So lief der Abgang

Der Rücktritt

Teilen

Kurz lässt auf seinen „Schritt zur Seite“ einen richtigen Rücktritt folgen.

Wien. Als Sebastian Kurz am Donnerstag um 11.33 Uhr in der ÖVP-Akademie nahe seiner Wohnung in Wien-Meidling vor Dutzende Kameras trat, war die Sache längst gelaufen – Freund wie Feind in ­Schnappatmung. Es war Bild-Vizechefredakteur und Kurz-Biograf Paul Ronzheimer, der um 9.18 Uhr auf Twitter die Bombe hatte platzen lassen. „Sebastian Kurz wird heute seinen Rücktritt als ÖVP-Chef bekannt geben.“

Gute Nachrede. Kurz brauchte in seiner 17-minütigen Rede den Abschied also gar nicht mehr zu erklären. Vor über 10 Jahren oder 3.878 Tagen war er als Staatssekretär gestartet – jetzt ging es für den Mann, der schon mit 25 als größtes politisches Talent seit Kreisky gehandelt wurde, um die gute Nachrede.

Ermittlungen in zwei 
Causen gehen weiter

Keine Verbitterung. Und so hielt Kurz keine verbitterte Abschiedsrede, sondern zeigte sich optimistisch – nur einmal streute er ein, dass er sich „ein bisschen gejagt gefühlt“ habe. Tatsächlich wird gegen ihn inzwischen wegen des Verdachts der Falschaussage sowie in der Chat-Affäre ermittelt.

Der Karl übernimmt. In der ÖVP löste der Abgang von Kurz eine richtige Kettenreak­tion aus: Es gab zwar schon den Nachfolger – heute, Freitag, soll Karl Nehammer zum neuen ÖVP-Chef designiert werden. Doch das ÖVP-Team implodierte noch am Donnerstagabend. Alexander Schallenberg machte klar, dass er jetzt nicht mehr als Kanzler zur Verfügung stehe. Und am Abend trat auch Finanzminister Gernot Blümel zurück – ein völliger Umbau des ÖVP-Teams steht heute an.

Entschluss fiel vor Wochen. Eines war schon vorher klar: Kurz’ Rede wurde nicht in ein paar Stunden geschrieben – er war laut ÖSTERREICH-­Recherchen schon länger entschlossen, Adieu zu sagen. Die Geburt seines Sohnes am Samstag war letzter Ausschlag, seit Montag wurde der Rücktritt im engsten Kreis vorbereitet.

Rückhalt schwand. Tatsächlich tat sich die ÖVP mit dem wegen der Affären „zur Seite getretenen“ Kurz schwer. Die anvisierte große Österreich-Tour blieb ihm verwehrt. Vor allem im Westen fand man keine Termine für Kurz. Es muss demütigend gewesen sein: keine strahlenden Auftritte mit dem ­US-Präsidenten, stattdessen Parlamentsdebatten mit den NÖ-Bauern. Dazu immer wieder Diskussion über die Affären – in der ÖVP fürchtet man täglich neue Enthüllungen. Beratungen mit seinen engsten Vertrauten brachten nur einen Ausweg: Gehen, solange man es noch selbst in der Hand hat.
Gelöst. Und so war gestern ein gelöster, ja befreiter Kurz zu sehen. Zurück ließ es indes eine ÖVP im Chaos, die einen Neustart sucht.(gü)
 

Fehler im Artikel gefunden? Jetzt melden.