Nach der Ablehnung der Iren zum EU-Vertrag suchen Kanzler Gusenbauer und Amtskollegin Merkel vor dem Match Ö-Deutschland einen Weg aus der Krise.
Nach der eindeutigen Ablehnung des EU-Reformvertrags durch Irland hängt Europas Regierungsspitze in den Seilen. Betroffenheit herrscht vor allem auf der Grünen Insel selbst. „Irland ist derzeit extrem isoliert, weil wir das einzige Land sind, das den Vertrag von Lissabon abgelehnt hat“, fasst der Staatssekretär für Integration, Conor Lenihan, die Stimmung im Land zusammen.
Merkel bei Gusenbauer
Um einen Ausweg aus der EU-Krise zu
suchen, wird die deutsche Kanzlerin Angela Merkel am Montag mit
Bundeskanzler Alfred Gusenbauer in Wien zusammentreffen. Dabei soll die
weitere Marschrichtung besprochen werden. Dem Vernehmen nach wird Gusenbauer
dabei die unkonkrete Parole „Zurück an den Start“ ausgeben.
Fußball statt Europa
Am Abend wird aber König Fußball
regieren: Merkel und Gusenbauer werden sich gemeinsam das Match Österreich
gegen Deutschland ansehen. Das Krisentreffen in Wien bildet nur den Auftakt
für den EU-Rat der Staats- und Regierungschefs am Donnerstag und Freitag in
Brüssel. Dort sollen erstmals konkrete Vorschläge auf den Tisch gelegt
werden.
Notfalls ohne Irland
Wie die aussehen könnten, ließ bereits der
deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier anklingen. Er will notfalls
ohne Irland weitermarschieren: Es gebe die Möglichkeit, „dass Irland eine
Zeit lang den Weg freimachen wird für eine Integration der restlichen 26
Mitgliedstaaten“, sagte Steinmeier am Samstag in Peking. Großbritannien
lehnt die Idee eines "Europa der zwei Geschwindigkeiten" ab. "Das war 1990
auf der Tagesordnung, nicht im 21. Jahrhundert", so der britische
Außenminister David Miliband.
Irisches Nein ist "kein "Supergau"
Für
ÖVP-Außenministerin Ursula Plassnik ist das Nein der Iren zum
EU-Reformvertrag kein "Supergau", aber ein "herber Rückschlag". Nun müsse
man die Gründe für diese Entscheidung herausfiltern, so Österreichs
Chefdiplomatin am Sonntag im ORF. Die irische Ablehnung sei kein Nein zu
Europa gewesen, also müsse man jetzt die 27 EU-Mitgliedstaaten
zusammenhalten. Als möglichen nächsten Schritt schließt Plassnik eine
nochmalige Abstimmung nicht aus. Eine weitere Überarbeitung des
EU-Reformvertrags von Lissabon hält sie dagegen für unrealistisch.
EU-weites Referendum
Seine österreichische Amtskollegin Ursula
Plassnik hält dagegen an der Forderung eines EU-weiten Referendums fest: „Es
hat sich leider bewahrheitet, was wir immer wieder gesagt haben: Ein
Fleckerlteppich an nationalen Volksabstimmungen bringt das gemeinsame Europa
nicht voran“, so Plassnik. Wie ratlos die Gremien nach Irlands Nein
tatsächlich sind, gestand Kommissionspräsident José Manuel Barroso in
erschütternder Offenheit ein: „Wie die Lösung aussehen wird, kann ich heute
nicht sagen“, so Barroso am Samstag.
EU wird unregierbar
Der größte Stolperstein nach dem vorläufigen
Scheitern des Vertrags besteht für Experten in der weitgehend gelähmten
Entscheidungsfindung in der EU: In der Kommission werden weiterhin alle
EU-Staaten vertreten sein. In der EU-Innen- und Justizpolitik wird das
Einstimmigkeitsprinzip bei Abstimmungen bleiben. Reformen der EU müssen auf
den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben werden.