Grüne geben Startschuss für Verhandlungen

Heute türkis-grüne Verlobung

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Koalitionsgespräche zwischen Grüne und ÖVP starten bereits Donnerstag oder Freitag – Untergruppen kommen.

„Der Sonntag gehört den Grünen“, hieß es aus der ÖVP. Nach der Sondierungsphase der beiden Parteien treffen sich die Ökos heute um 12 Uhr Mittag zu einem erweiterten Bundesvorstand in der Wiener Urania. das 29-köpfige Gremium wird darüber abstimmen, ob die Grünen mit der ÖVP Koalitionsverhandlungen starten. „Wir werden einen sehr offenen Austausch haben“, sagt Abgeordnete Ewa Ernst-Dziedzic, die die Sitzung heute leitet.

Stimmen die Grünen heute
einstimmig für Verhandlung?

Hinter den Kulissen hoffen alle auf ein sehr eindeutiges Ergebnis für Verhandlungen. Schließlich sitzen in dem erweiterten Bundesgremium von fast jedem Bundesland zwei Ländervertreter – Rudi Anschober, Ingrid Felipe, Johannes Rauch … –, die als konstruktiv gelten zum Teil seit Jahren mit der ÖVP regieren. Dazu kommt der Bundesvorstand rund um Parteichef Werner Kogler, der das Ergebnis um 16 Uhr verkünden wird.

Die ÖVP-Parteigranden treffen dann um 20 Uhr in der Politischen Akademie zusammen. Auch hier läuft alles darauf hinaus, es mit den Grünen zu versuchen. Die niederösterreichische Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner sagt im ÖSTERREICH-Interview: „Von außen betrachtet, liegen Verhandlungen nach den wochenlangen Sondierungen auf der Hand.“

Donnerstag oder Freitag als erste Verhandlungstage

Läuft alles nach Plan, wird ÖVP-Chef Sebastian Kurz den Verhandlungsstart am Montag um zehn Uhr offiziell verkünden. Dann geht es Schlag auf Schlag: Nach der Nationalratssitzung am Mittwoch setzen sich die Verhandler spätestens Donnerstag oder Freitag erstmals zusammen. Untergruppen werden gebildet, allerdings deutlich weniger als bei den türkis-blauen Verhandlungen.

Die ÖVP strebt an, dass die Regierung bis Weihnachten steht – da sind aber viele skeptisch.

Mikl-Leitner
© APA/HANS PUNZ

Mikl-Leitner: "Verhandlung mit Grünen liegt auf der Hand"

Landeschefin Johanna Mikl-Leitner beharrt im Interview mit ÖSTERREICH auf wichtige Verkehrsprojekte in Niederösterreich.

ÖSTERREICH: Sie haben bei dem Treffen der Landeschefs einige Beschlüsse gefasst. Was wollen Sie einer künftigen Regierung mit auf den Weg geben?

Johanna Mikl-Leitner: Das wichtigste Thema war sicher die Gesundheit. Da gibt es klare Forderungen der Länder. Wir müssen die ärztliche Versorgung der Menschen für die Zukunft sicherstellen. Daher brauchen wir mehr Studienplätze für Medizin und die Med-Unis brauchen natürlich entsprechend mehr Mittel.

ÖSTERREICH: Auch das Thema Klimaschutz stand auf der Tagesordnung. Hoffen Sie da auf die Grünen?

Mikl-Leitner: Es gibt Herausforderungen der Zukunft, egal, wie die künftige Bundesregierung aussieht. Wir brauchen etwa bessere Förderungen im Bereich der erneuerbaren Energie.

ÖSTERREICH: Ist das Rennen um türkis-grüne Verhandlungen aus Ihrer Sicht gelaufen?

Mikl-Leitner: Von außen betrachtet liegen Verhandlungen nach den wochenlangen Sondierungen auf der Hand. Ob es inhaltlich richtig ist, werden wir am Sonntagabend entscheiden.

ÖSTERREICH: Im Verkehrsbereich könnte eine türkis-grüne Koalition aber gerade auf Niederösterreich große Auswirkungen haben – Stichwort dritte Piste am Flughafen, Lobau-Tunnel oder Waldviertel-Autobahn.

Mikl-Leitner: Jeder, der Niederösterreich kennt, weiß, dass in diesem großen Flächenbundesland Straße, Schiene und öffentlicher Verkehr gleichermaßen eine wichtige Rolle spielen. Wir haben noch viel Aufholbedarf. Bei der dritten Piste geht es generell um ein staatspolitisches Interesse. Und sind wir uns doch ehrlich: Es fliegt kein einziges Flugzeug weniger über Österreich, wenn statt Schwechat die Flughäfen und damit Arbeitsplätze in Prag oder Bratislava ausgebaut werden.

ÖSTERREICH: Muss die ÖVP in den Verhandlungen auf diesen Projekten beharren?

Mikl-Leitner: Die letzten Wochen der Sondierungen wurden genutzt, um Vertrauen aufzubauen. Ich werde sicherlich keinerlei Empfehlungen abgeben, was im Detail inhaltlich zu verhandeln ist, weil ich nicht von außen das erarbeitete Vertrauen beschädigen will. Debora Knob

Voggenhuber
© APA/ROLAND SCHLAGER

Ex-Grünen-Chef Voggenhuber: "Chance liegt bei 60 zu 40"

Grünen-Urgestein ­Johannes Voggenhuber ist für Verhandlungen zwischen ÖVP und Grünen.

ÖSTERREICH: Was sagen Sie zu den Türkis-Grün-Sondierungen?

Johannes Voggenhuber: Man kann noch nicht viel sagen – auffällig ist aber, dass ein Thema – Europa – noch nicht erwähnt wurde. Da beschränkt man sich offenbar auf das nationale Spielfeld – und orientiert sich nicht dorthin, wo die Musik spielt.

ÖSTERREICH: Wenn man Sie vor einem Monat gefragt hätte …

Voggenhuber: … hat man. Und ich habe gesagt, ich schätze die Chance 60 zu 40 ein. Bei den Grünen liegt jetzt eine große Verantwortung – es gibt viele Menschen, die 24 Stunden dafür beten, dass es keine Wiederholung dieses türkis-blauen Experiments gibt.

ÖSTERREICH: Also sind Sie für Verhandlungen?

Voggenhuber: Ich war schon 2003 dafür – und habe ja auch selbst mit der ÖVP mitverhandelt. Aber es passiert jetzt schon wieder eines: Da wird eine Wirtschaftskrise an die Wand gemalt, die es ja noch gar nicht gibt. So sollen die Grünen zu Wirtschaftsliberalen gemacht werden.

Österreich: Also kann das nicht klappen?

Voggenhuber: Die entscheidende Frage ist doch: Wie wendig ist Kurz? Kann man jemanden, der eine „ordentliche Mitte-rechts-Politik“ machen will, von der viele sagen, dass sie eigentlich nur noch rechts ist, in eine andere Richtung ziehen?(gü)

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