Minister schlägt Alarm

Doskozil: "Asyl-Obergrenze im August erreicht"

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Regierung rechnet mit Erreichen der Obergrenze von 37.500 noch im Sommer.

Noch befinden sich die Asylantragszahlen und die Zahlen der zugelassen Asylverfahren auf vergleichsweise niedrigem Niveau:

  • Im Mai gab es laut Innenministerium 3.600 Asylanträge. 2.500 Anträge wurden (inklusive Fälle aus den Vormonaten, bei denen die Prüfung länger dauerte) zum Asyl-Verfahren zugelassen. Zum Vergleich: Der Spitzenwert im Oktober 2015 betrug 12.200 Anträge.
  • Jede Woche gibt es derzeit rund 900 Anträge. Zugelassen werden 450 plus rund 300 Fälle aus den Vorwochen.
  • Im Jahr 2016 sind 18.950 Asylverfahren zugelassen worden – dieser Wert ist für die Obergrenze von 37.500 relevant. Die Regierung glaubt dennoch, dass die Obergrenze bereits im Sommer erreicht sein wird, wie SPÖ-Heeresminister Hans Peter Doskozil im ÖSTERREICH-Interview erklärt.

Doskozil reist zu seinem Amtskollegen nach Ungarn
Grund: Die Asylzahlen entwicklen sich nicht gleichmäßig. Die Situation hier ist außerdem extrem von jener im Ausland abhängig. Allein in den letzten Wochen gab es 15.000 Ankünfte über das Mittelmeer. Auch Ungarn ist wieder im Fokus, deswegen reist Doskozil nächsten Donnerstag zu seinem Amtskollegen.

Mit Hochdruck wird an der Notverordnung gearbeitet, nach der Flüchtlinge bei Erreichen der Obergrenze zurückgeschickt werden können.

SP-Minister Doskozil über Asyl und SP: "Man kann nicht jedem alles recht machen"

ÖSTERREICH: Im Innenministerium heißt es, die Obergrenze für Asylwerber wäre im August erreicht. Sehen Sie das auch so?
Hans Peter Doskozil: Ich gehe davon aus, dass die Obergrenze in der Sommermitte erreicht sein wird. Es erreichen immer mehr Asylwerber Italien. Die Anzahl ist höher als im Sommer 2015. Die Frage ist, wie lange Italien noch so kontrolliert und die Menschen nicht weitereisen lässt. Ich fürchte, sie werden das nicht durchhalten. Zudem kommen auch immer mehr über die Ausweichrouten – Bulgarien, Serbien und Ungarn.

ÖSTERREICH: Das heißt?
Doskozil: Ich fahre am Donnerstag nach Ungarn, um den Verteidigungsminister und den Parlamentspräsidenten zu treffen. Ich möchte Ungarn – ohne die kritischen Aspekte zu ignorieren – als Partner gewinnen. Ich suche den Dialog, denn ohne Ungarn wird es keine Lösung geben.

ÖSTERREICH: Hat das Asyl-Zahlen-Wirrwarr der Regierung nicht die Glaubwürdigkeit der Regierung beschädigt?
Doskozil: Die Glaubwürdigkeit der Politik wurde bereits in der Vergangenheit ramponiert. Deswegen habe ich gleich gesagt: Alle Zahlen müssen auf den Tisch. Die Regierung muss transparent machen: wie viele kommen zu uns, wie viele werden zu Asylverfahren zugelassen, wie viele werden wieder rückgeführt?

ÖSTERREICH: Über 80 Prozent können nicht rückgeführt werden, oder?
Doskozil: Ja, und das müssen wir auflösen. Es kann nicht sein, dass es einen EU-Pakt mit der Türkei gibt – (Anmerkung: Griechenland darf in die Türkei abschieben) – aber wir dürfen Dublin-Fälle nicht nach Griechenland rückführen und Ungarn nimmt kaum welche zurück. Dafür haben die Menschen kein Verständnis. Das müssen wir ändern.

ÖSTERREICH: Burgenlands Landeshauptmann Niessl will, dass Sie neuer Bundes-Vizechef werden. Kandidieren Sie am SPÖ-Parteitag?
Doskozil: Ja, ich werde kandidieren.

ÖSTERREICH: Sollen Sie der Wächter einer harten Asylpolitik im SP-Regierungsteam sein?
Doskozil: Ich bin in der Asylpolitik – wie Hans Niessl – ein Vertreter des realistischen Zugangs. Und als solcher möchte ich auch die Integration von Tag eins ab verbessern. Derzeit gibt es private Geschäftemacher, die für Unterkünfte für Asylwerber elf Euro pro Kopf am Tag vom Staat erhalten. Wir sollten die Grundversorgung ab dem ersten Tag an NGOs übergeben, die dann für Deutschunterricht und Integration sorgen.

ÖSTERREICH: Aber es gibt Flügelkämpfe in der SPÖ. Rechnen Sie mit Ärger?
Doskozil: Es gibt eine Aufbruchstimmung in der SPÖ und ich denke, dass dieser positive Drive auch am Parteitag zu spüren sein wird. Ich erwarte keine Flügelkämpfe, aber unterschiedliche Wahlergebnisse am Parteitag. Man kann nicht jedem alles recht machen. Sonst steht man für nichts.

Interview: Isabelle Daniel
 

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