Top oder Flop?

Das sind die neuen Lehrer-Verträge

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3 Stunden mehr in Klasse -Bis zu 20 % mehr Gehalt - Sekretariat für Bürokratie.

Es war eine schwere Geburt: Drei Jahre Vorbereitungszeit hatte sich Unterrichtsministerin Claudia Schmied für den Entwurf eines neuen Lehrerdienstrechts gegönnt. Am Donnerstag war es so weit: Gemeinsam mit Finanzministerin Fekter und Beamtenministerin Heinisch-Hosek traf Schmied gestern kurz nach 17 Uhr im Kanzleramt auf die geballte Macht der Lehrer-Gewerkschafter; Paul Kimberger (Pflichtschulen), Eckehard Quin (AHS) und Jürgen Rainer (BMHS).

Schmied legte gleich zu Beginn des ersten Treffens ihren geheimen Gesetzes-Entwurf auf den Tisch: Es sind exakt 30 Seiten, in denen in zahllosen Rechenbeispielen und Formeln die Eckpunkte des neuen Lehrer-Dienstrechts aufgeschlüsselt werden:

  • 3-5 Stunden mehr Unterricht pro Woche. Der umstrittenste Punkt des neuen Gesetzes: Österreichs Lehrer sollen künftig zumindest 3 Stunden, im Optimalfall bis zu 5 Stunden pro Woche mehr in der Schule unterrichten – vor allem in den Ganztagsschulen am Nachmittag. Gleichzeitig soll sich die Gesamtarbeitszeit der Lehrer von derzeit 1.784 Stunden im Jahr nicht ändern.
  • Mehr Geld. Je nach erzielter Mehrleistung an Unterricht sollen künftig die Anfangsgehälter für junge Lehrer steigen. Das Gehaltsplus beim Einstieg beträgt 10 bis 20 %.
  • Gleiches Gehalt für alle. Derzeit verdienen Gymnasiallehrer mehr als Hauptschullehrer. Künftig soll das Grundgehalt für alle Lehrer gleich sein.
  • Eigene Sekretariate und Sozialarbeiter. Damit die Lehrer bei gleicher Jahres-Arbeitszeit zumindest 3 Stunden mehr pro Woche an der Schule unterrichten können, werden sie von Verwaltungsaufgaben entlastet: Jede Schule erhält Sekretariatspersonal für die Verwaltung und gesamte Bürokratie sowie zumindest einen Sozialarbeiter für die Betreuung.

Bis zum Sommer möchte Schmied eine Einigung. „Eine Grundsatzeinigung bis dahin ist möglich“, sagt auch Gewerkschafter Quin.

Dann könnte das neue Dienstrecht ab dem Schuljahr 2013/2014 gelten.

Unsere Lehrer unterrichten viel weniger als EU-Schnitt
Nur 658 Stunden im Jahr stehen Lehrer in Österreich in der Klasse und unterrichten. Das zeigt die internationale Bildungsstudie der OECD "Bildung auf einen Blick" aus dem Jahr 2011. In den USA sind es mit 1.072 Stunden fast doppelt so viel.

  • Nur 37 Prozent der Gesamtarbeitszeit: Das heißt: Bei einer gesetzlichen Jahresarbeitszeit von 1.784 Stunden im Jahr entfallen nur 37 Prozent tatsächlich auf Unterricht. Der Rest entfällt auf die Korrektur von Hausübungen und Tests – und: auf die Verwaltung.
  • Nur drei Unterrichtsstunden täglich: Bei 219 Unterrichtstagen im Schuljahr 2011/2012 gibt das nur 3 Unterrichtsstunden pro Tag. Rechnet man über das ganze Jahr hinweg, also inklusive Ferien, sind es bei 300 Werktagen im Durchschnitt sogar nur zwei Unterrichtsstunden pro Tag.
  • Unter dem Durchschnitt: Der Durchschnitt aller OECD-Länder liegt deutlich höher: 712 Unterrichtsstunden im Jahr. Auch im Vergleich der 21 EU-Länder, die in der OECD sind, sind es mit 681 Stunden jährlich immer noch deutlich mehr als in Österreich.
  • Aber: Mehr als PISA-Sieger: Jedoch unterrichten Österreichs Lehrer mehr, als ihre Kollegen im PISA-Siegerland Finnland: Diese stehen mit 606 Stunden um 52 weniger in der Klasse.

Quin: „Einigung bis Sommer“
ÖSTERREICH:
Bis wann ist das neue Dienstrecht fertig?
QuIn:
Kommt darauf an, was am Tisch liegt. Eine Grundsatzeinigung bis zum Sommer ist möglich, danach kommt das konkrete Gesetzespaket. Dann könnte das neue Dienstrecht ab dem Schuljahr 2013/2014 gelten.

ÖSTERREICH: Drei Stunden mehr Unterricht – was halten Sie davon?
QuIn:
Das kann ich erst bewerten, wenn das Gesamtpaket vorliegt. Wenn die Rahmenbedingungen so bleiben, wie sie sind – wenn Verwaltungsarbeit an den Lehrern hängen bleibt, Sozialarbeiter und Schulpsychologen fehlen – kann ich mir das nicht vorstellen.


ÖSTERREICH: Aber wie bewerten Sie das als Pädagoge?
QuIn:
In sehr Hausübungs-intensiven Fächern wie Deutsch und Englisch werden 30 Prozent mehr Unterrichtszeit schwer umzusetzen sein. Wir haben jetzt schon eine hohe Teilzeitquote – und das nicht, weil die Lehrer so viel Geld verdienen. Man muss aufpassen, dass die Unterrichtsqualität nicht darunter leidet. Da gibt es irgendwo Limits.

ÖSTERREICH: Die Regierung bietet Ihnen mehr Verwaltungspersonal an – was halten Sie davon?
QuIn:
Ich bin da skeptisch. Außerdem brauchen wir mehr Schul-Psychologen und Sozialarbeiter. Skeptisch bin ich, weil es ja einen Aufnahmestopp im öffentlichen Dienst gibt. Wenn heute eine Schul-Sekretärin in Pension geht, haben wir große Probleme, sie nachzubesetzen. Und es wird schwierig, genügend qualifiziertes Personal zu finden. Ich frage mich, wie wir den OECD-Schnitt erreichen sollen.

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