinnen" skeptisch gegenüber, wofür es ebenfalls "sehr gute Gründe" gebe. Er halte nichts davon, Unternehmen "pauschal zu verteufeln", meinte Kocher. So habe beispielsweise der Verbund die Ausschüttung einer Sonderdividende angekündigt, durch die sogenannte Übergewinne zurück in das Budget und damit in die Entlastungsmaßnahmen der Regierung fließen könnten.