340.000 Seiten Akten

BVT-Prozess: Abschlussbericht ist fertig

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Bures zieht positive Bilanz und sieht klaren Auftrag für Neuaufstellung des BVT.

Wien. Der im April 2018 eingesetzte BVT-Untersuchungsausschuss hat seine Arbeit endgültig abgeschlossen. Der rund 300 Seiten starke Abschlussbericht wurde nach der heutigen 46. Sitzung des Ausschusses dem Nationalrat übergeben. Er basiert auf einem von Verfahrensrichter Eduard Strauss erstellten Entwurf und wird nun gemeinsam mit den von ÖVP, SPÖ, FPÖ, NEOS und JETZT abgegebenen Fraktionsberichten auf der Parlamentswebsite veröffentlicht. Die Debatte über den Ausschussbericht im Nationalrat ist für den 25. September vorgesehen.
 

Zweite Nationalratspräsidentin lobt Arbeit des Ausschusses

 
Die Vorsitzende des Untersuchungsausschusses, Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures, zog bei einem Pressegespräch eine positive Bilanz über die Ausschussarbeit. Der Untersuchungsausschuss habe sehr wertvolle Arbeit geleistet, betonte sie, sprach aber gleichzeitig auch von Anfangsschwierigkeiten, zumal erforderliche Unterlagen nur schleppend und unter einer klassifizierten Geheimhaltungsstufe geliefert wurden. Laufende Strafverfahren hätten die Arbeiten zudem schwierig gestaltet.
 
Fazit aus 102 Zeugenbefragungen ist für die Vorsitzende, dass im Innen- und im Justizministerium grobe Mängel im Umgang mit sensiblen Daten bestanden und dass es überdies personelle Unzulänglichkeiten gegeben habe. Aus den Ergebnissen des Ausschusses leitet Bures einen klaren Auftrag für eine Neuaufstellung des BVT ab, wobei es ihrer Meinung vor allem auch um die Wiederherstellung der Reputation der Institution geht. Klar ist für die Vorsitzende auch, dass der Untersuchungsausschuss durch das Ende der Legislaturperiode beendet wurde. Ob es noch offene Fragen gibt, die einer Klärung bedürfen, werde der neu konstituierte Nationalrat entscheiden müssen.
 

Untersuchungsausschusses als Instrument parlamentarischer Kontrolle

 
Verfahrensrichter Eduard Strauss dankte für die gute Zusammenarbeit und bekräftigte, er habe sich immer um Konsens und um ein reibungsloses Funktionieren des Ausschusses bemüht. Die Arbeiten hätten einmal mehr gezeigt, dass Untersuchungsausschüsse ein sehr wertvolles und wichtiges Instrument der parlamentarischen Kontrolle sind. Den Bericht kommentierte er mit den Worten "Was es wiegt, das hat es".
 
FraktionsführerInnen sehen Arbeit als Erfolg, orten aber noch weiteren Aufklärungsbedarf
 
Viel Lob für die Arbeit des Untersuchungsausschusses kam auch von den FraktionsführerInnen, die allerdings erwartungsgemäß unterschiedliche politische Schlussfolgerungen zogen. Deutlich wurde aus den Statements jedenfalls, dass das Ende der Arbeit des Untersuchungsausschusses aller Voraussicht nach noch keinen Schlussstrich bedeutet und vielmehr noch weiterer Aufklärungsbedarf besteht.
 
So beklagte ÖVP-Abgeordnete Gabriela Schwarz, die im Übrigen die konstruktive Arbeit im Ausschuss hervorhob, großen Schaden für das BVT, der vor allem durch die Installierung eines "Geheimprojekts" in seinem Rahmen entstanden sei, und meinte, nun gelte es, die Reputation der Einrichtung wieder herzustellen. Über die Frage, ob noch weiterer Aufklärungsbedarf bestehe, werde der neue Nationalrat entscheiden müssen.
 
"Wir haben sehr viel gelernt", brachte SPÖ-Fraktionsvorsitzender Kai Jan Krainer seine Erkenntnisse aus der Ausschussarbeit auf den Punkt. Er ortete ebenfalls großen Schaden für das BVT und sah politische Verantwortung auch beim damaligen Bundeskanzler Kurz, dem er vorwarf, Innenminister Kickl nicht rechtzeitig entlassen zu haben. Aufklärungsbedürftig sind für Krainer nach wie vor so genannte "schwarze Netzwerke", wobei er von "parteipolitischen Missbrauch" des BVT durch die ÖVP sprach.
 
Vieles von dem, was in den Medien kolportiert wurde, habe sich als falsch herausgestellt, erklärte Hans-Jörg Jenewein namens der FPÖ. Der freiheitliche Fraktionsleiter sieht aber ebenfalls noch eine Reihe offener Fragen, so etwa im Bereich der Personalentwicklung, und appellierte an die anderen Fraktionen, einer Neuauflage des Untersuchungsausschusses in der kommenden Legislaturperiode zuzustimmen, um dort weiter zu arbeiten, wo man jetzt aufgehört habe.
 
Für Stephanie Krisper (NEOS) war der Untersuchungsausschuss ein großer Erfolg. Zentraler Klärungsbedarf besteht für sie weiterhin in der Frage möglicher politischer Interessen bei Ermittlungen. Demnach sollte, geht es nach den NEOS, ein eigener "Untersuchungsausschuss Ibiza" prüfen, ob bei Strafverfahren, die politisch aktive Personen betreffen, unabhängig ermittelt wird.
 
Erfolgreiche Aufklärung habe der Ausschuss geleistet, bestätigte auch Peter Pilz (JETZT), dem es nun vor allem um den Schutz des BVT vor politischem Missbrauch geht. Es sei jedenfalls der Arbeit des U-Ausschusses zu verdanken, dass der Plan der FPÖ, im BVT einen eigenen "Geheimdienst" zu installieren, vereitelt werden konnte. Ausständig sei aber noch die Aufklärung hinsichtlich "schwarzer Netzwerke" im BVT.

 

312 Stunden Beratungen, 102 Befragungen, 4.600 Protokollseiten

 
Insgesamt hat der BVT-Untersuchungsausschuss in den vergangenen Monaten 102 Befragungen durchgeführt und dabei 88 Auskunftspersonen befragt, drei davon sogar dreimal. Darüber hinaus standen den Abgeordneten rund 340.000 Seiten an Akten und anderen Unterlagen zur Verfügung. Von den 312-stündigen Beratungen im Ausschuss wurden 4.600 Protokollseiten angefertigt.
 
Eingesetzt worden war der BVT-Untersuchungsausschuss aufgrund eines gemeinsamen Verlangens von SPÖ, NEOS und Liste Pilz. Die Abgeordneten sind der Frage nachgegangen, ob und inwieweit es beim Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung in den vergangenen zehn Jahren zu politisch motivierten Einflussnahmen gekommen ist. Unter die Lupe genommen wurden in diesem Zusammenhang unter anderem Postenbesetzungen, die Umstände rund um die umstrittene Hausdurchsuchung beim BVT und verzögerte Aktenvernichtungen. (
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