Disput um "Sophia"

EU-Außenminister schimpft: "Österreich kein gutes Beispiel"

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Im Ringen um die Mission "Sophia" geht es heiß her.

Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn hat scharfe Kritik am EU-Ratsvorsitz Österreich geübt. Es sei kein "gutes Beispiel", wenn man als Präsidentschaft nicht unter jenen Ländern ist, die Italien in der jüngsten Frage der Flüchtlings-Verteilung unterstützt hat, so Asselborn vor Beginn des informellen EU-Außenministerrats am Donnerstag in Wien. Dabei hatten sich lediglich acht von 28 Ländern eingebracht.
 
Zumindest könnte Österreich die Bootsflüchtlinge ins Land holen, damit sie einen Antrag auf Asyl stellen können, schlug der Luxemburger vor und sprach sich erneut für eine verpflichtende Flüchtlingsverteilung innerhalb Europas aus. Die EU sei an einem "sehr schwierigen Punkt" angelangt, so Asselborn weiter. Die EU-Ratspräsidentschaft - egal wer sie innehabe - müsste in Sachen Solidarität und Rechtsstaatlichkeit "alles geben, was man hat" und nicht etwa mit Vorschlägen zu "Militäroperationen in Nordafrika" eine "Lösung torpedieren".
 

Italien fordert mehr Solodarität

Die EU ringt Im Streit um die EU-Mittelmeermission "Sophia" um Lösungen. Italien fordert von den Mitgliedsstaaten mehr Solidarität bei der Aufnahme von geretteten Flüchtlingen und drohte am Donnerstag mit einem Ausstieg aus dem Anti-Schlepper-Einsatz. In Wien bekannten sich indes die EU-Verteidigungsminister zur Fortführung der Militärmission.
 
Der Einsatz vor Libyen sei "entscheidend" für einen erfolgreichen Kampf der EU gegen Schlepperkriminalität, betonte die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini nach dem informellen Rat der EU-Verteidigungsminister in Wien. Beschlüsse sind bei solchen Treffen, die das jeweilige EU-Vorsitz-Land ausrichtet, nicht vorgesehen. Ihre Aufgabe sei es gewesen, auszuloten, ob es den politischen Willen zur Fortsetzung der Mission gebe. Das sei "definitiv" der Fall, berichtete Mogherini bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem Gastgeber des Treffens, Verteidigungsminister Mario Kunasek (FPÖ). Bei allen Mitgliedsstaaten herrsche "volle Entschlossenheit", den Einsatz fortzusetzen.
 

Salvini poltert

Kurz zuvor hatte der italienische Innenminister Matteo Salvini gedroht, aus dem Einsatz auszusteigen, sollte keine Einigung über die Verteilung von geretteten Flüchtlingen bzw. eine Neuregelung betreffend der Häfen, in die Gerettete gebracht werden, erzielt werden. Eine wie von Rom geforderte "Rotation der Häfen" sei in Wien nicht diskutiert worden, verwies Mogherini hier auf andere Zuständigkeitsbereiche. Auch in der Verteilungsfrage seien die Innen-, nicht die Verteidigungsminister Ansprechperson.
 
Die italienische Verteidigungsministerin Elisabetta Trenta zeigte sich nach dem Rat in Wien enttäuscht. "Ich habe hier in Wien offene, aber auch geschlossene Tore gefunden. Wir hoffen und vertrauen, dass sich noch etwas ändern kann". Es sei zu keiner Übereinstimmung in Bezug auf Italiens Vorschlag gekommen, das Prinzip der Hafenrotation aufzunehmen und die Regeln der Mission "Sophia" neu zu diskutieren.
 
Der italienische Außenminister Enzo Moavero Milanesi, der für den informellen EU-Außenministerrat nach Wien reiste, forderte "wirkliche Solidarität und Respekt" der anderen EU-Länder gegenüber Italien. In Bezug auf das Rotationsprinzip signalisierte er Kompromissbereitschaft: "Das heißt nicht, dass jedes Schiff in einen anderen Hafen gebracht wird." Die Schiffe der EU-Marinemission "Sophia" könnten auch in einem Land landen und dann sofort weiterverteilt werden, so Moavero Milanesi. Wichtig sei aber, die Flüchtlinge zu verteilen bevor sie einen Asylantrag stellen.
 

Kneissl beschwichtigt

Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ) antwortete auf die Frage zum Vorschlag Italiens: "Rotation ist immer gut, im Sinne, dass mehrere in die Verantwortung hineinkommen." Ihr deutscher Amtskollege Heiko Maas forderte, dass jeder in Europa einen Teil der Verantwortung übernehmen müsse - das könnte auch vermehrtes Engagement in Afrika oder Ähnliches bedeuten.
 
Italien setzt sich seit Wochen für eine Neuregelung der Mission "Sophia" ein. Weil nicht im Vorfeld ein Verteilungsmechanismus für die geretteten Migranten festgelegt wurde, fordert Italien im Rahmen einer fünfwöchigen strategischen Überprüfung nunmehr eine solche Lastenteilung unter den EU-Staaten. Laut dem Dublin-Abkommen ist jener Staat für die Bearbeitung und Versorgung des Asylwerbers zuständig, in dem dieser erstmals EU-Boden betreten hat.
 
Nach Ansicht der deutschen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen ist deshalb eine Überarbeitung des Dublin-Abkommens notwendig: "Es kann nicht sein, dass die überfällige Reform von Dublin weiter ausgetragen wird auf dem Rücken von 'Sophia'", sagte sie zu Beginn des Treffens in Wien.
 

Mission "alternativlos"

Die EU könne sich ein Scheitern der Mission "Sophia", die offiziell EU-Mission EUNAVFOR MED heißt, nicht leisten, betonte Mogherini. Zu "Sophia" gebe es keine Alternative. Seit Beginn der Mission sei die Zahl der Ankünfte von Flüchtlingen, die über das Mittelmeer nach Europa kommen, um 80 Prozent zurückgegangen. Auch die Zahl jener, die bei der Überfahrt ertrinken, sei gesunken. "Sophia" einzustellen, würde einen Rückschritt für die gesamte EU darstellen, meinte die EU-Außenbeauftragte. Insgesamt wurden seit 2014 bis Ende 2017 im Rahmen von "Sophia" 42.000 Menschen im Mittelmeer gerettet.
 
Auf Betreiben Österreichs wurde beim informellen Verteidigungsrat, der am gestrigen Mittwoch mit einer Führung im Heeresgeschichtlichen Museum begann, auch über die Möglichkeit, Soldaten im EU-Außengrenzschutz einzusetzen, diskutiert. Kunasek berichtete von großem Interesse anderer Länder für das "bewährte österreichische Assistenzmodell", stellte allerdings im Vorfeld klar, dass es derzeit um keinen konkreten Einsatze gehe und dieser auch nur temporär als Unterstützung für die Polizei stattfinden solle.
 

Mogherini: österreichische Ideen "nützlich"

Mogherini bezeichnete die österreichischen Ideen als "nützlich" und betonte, dass alle Vorschläge, die die zivil-militärische Zusammenarbeit stärken, willkommen seien. Von der Leyen zeigte sich zunächst mit Blick auf die deutsche Verfassung, die Grenzschutz als Aufgabe der Polizei festlegt, skeptisch, ergänzte dann aber, dass sie eine Diskussion des österreichischen Vorschlages auf europäischer Ebene unterstütze.
 
Weitere Themen der Beratungen waren die "Permanente Strukturierte Zusammenarbeit" (PESCO), die EU-Militärkooperation, der Europäische Verteidigungsfonds sowie die Europäische Friedensfazilität (EPF) zur Finanzierung des EU-Engagements in Partnerländern.
 
Direkt nach dem informellen Verteidigungsministertreffen begann in der Wiener Hofburg der informelle Rat der EU-Außenminister (Gymnich). Die beiden Räte waren von verschärften Sicherheitsmaßnahmen - das Österreichische Bundesheer überwacht den Luftraum verstärkt, rund um die Hofburg gab es Platzverbote und Straßensperren - begleitet.
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