Briefwähler änderten nichts mehr am vorläufigen Endergebnis der EU-Wahl.
Beachtliche 587.097 Wahlberechtigte haben ihre Stimme bei der EU-Wahl per Briefwahl abgegeben - aber das Endergebnis nicht groß verändert. Der Mandatsstand bleibt unverändert, ging aus dem Montag vom Innenministerium veröffentlichten Endergebnis hervor. Auffällig war, dass die ÖVP nach der Briefwahlauszählung etwas schwächer dastand. Aber sie blieb mit 34,55 Prozent klarer Wahlsieger und neuer EU-Rekordhalter.
Einen Rekord gab es auch bei der Wahlbeteiligung - nämlich den Zuwachs von letztlich 14,38 Prozentpunkten. Wie in den Briefwahlprognosen bereits angekündigt, erreichte die (am Sonntag mit 50, 62 Prozent ausgewiesene) Wahlbeteiligung letztlich fast 60 Prozent. Mit 59,77 Prozent war sie hoch wie seit der EU-Premiere Österreichs im Jahr 1996 nicht mehr.
Keinen Rekordeinbruch, aber dennoch einen letztlich doch deutlichen Rückgang um 2,5 Prozentpunkte musste die FPÖ in der EU-Wahl hinnehmen. Der erhoffte Anstieg auf über 20 Prozent blieb nach dem Rauswurf aus der Regierung wegen des Ibizagate-Videos aus - die FPÖ landete bei 17,20 Prozent - und das war etwas weniger als die 18,09 im vorläufigen Ergebnis vom Sonntag.
Für die SPÖ wurde die Wahlschlappe ein wenig gemildert: Sie muss sich nicht mehr nachsagen lassen, bei dieser sechsten EU-Wahl das schlechteste Ergebnis aller Bundeswahlen seit 1945 geholt zu haben. Denn durch die Briefwahlkarten kam sie von 23,59 auf 23,89 Prozent - und das ist eine Spur mehr als die 23,74 Prozent bei der EU-Wahl 2009.
Die - ohnehin schon erstaunlich starken - Grünen kamen letztlich mit 14,08 Prozent sogar noch über die 14er-Marke, blieben aber doch knapp unter dem 2014 gesetzten Bundeswahlrekord von 14,52 Prozent. Nach diesem kräftigen Lebenszeichen können sie nun bester Hoffnung sein, bei der Neuwahl im September wieder in den Nationalrat zurückzukehren. Nicht ins EU-Parlament kam EUROPA Jetzt (1,03 Prozent) und die KPÖ (0,8 Prozent).
Die bis zum Brexit 18 Mandate teilen sich ÖVP (7, plus 2 gegenüber 2014), SPÖ (unverändert 5), FPÖ (3, minus 1), Grüne (2, minus 1) und NEOS (unverändert 1) auf.
Dass die ÖVP durch die Auszählung der Briefwahl gar nicht so wenig verlor, die SPÖ fiel ein aus dem gewohnten Schema. Üblicherweise ist das umgekehrt. Dass die FPÖ bei den Briefwählern schlechter abschneidet als bei den Urnenwählern und somit insgesamt schwächer dasteht, war bei allen Wahlen seit Einführung der Briefwahl so - und umgekehrt auch, dass die Grünen zulegen.
Die Zahl der Briefwähler ist beständig gestiegen. Mit 587.097 war sie hoch wie nie zuvor bei einer EU-Wahl. 15 Prozent der abgegebenen Stimmen kamen auf diesem Weg - und wurden damit am Montag ausgezählt. Die Wahlkarten, die Wahlberechtigte selbst am Sonntag für die Stimmabgabe in "fremden" Wahllokalen nutzten, waren bereits im vorläufigen Endergebnis, das Innenminister Eckart Ratz Sonntag um 23 Uhr verkündete.
Das Montagabend veröffentlichte Ergebnis ist allerdings immer noch nicht "amtlich". Das wird es erst, wenn es die Bundeswahlbehörde nach ihrer Sitzung vom 12. Juni an der Amtstafel bzw. online verlautbart.
Alle Österreich-Ergebnisse hier im Detail
Die Ergebnisse der einzelnen Bundesländer und Gemeinden sehen Sie hier in unserer interaktiven Österreichkarte.
Die Wahlbeteiligung ist deutlich gestiegen und lag laut der ARGE Wahlen bei 58,8 Prozent. Die Hochrechnung (Auszählungsgrad 100 Prozent) beinhaltet auch schon eine Briefwahl-Schätzung. Die Stimmen der Briefwähler werden ja erst am Montagabend ausgezählt und sind im vorläufigen Endergebnis von Sonntagabend noch nicht enthalten.
Der Abstand zwischen Wahlsieger ÖVP und der SPÖ erhöhte sich in der Hochrechnung gegenüber der 17.00 Uhr-Trendprognose von ARGE Wahlen, SORA und Peter Hajek für die APA, den ORF und ATV sogar noch ein wenig: Die ÖVP konnte von den innenpolitischen Turbulenzen der letzten Woche profitieren und legte gegenüber der Wahl 2014 um 8,4 Prozentpunkte zu, der Vorsprung zur SPÖ beträgt demnach 11,9 Prozentpunkte. Die Sozialdemokraten verloren gegenüber der EU-Wahl von 2014 sogar ein wenig. Das Minus von rund 0,6 Prozentpunkten brachte mit 23,5 Prozent das schlechteste Ergebnis der SPÖ auf Bundesebene überhaupt.
Strache bekommt ein Mandat für EU-Parlament!
Der abgetretene Vizekanzler Heinz-Christian Strache hat dank der Vorzugsstimmen Anspruch auf ein Mandat im EU-Parlament. Der über die Ibiza-Affäre gestolperte Ex-Vizekanzler kandidierte am letzten Listenplatz der FPÖ und mit Stand Montagnachmittag waren bereits mehr als 33.500 Vorzugsstimmen für ihn ausgezählt. Für ein Direktmandat reichen rund 33.000.
Ausgezählt waren bisher die Vorzugsstimmen in Wien, Niederösterreich, teilweise der Steiermark, Oberösterreich und Salzburg. Noch nicht vorliegen hatte die APA vorerst jene aus Tirol, Vorarlberg, dem Burgenland und Kärnten sowie die per Briefwahl abgegebenen Vorzugsstimmen. Wer mehr als fünf Prozent der Wähler seiner Partei zu einer Vorzugsstimme motivieren kann, wird auf der Kandidatenliste vorgereiht. Strache ist am 42. Listenplatz der FPÖ angetreten - eine nicht unübliche Solidaritätskandidatur, die er wegen des knappen Fristenlaufs nach seinem Rücktritt nicht mehr rückgängig machen konnte. Endgültig vorliegen wird das offizielle Vorzugsstimmenergebnis für die EU-Wahl erst Dienstag oder Mittwoch.
Nach wie vor nicht bekannt war am Nachmittag, ob Strache sein Vorzugsstimmenmandat annehmen würde. Aus der Partei war vorerst dazu keine Auskunft zu erhalten.
Strache wankelmütig auf Facebook
Wankelmütig zeigt sich Ex-Vizekanzler und Ex-Parteichef Heinz-Christian Strache in der Frage, ob er das - ihm über Vorzugsstimmen zugefallene - EU-Mandat der FPÖ annimmt oder nicht. Montagnachmittag postete er auf Facebook zunächst, dass er sich "demokratiepolitisch verpflichtet" fühle, EU-Abgeordneter zu werden. Kurze Zeit später war das Posting allerdings schon wieder gelöscht.
"Vorarlberg Online" (VOL - vol.at) hatte jedoch einen Screenshot von der - vorübergehenden - Nachricht Straches angefertigt. Chefredakteur Marc Springer veröffentlichte diesen über den Kurznachrichtendiensts Twitter:
Der über die Ibiza-Affäre gestolperte Ex-Vizekanzler hätte Anspruch auf eines der drei FPÖ-Mandate, weil er die nötigen Vorzugsstimmen (rund 33.000) bekommen hat. Strache stand am letzten Listenplatz der FPÖ. Aber mit genügend Vorzugsstimmen wird er nach vorne gereiht und hat einen rechtlichen Anspruch auf ein EU-Mandat, falls nicht andere Kandidaten mehr Vorzugsstimmen haben als er. Dies ist zwar bei Spitzenkandidat Harald Vilimsky der Fall, darüber hinaus aber unwahrscheinlich.
Ibiza-Affäre
Die FPÖ bekam unterdessen die Ibiza-Affäre ihres Ex-Chefs Heinz-Christian Strache zu spüren, hielt mit einem Minus von 2,4 Prozentpunkten die Verluste aber in Grenzen. Gegenüber den Umfragen vor Auffliegen des Videos mussten die Blauen allerdings deutlich Haare lassen.
Ein politisches Comeback feierten die Grünen. Die Partei, die 2017 aus dem Nationalrat geflogen war, kam mit 13,6 Prozent sogar in die Nähe ihres Rekord-Ergebnisses von 2014. Damals erzielte die Öko-Partei 14,5 Prozent.
Auch die NEOS schafften den Wiedereinzug in das EU-Parlament. Die 8,4 Prozent in der 23.00 Uhr-Hochrechnung bedeuteten ein kleines Plus gegenüber der Wahl 2014, bei der sie 8,1 Prozent erzielt hatten. Die Liste Europa JETZT kam auf 1,0 Prozent und scheiterte wie die KPÖ (0,8 Prozent) am Einzug ins EU-Parlament.
Video zum Thema:
Nach EU-Wahl: Elefantenrunde auf oe24.TV
Überraschungen bei Vorzugsstimmen
Bei der ÖVP entscheidet diesmal ausschließlich das Vorzugsstimmenergebnis über die Vergabe der Mandate im EU-Parlament - und hier zeichnen sich nach ersten Informationen aus den Ländern gleich mehrere Überraschungen ab. So ist Ex-ORF-Star Wolfram Pirchner gescheitert, dafür haben zwei weiter hinten Gereihte den Einzug geschafft. Um den ersten Platz rittern drei Frauen.
Offiziell wird das Vorzugsstimmenergebnis erst am Dienstag oder Mittwoch vorliegen. Die ÖVP wollte am Montag noch keine Zahlen nennen. Erste interne Informationen aus den Ländern gibt es aber bereits. Und demnach dürften zwei vorne gereihte Kandidaten den Einzug ins EU-Parlament verpassen: der vom Seniorenbund unterstützte Pirchner und der Burgenländer Christian Sagartz stehen zwar auf Platz sechs bzw. sieben der Kandidatenliste und damit eigentlich an wählbarer Stelle. Weiter hinten gereihte Kandidaten haben aber offenbar mehr Vorzugsstimmen erhalten.
Video zum Thema:
EU-Wahl 2019: Kanzler Kurz im Interview
Laut APA-Informationen haben die Tiroler Wirtschaftsbündlerin Barbara Thaler (vom 8. Listenplatz) und der niederösterreichische Bauernbündler Alexander Bernhuber (vom 11. Listenplatz) den Sprung ins EU-Parlament geschafft. Auch die ersten fünf auf der ÖVP-Liste haben dem Vernehmen nach ausreichend Vorzugsstimmen für den Einzug ins EU-Parlament gesammelt. Das sind Othmar Karas, Karoline Edtstadler, Angelika Winzig, Simone Schmiedtbauer und Lukas Mandl.
Unklar ist allerdings noch, wer die meisten Vorzugsstimmen erhalten hat. Hier läuft das Rennen nicht nur zwischen Spitzenkandidat Karas und Listenzweiter Edtstadler. In den bisher vorliegenden - aber noch nicht kompletten - Ergebnissen liegt nämlich die oberösterreichische Unternehmerin und Nationalratsabgeordnete Winzig vorne. Sie hat alleine in Oberösterreich 70.000 Vorzugsstimmen erzielt und liegt damit derzeit vor Edtstadler und Karas. Wobei Karas in den bisher vorliegenden Zahlen deutlich hinter Winzig und Edtstadler liegt. Ausständig sind aber noch viele Briefwahlstimmen sowie das steirische Ergebnis, wo die vom Bauernbund unterstützte Kandidatin Schmiedtbauer stark abschneiden dürfte.
oe24 berichtete natürlich auch heute wieder LIVE