Neujahrsansprache

Fischer: Krise ist noch nicht überwunden

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Der Bundespräsident begrüßt die Mindestsicherung und fordert verstärkte Anstrengungen beim Klimaschutz.

Zum zweiten Mal in Folge stand die Neujahrsansprache von Bundespräsident Heinz Fischer auch heuer im Zeichen der Wirtschaftskrise. Österreich habe sich im schwierigen Jahr 2009 zwar "alles in allem gut geschlagen". Aber auch 2010 werde "nicht einfach sein; die Krise ist noch nicht überwunden", sagte Fischer und forderte "weiterhin ganz besondere Anstrengungen" im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit ein. Deutlich verstärkte Anstrengungen hält er im Bereich Klimaschutz für nötig.

Denn die Weltkonferenz von Kopenhagen habe zu diesem entscheidenden Zukunftsthema "leider nicht die erhofften konkreten Resultate mit verbindlichen Maßnahmen" gebracht. Das dürfe aber kein Grund zur Resignation sein, im Gegenteil: "Wir müssen unsere Anstrengungen auf diesem Gebiet in Österreich und auf internationaler Ebene deutlich verstärken." Jeder Einzelne sei es den Kindern und Enkelkindern schuldig, zumutbare Beiträge zur Verringerung von Emissionen zu leisten.

Mindestsicherung begrüßt
Die Wirtschaftskrise habe 2009 viele wirtschaftliche und soziale Probleme mit sich gebracht. 2010 dürfe Österreich zwar wieder ein Wirtschaftswachstum erwarten. Dieses werde aber voraussichtlich noch zu schwach sein, um ein weiteres Ansteigen der Arbeitslosigkeit zu verhindern, merkte Fischer an - und forderte nicht nur weitere Maßnahmen gegen die Arbeitslosigkeit, sondern auch im Bereich Bildung, Wissenschaft und Forschung.

Ausdrücklich begrüßte der Bundespräsident, dass 2010 die bedarfsorientierte Mindestsicherung verwirklicht werden soll. Dabei hielte er es für falsch, "soziale Gerechtigkeit gegen das Leistungsprinzip auszuspielen - und umgekehrt". Denn "wir brauchen beides - eine leistungsfähige und menschliche Gesellschaft".

Hypo thematisiert
Fischer ging in seiner Ansprache auch auf den "Beinahe-Konkurs einer großen Bank mit Sitz in Kärnten" - also der Hypo Group Alpe Adria - ein. Er plädierte in diesem Zusammenhang nicht nur für wirksamere Kontrollen, sondern auch "ein höheres Maß an Korrektheit, an Wirtschaftsethik und an Verantwortung gegenüber dem Gemeinwohl". In der öffentlichen Aufarbeitung solcher Themen hält das Staatsoberhaupt "mehr Diskussionskultur" und "mehr Bereitschaft zur Selbstkritik" für notwendig.

Für das Jahr 2010 mahnte Fischer schließlich noch "mehr Sachlichkeit, mehr Rücksichtnahme auf den Nächsten, mehr politische Kultur und mit Leben erfüllte Grundwerte" ein. Auf dieser Basis könne man dem Neuen Jahr mit Zuversicht entgegenblicken, meinte das Staatsoberhaupt.

Die Neujahrsansprache des Bundespräsidenten im Wortlaut:

Guten Abend, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Ich hoffe, dass der Jahreswechsel bei Ihnen allen gut verlaufen ist, sodass ich Ihnen am ersten Tag des neuen Jahres von ganzem Herzen ein gutes und friedliches Jahr 2010 wünschen kann. Das vergangene Jahr war in vielen Bereichen so, wie man es zu Jahresbeginn erwarten musste: Es war ein schwieriges Jahr im Schatten einer weltweiten Wirtschaftskrise, also ein Jahr mit vielen wirtschaftlichen und sozialen Problemen.

Vor diesem Hintergrund hat sich Österreich - alles in allem - gut geschlagen. Auch das noch ganz junge Jahr 2010 wird nicht einfach sein; die Krise ist noch nicht überwunden. Wir dürfen zwar heuer wieder ein Wirtschaftswachstum erwarten, aber dieses Wachstum wird voraussichtlich noch zu schwach sein, um ein weiteres Ansteigen der Arbeitslosigkeit zu verhindern. Daher müssen dem Kampf gegen die Arbeitslosigkeit weiterhin ganz besondere Anstrengungen gewidmet werden. Und ebensolche Anstrengungen sind - man kann es nicht oft genug sagen - auch im Bereich von Bildung, Wissenschaft und Forschung notwendig.

Liebe Österreicherinnen und Österreicher!

Die Qualität einer Gesellschaft kann man nicht zuletzt daran messen, wie sie mit den Schwächsten, mit Schutzbedürftigen und mit Minderheiten umgeht. Daher begrüße ich es auch, dass wir noch im heurigen Jahr mit der Verwirklichung einer bedarfsorientierten Mindestsicherung -für jene, die es brauchen - rechnen können. Dabei hielte ich es für falsch, soziale Gerechtigkeit gegen das Leistungsprinzip auszuspielen - und umgekehrt. Wir brauchen beides - eine leistungsfähige und menschliche Gesellschaft.

Aus gutem Grund ist - über Parteigrenzen hinweg - die Soziale Marktwirtschaft die gemeinsame Grundlage unserer Wirtschafts-Philosophie; Und soziale Marktwirtschaft ist etwas ganz anderes als Maßlosigkeit und Rücksichtslosigkeit bei der Jagd nach dem schnellen Geld und der höchsten Rendite. Dass hier Grenzen überschritten wurden, die man nicht überschreiten darf, hat zu der Finanz- und Wirtschaftskrise zweifellos beigetragen.

Wenn wir zum Beispiel an den jüngsten Beinahe-Konkurs einer großen Bank mit Sitz in Kärnten denken, der nur durch ein rasches Eingreifen der Bundesregierung und anderer Institutionen verhindert werden konnte, dann steht fest: wir brauchen nicht nur wirksamere Kontrollen, sondern auch ein höheres Maß an Korrektheit, an Wirtschaftsethik und an Verantwortung gegenüber dem Gemeinwohl. Und wenn solche und ähnliche Themen öffentlich erörtert und aufgearbeitet werden, ist mehr Diskussionskultur und mehr Bereitschaft zur Selbstkritik notwendig. Das wären auch wichtige Beiträge zur Reduzierung von Parteien- und Politikverdrossenheit.

Liebe Österreicherinnen und Österreicher!

Im vergangenen Jahr hat sich auch auf europäischer Ebene sehr viel getan. Ein neues Europaparlament ist gewählt worden, eine neue EU-Kommission ist in Bestellung begriffen, und der von allen Mitgliedsstaaten gemeinsam ausgearbeitete Vertrag von Lissabon ist in Kraft getreten. Dieser Vertrag ist von manchen sehr kritisch und sorgenvoll betrachtet worden. Ich bin aber überzeugt, dass vom ersten Tag des neuen Jahres an bewiesen wird, dass viele Behauptungen und Befürchtungen im Zusammenhang mit dem Lissabon-Vertrag unbegründet sind. Außerdem hat uns die europäische Zusammenarbeit und insbesondere die Teilnahme an der Europäischen Währungsunion gerade in Zeiten der Wirtschaftskrise sehr geholfen. Das sollten wir nicht vergessen.

Liebe Österreicherinnen und Österreicher!

In der wichtigen Frage der Klimapolitik ist es zwar gelungen, in Europa gemeinsame Positionen zu erarbeiten. Die Weltkonferenz von Kopenhagen hat aber zu diesem entscheidenden Zukunftsthema leider nicht die erhofften konkreten Resultate mit verbindlichen Maßnahmen erbracht. Das darf aber keinesfalls Grund zur Resignation sein.

Ganz im Gegenteil: Wir müssen unsere Anstrengungen auf diesem Gebiet in Österreich und auf internationaler Ebene deutlich verstärken. Jeder Einzelne von uns ist es seinen Kindern und Enkelkindern schuldig, zumutbare Beiträge zur Verringerung von Emissionen zu leisten und unser ökologisches Bewusstsein zu stärken.

Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Der Jahreswechsel ist auch ein guter Anlass, ein Wort des Dankes zu sagen an alle, die sich im abgelaufenen Jahr in den verschiedensten Funktionen um eine gute Entwicklung unserer Heimat, der Republik Österreich, bemüht haben. Und für das kommende Jahr darf ich jene Werte und Prinzipien, die ich vorhin angesprochen habe, besonders in Erinnerung rufen und unterstreichen. Unser demokratisches System benötigt mehr Sachlichkeit, mehr Rücksichtnahme auf den Nächsten, mehr politische Kultur und mit Leben erfüllte Grundwerte.

Auf dieser Basis können wir gemeinsam dem Jahr 2010 mit Zuversicht entgegenblicken.

Ich wünsche Ihnen alles Gute und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

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