"Auch ich wäre falsch"

Doskozil fordert Ende der Personaldebatte

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Wechsel an SPÖ-Spitze würde Probleme derzeit nur zudecken -

Der burgenländische Landeshauptmann und SPÖ-Chef Hans Peter Doskozil plädiert für ein Ende der SPÖ-internen Personaldebatte. Die SPÖ müsse zunächst ihre inhaltliche Positionierung klären, ein neuerlicher Wechsel an der Parteispitze würde die Probleme in der aktuellen Situation nur weiter zudecken. Er selbst konzentriere sich auf die burgenländische Landtagswahl, erklärt Doskozil im APA-Interview.
 
"Es gibt Bücher, es gibt Briefe, es gibt Meinungen. Eine Personaldiskussion zum jetzigen Zeitpunkt ist das falsche Signal", so Doskozil. "All jene, die groß reden, müssen sich selbst beweisen. Die Länder müssen mal gute Ergebnisse einfahren, auch das trägt zur Konsolidierung der Bundespartei bei. Gelegenheit hätten wir schon letzte Woche in der Steiermark gehabt, wir haben Gelegenheit im Burgenland, wir haben Gelegenheit in Wien." Parallel dazu müsse sich die SPÖ vor allem inhaltlich positionieren. "Dieses Nicht-Positionieren in sensiblen Fragen hat dazu beigetragen, dass wir dort stehen, wo wir jetzt sind. Ein Wechsel an der Parteispitze löst diese Probleme nicht. Das deckt sie nur zu, bis sie später wieder aufbrechen. Erst kommt die inhaltliche Diskussion, und dann kann man am Ende des Prozesses noch einmal offen und ehrlich die Personalfrage stellen."
 

Rendi hat Altlast übernommen

Die finanzielle Misere der Bundes-SPÖ, die einen Schuldenstand von knapp 15 Millionen Euro aufweist, beurteilt Doskozil kritisch. "Wir werden im Burgenland trotz Landtagswahlkampf und Investitionen in EU- und Nationalratswahl und trotz Beteiligung am Bundeswahlkampffonds keine Schulden haben. Wir werden auch nach der Landtagswahl ein Plus haben, und wir werden keine Mitarbeiter kündigen. Das muss der Anspruch für eine Partei sein." Die Verantwortung für die Finanzlage der Partei sieht Doskozil aber weniger bei Parteichefin Pamela Rendi-Wagner denn bei ihren Vorgängern. "Für diese Entwicklung auf Bundesebene kann die Vorsitzende nichts. Da hat sie sicherlich eine Altlast übernommen."
 
Kritik übt Doskozil an den umstrittenen Beraterverträgen der Löwelstraße. "Ich hätte diese Beraterverträge nicht erst jetzt gekündigt, sondern schon zum Zeitpunkt der Übernahme, oder ich hätte sie in dieser Dimension gar nicht entstehen lassen." Dass etwa der Kontrakt mit Ex-Kanzlersprecher Nedeljko Bilalic erst mit Ende kommenden Jahres auslaufen, bis dahin aber günstiger - statt 24.000 Euro monatlich nur noch 8.000 Euro - werden soll, ist für Doskozil nicht nachvollziehbar. "Ich verstehe es nicht. Wenn man aus dem bestehenden Pool von 75 bis 80 Mitarbeitern nicht genug Kompetenz für Pressearbeit und pointierte Oppositionsarbeit schöpfen kann, dann stimmt was nicht."
 

"Zeiler vertritt nicht einmal ein Flügerl"

Von den diversen Empfehlungen zur Rettung der SPÖ - sei es in Buchform durch Gerhard Zeiler oder in Briefform durch den Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser - hält Doskozil wenig. "Es ist einfach, Dinge zu empfehlen, wenn man ein Außenstehender ist. Zeiler vertritt in der SPÖ nicht einmal ein Flügerl. Es soll ihm die Bühne gewährt werden, das ist ein nettes Buch, aber aus meiner Sicht ist die SPÖ eine stolze Partei und selbstbewusst genug, diese Probleme von innen zu lösen."
 
Neben dem Zeiler-Buch werde er auch den Kaiser-Brief nicht lesen. "Ich habe eine gefestigte Meinung über die SPÖ. Ich bin der Meinung, dass man sich in einer Familie wie der SPÖ keine Brieferl schreiben muss. Man kann zum Hörer greifen, man kann sich zusammensetzen. Öffentliche Diskussionen gehören dazu, ich bin da ja auch Teil davon, aber ich sage meine Meinung, um der SPÖ ein Profil zu geben und um zu zeigen, dass es im Burgenland eine SPÖ gibt, die anders denkt. Die SPÖ ist mit Sicherheit zu retten. Man wird das bei den nächsten Wahlergebnissen im Burgenland sehen, wo man nicht nur die Ergebnisse, sondern auch die Programmatik dahinter sehen muss."
 

"Auch ich wäre falsch"

An die Spitze der Bundespartei zieht es Doskozil weiterhin nicht, auch wenn dies viele rote Parteigänger herbeisehnen. "Bevor wir die inhaltlichen Fragen nicht geklärt haben, wäre Jeder falsch. Auch ich wäre falsch. Und es gibt viele, die eine andere Meinung zu mir haben. Ich polarisiere. Mir ist bewusst, dass es in der Partei auch Menschen gibt, die mit mir nicht umgehen können. Ich habe in der Partei schon mehr Widerstand erlebt als von manchem Oppositionsgegner. Außerdem ist in der Politik Glaubwürdigkeit ein wichtiges Gut. Ich habe mich klar für das Burgenland positioniert, daher stellt sich die Frage nicht."
 
Türkis-Grün im Bund hält der burgenländische Landeshauptmann unterdessen für so gut wie ausgemacht, weil diese Paarung derzeit in die Erzählung der ÖVP passe. Dass die Grünen bei Umweltthemen höhere Glaubwürdigkeit als die SPÖ besitzen, bestreitet Doskozil. "Sie haben ja bisher nichts gemacht. Was ist faktisch umgesetzt worden? Wir im Burgenland produzieren 150 Prozent des Strombedarfs aus Windkraft. Zwei Drittel des Landes ist Naturschutzgebiet. Wir steigen jetzt groß in Fotovoltaik ein. Was werden die Grünen machen, wenn sie auf Bundesebene einziehen? Eine kilometerbezogene Maut, hat Werner Kogler vor ein paar Wochen gesagt. Das ist ja lebensfremd. Auch für den Klima-Hype gilt: mit Hausverstand und Vernunft."
 
Die SPÖ muss sich laut Doskozil mit der Oppositionsrolle anfreunden. "Für die Prozesse, die wir jetzt vor uns haben, brauchen wir keine Regierungsbeteiligung. Eine Regierungsbeteiligung deckt wieder nur alles zu. Wir müssen unsere Probleme lösen." Es brauche ehrliche und glaubwürdige Politik. Am Beispiel der Casinos-Affäre: "Wir sind doch nicht glaubwürdig, wenn unser Vertreter Dietmar Hoscher dort wie ein Großmogul verdient. Das geht nicht."
 
Die Duldung einer etwaigen ÖVP-Minderheitsregierung lehnt Doskozil ab. "Es kann nicht sein, dass jemand den Kanzleranspruch stellt und nicht kompromissbereit ist, eine Koalition zu bilden. Da muss die ÖVP halt Abstriche machen. Kurz ist kein Alleinregent."
 

Plus als Ziel

Für die burgenländische Landtagswahl am 26. Jänner peilt der SPÖ-Landeschef ein Plus an. Ausgangsbasis dafür sind die 41,9 Prozent der vergangenen Wahl. "Wenn wir ein Plus von 0,1 Prozentpunkten haben, ist das Wahlziel erreicht." Die Koalitionsoptionen lässt sich der amtierende Landeshauptmann in alle Richtungen offen, auch eine Neuauflage von Rot-Blau schließt er nicht aus.
 
Inhaltlich setzt Doskozil vor allem auf die Themen Mindestlohn, Pflege und Sicherheit. Von einem bedingungslosen Grundeinkommen hält der SPÖ-Politiker übrigens nichts. "Wir haben eine Mindestsicherung. Da gibt es Regeln, und da kann man auch rausfallen. Diese Regeln sollte man nicht aufgeben." Es brauche eine Unterscheidung zwischen Mindestsicherung und Mindestlohn, weil das Thema sonst wieder zum Spielball der Rechten werden. "Deshalb halte ich ein bedingungsloses Grundeinkommen für nicht zielführend. Ein gewisses Maß an Leistung und Leistungsgesellschaft ist vertretbar."
 
In der Frage, ob integrierte Migranten in Österreich das generelle Wahlrecht erhalten sollen, plädiert der burgenländische SPÖ-Chef für die Beibehaltung des Status quo. "Das Wahlrecht ist ein Staatsbürgerschaftsrecht. Da rücke ich keinen Millimeter ab. Bei Gemeinderats- und Europawahlen ist das teilweise aufgeweicht, aber damit reicht es."
 
Stimmlich gehe es ihm "von Tag zu Tag besser", erklärt Doskozil, der zuletzt mehrere Stimmbandoperationen hinter sich brachte. "Das ist ein Entwicklungsprozess, eine logopädische Herausforderung. Ich mache viele Übungen, um die Stimme zu festigen, aber es geht von Tag zu Tag besser. Ich werde, glaube ich, keine Probleme haben, den Wahlkampf zu überstehen."
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