Für Experten

Haider hat Polit-Kommunikation grundlegend verändert

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Haider brachte Professionalisierung der politischen Kommunikation nach Österreich 

Jörg Haider hat nach Meinung von Politologen und Meinungsforschern die Art der politischen Kommunikation im Land stark verändert. Der vor zehn Jahren verstorbene Ex-FPÖ-Chef und BZÖ-Gründer habe die Professionalisierung in diesem Bereich nach Österreich gebracht, sagte Politikwissenschafter Peter Filzmaier im Gespräch mit der APA. Gescheitert sei er schlussendlich am Wechsel in die Regierungsrolle.
 

Hoher Professionalisierungsgrad

Haider, der vor zehn Jahren, am 11. Oktober 2008, als Kärntner Landeshauptmann mit seinem Auto in den Tod gerast war, habe erkannt, dass emotionale Elemente und das Suchen von Konflikten wichtige Hilfsmittel von öffentlichkeitswirksamer Kommunikation waren, meint auch Meinungsforscher Wolfgang Bachmayer (OGM). "Sicherlich hat Haider (...) - beginnend vor 30 Jahren - den politischen Diskurs in hohen Maße bestimmt und im wesentlichen die kritische Distanz der Wählerschaft zum politischen traditionellen Parteiensystem de facto begründet. Vorher gab es keine wirkliche Opposition", sagte Bachmayer.
 
Filzmaier verwies im Gespräch mit der APA auf den hohen Professionalisierungsgrad, den Haider kommunikationstechnisch in die heimische Innenpolitik gebracht habe. Zunächst habe er die enttäuschten Wähler aus dem bürgerlichen Lager ansprechen können, später auch die Angestellten mit kleinerem Einkommen wie auch die Arbeiterschicht, bei denen zuvor alleine die SPÖ den Vertretungsanspruch gehabt habe.
 

Inszenierungen

Der Polit-Wissenschafter hob zudem die aus US-Wahlkämpfen übernommenen Strategien Haiders hervor, wie die großen Inszenierungen mit pompöser Musik-Unterstützung (z.B. mit der Europe-Hymne " ́The Final Countdown") beim Einzug in Veranstaltungshallen. Auch das berühmte "Taferl" sei nicht Haiders Erfindung gewesen, sondern habe er aus den USA übernommen. In der strategischen Planung und der medialen Inszenierung sei Haider sowohl SPÖ wie auch ÖVP "um Jahre voraus gewesen". Zwar hätte eine derartige Modernisierung der politischen Kommunikation früher oder später auf jeden Fall stattgefunden, Haider aber sei in diesem Bereich der Vorreiter in Österreich gewesen.
 
Die heimische politische Kultur hat Haider damit auf jeden Fall verändert, befand Filzmaier. Es sei eine Entwicklung weg vom Stammtisch hin zu lokalen Veranstaltungen passiert. Haider sei von Veranstaltung zu Veranstaltung gereist, habe sich dazu mehrmals umgezogen und sich den jeweiligen Gegebenheiten angepasst.
 
Zudem habe Haider Rechts- und Linkspopulismus miteinander kombiniert, wenngleich er natürlich seine Wurzeln im Rechtspopulismus gehabt habe. Bei sozialen Themen bespielte er die linkspopulistische Klaviatur, "natürlich nur für die 'eigenen Leute'", wie der Politologe anmerkt. Bei Zuwanderer- und Sicherheitsfragen aber befand sich Haider klar im rechtspopulistischen Spektrum. Und er habe auch seine Wurzeln (Haiders Eltern waren NSDAP-Anhänger) bedient, meinte Filzmaier. Diese Taktik habe er aber gut variiert, als er merkte, dass er damit anstand.

Populismus

Für den Meinungsforscher Peter Hajek (Public Opinion Strategies) hat Haider den Rechtspopulismus zwar nicht erfunden, dies habe schon Karl Lueger (der Zuwanderergruppen gegeneinander ausspielte und offen antisemitisch agitierte, Anm.) getan. Aber Haider habe für einen "Kulturbruch" in der Zweiten Republik gesorgt, indem er aus dem Korsett der "Kompromissdemokratie" - bestehend aus verschiedenen Säulen wie etwa den Sozialpartnern - ausgebrochen sei. "Das hat er aufgebrochen", so Hajek. Mit Haider habe es keine Kompromisse gegeben, zumindest bis zur Regierungsbeteiligung unter Schwarz-Blau I (ab dem Jahr 2000) nicht, so der Meinungsforscher. "Er hat dieses ganz spezielle sozialpartnerschaftliche Proporzsystem angegriffen", weil er gemerkt habe, dass dieses System "nicht mehr nur Befürworter hat".
 
Diese Befund teilt auch Filzmaier: Haider habe es erkannt, dass die Logik des politischen Systems der Jahre 1945/1950, der Proporz, irgendwann nicht mehr zeitgemäß war. Er habe es geschafft, den zunehmenden Ruf nach einer Systemveränderung in Stimmen für die FPÖ zu kanalisieren. Auch für Bachmayer waren die Veränderung der politischen Kommunikation und die Angriffe auf die etablierte Politik das Maßgebliche unter Haider.
 

Auswirkungen auf SPÖ

Bachmayer verwies auch auf eine Auswirkung auf die SPÖ: Diese habe sich - zur Zeit, als es schon "Abflachungserscheinungen" des "sozialdemokratischen Jahrhunderts" gegeben habe - durch den Aufstieg Haiders auf eine "relative bequeme, lange Zeit funktionierende Position zurückgezogen", indem sie sich über die Gegnerschaft zu Haiders Rechtspopulismus definiert habe. Damit habe die Sozialdemokratie aber politische Positionsveränderungen verschlafen, vor allem in der Migrationsfrage, meinte Bachmayer. Den Beginn dieser Tendenz sieht er in der Ausgrenzungspolitik Franz Vranitzkys gegenüber der FPÖ begründet - und diese habe innerhalb der SPÖ "zu einer ideologischen Bewegungslosigkeit" geführt, "die heute der Sozialdemokratie in Österreich und ganz Europa auf den Kopf fällt".
 
Gescheitert sei Haider letztlich strategisch am Wechsel in die Regierungsrolle, so Filzmaier. "Und natürlich auch daran, dass die Populismen an Grenzen stoßen", das Land Kärnten sei irgendwann pleite gewesen. Hier zeige sich auch ein deutlicher Unterschied zu FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache: Während Haider an der Regierungsbeteiligung gescheitert ist, habe Strache das erste Jahr in der türkis-blauen Koalition "ganz gut überstanden".
 
Auch Hajek sieht letztendlich kein erfolgreiches Wirken Haiders: "Bei aller Prägung, die Jörg Haider der politischen Landschaft mitgegeben hat in den 30 Jahren seines Wirkens: On the long run war es nicht erfolgreich", verwies er auf die Beinahe-Pleite Kärntens, "von Korruption und Nepotismus ganz zu schweigen". 2002 habe sich Haider "selbst aus der Regierung gesprengt" und damit die Hoffnungen der Wähler enttäuscht. Dem Anspruch, ein verlässlicher Politiker zu sein, sei er "schlicht und ergreifend nicht gerecht geworden", so Hajek.
 
Die heutige FPÖ würde sich vor allem "in der persönlich bedingten höhere Berechenbarkeit der jetzigen Parteispitze" von der Haider-FPÖ unterscheiden, so Bachmayer. Auch für Hajek ist Strache "in seiner politischen Ausrichtung viel stringenter".
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