Ein Kommentar von Politik-Insiderin Isabelle Daniel.
Es ist traurig, dass wir gegen jemanden wählen müssen, statt für jemanden“, ein Satz, der freilich auch ausdrückt, wieso Emmanuel Macron in letzter Sekunde doch deutlicher gewinnen konnte. Aber: Die Enttäuschung und die Wut über den einstigen Hoffnungsträger von 2017 bleibt bei fast der Hälfte der Bevölkerung groß. Jene, die kaum noch wissen, wie sie sich ihr Leben leisten können, die ländliche Bevölkerung, die Linken, die 25- bis 49-Jährigen, die wütend sind, muss Macron in den nächsten Jahren von sich überzeugen.
Dass so viele doch eine Mauer gegen die extreme Rechte gebildet hatten, hatte mehr mit der Liebe zum Land und für die Demokratie als mit Macron zu tun. Ähnlich wie in den USA – aber auch in Österreich – klaffen ländlicher und städtischer Bereich immer mehr auseinander. Frankreich bleibt ein gespaltenes Land – gefährlich gespalten zwischen jenen, die einen weltoffenen, liberalen Lifestyle wollen, und jenen, die sich abgehängt fühlen und nach Mauern gieren.
2002 – als Marines rechtsextremer Vater Jean Marie Le Pen erstmals in die Stichwahl kam – sagte der bürgerliche Sieger Chirac (damals 82 Prozent): „Ich habe euch gehört.“ 20 Jahre später fühlt sich ein immer größerer Teil des Landes immer noch ungehört und hat Macron ein letztes Ultimatum gestellt. Auch wenn Frankreich, Europa und die freie Welt nach Macrons Wahlsieg aufatmen, sollten wir nicht vergessen, wie nah die extreme Rechte weiter vorrückt.