"Viel zu wenig positioniert"

Ex-Innenminister Schlögl kritisiert SPÖ-Asylpolitik

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Ex-Innenminister Karl Schlögl (SPÖ) sieht jahrzehntelange Versäumnisse in Österreichs Migrationspolitik.  

Das Prinzip "Integration vor Neuzuwanderung" habe er schon Ende der 1990er Jahre vertreten, sagte Schlögl im APA-Interview. "Und was war die Folge? In den folgenden Jahren sind hunderttausende Menschen neu nach Österreich zugewandert. Meine Kritik richtet sich an alle regierenden Parteien, die in den letzten 25 Jahren nichts weitergebracht haben in dieser Frage."

Schlögl äußerte sich anlässlich des 25. Jahrestags des Beitritts Österreichs zum Schengen-Raum (1. Dezember). Diesen hatte der damalige Innenminister gegen heftige Widerstände erkämpft. "Das waren sehr schwierige Verhandlungen und sie waren gekennzeichnet dadurch, dass Deutschland nicht wollte, dass Österreich Schengen beitritt", erinnerte sich Schlögl bereits in einem APA-Interview vor fünf Jahren.

Schengen-Beitritt

Für Österreich sei der Beitritt zum Schengen-Raum ein "Quantensprung" gewesen, weil damit das Reisen ohne Pass in der ganzen EU möglich geworden sei. "Nicht vorstellbar" schien Schlögl damals, "dass es Situationen gibt, wo diese Grenzen wieder geschlossen werden". "Das war für mich damals so unmöglich wie für mich vor der Brexit-Abstimmung möglich gewesen wäre, dass die Briten austreten", so Schlögl, der von 1997 bis 2000 als bisher letzter SPÖ-Politiker im Innenministerium amtierte und danach bis 2018 Bürgermeister der niederösterreichischen Stadt Purkersdorf war.

 In der aktuellen Debatte um die Schengen-Erweiterung stellt sich Schlögl klar an die Seite seines Landsmanns Gerhard Karner. "Ich gebe dem jetzigen Innenminister Recht. Bulgarien und Rumänien haben in keiner Weise ihre Hausaufgaben erfüllt", sagte er. Abschreiben will Schlögl das Schengen-Abkommen aber nicht. "Ich sehe das nicht so kritisch. Schengen hat seine Bedeutung und seinen Sinn", betonte er. "Ich bin froh, dass es in großen Teilen Europas keine Kontrollen gibt."

Dublin-Abkommen

Das Problem sei der fehlende konsequente EU-Außengrenzschutz und die Nichtanwendung der Asylregeln, kritisierte Schlögl. Bei getreuer Auslegung des Dublin-Abkommens dürfte es im EU-Binnenstaat Österreich nämlich "nie ein Asylverfahren geben", betonte er. "Das Dublin-Abkommen ist tot, das ist eine Katastrophe."

In dieser Frage sieht Schlögl die Existenz der Europäischen Union an sich auf dem Spiel. "Wenn man hier nicht bald einen Riegel vorschiebt, wird die EU selbst infrage gestellt", verwies der SPÖ-Politiker auf den Zulauf für rechtspopulistische Parteien in vielen Mitgliedsstaaten. Es sei nämlich "eine Mär zu sagen, es kommen (durch Migration, Anm.) qualifizierte Leute, die wir integrieren können. Es ist zum Teil das Gegenteil der Fall."

"Viel zu wenig positioniert"

Dabei habe man nach dem Ende der Flüchtlingskrise 2016 eigentlich schon geglaubt, das Problem im Griff zu haben. Im Vergleich zu damals hätten sich die Herkunftsländer verschoben "und der Teil der Wirtschaftsflüchtlinge ist bedeutend höher", sagte Schlögl. Dies habe mit wirtschaftlichen Problemen, aber etwa auch mit der Visapolitik einiger Länder wie Serbien zu tun.

"Viel zu wenig positioniert" sieht Schlögl in der Migrationsfrage seine eigene Partei. "Ich hoffe, dass es demnächst zu einem Umdenken kommen wird", sagte der Ex-Minister, der diesbezüglich vor allem auf die Bundesebene abzielt. Manche SPÖ-Landesparteien wie etwa jene im Burgenland, Niederösterreich oder Salzburg hätten sich nämlich schon entsprechend positioniert. Angesprochen auf das von den Landeshauptleuten Peter Kaiser und Hans-Peter Doskozil (beide SPÖ) im Jahr 2018 ausgearbeitete SPÖ-Migrationskonzept sagte Schlögl, er halte dies für "sehr, sehr gut". "Ich höre die Botschaft wohl, allein mir fehlt der Glaube", fügte er hinzu.
 

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