'Kann nicht zur Tagesordnung übergehen' - Altpräsident kritisiert Vorgänge im Innenministerium
Alt-Bundespräsident Heinz Fischer übt scharfe Kritik an den jüngsten Vorgängen im Innenministerium. Man könne hier "nicht zur Tagesordnung übergehen", sagte Fischer in einem APA-Interview anlässlich seines 80. Geburtstages am Dienstag nächster Woche. "Besorgt" zeigt er sich auch über die Flüchtlingspolitik der türkis-blauen Regierung.
Zum Zustand der Demokratie in Österreich hält das frühere Staatsoberhaupt zunächst fest, dass diese über fast ein dreiviertel Jahrhundert einen Prozess der Stabilität, Akzeptanz und Festigung durchlebt habe. Allerdings gebe es keine perfekte Regierungsform und auch keine perfekte Demokratie. "Die Demokratie ist immer nur so gut, wie die Menschen die demokratischen Spielregeln befolgen." Er habe hohes Vertrauen in die österreichische Demokratie, sagte Fischer, "aber man muss wachsam sein".
"Sehr besorgt"
Konkret auf das Innenministerium angesprochen stellte Fischer zur BVT-Affäre fest: "Es macht einen sehr besorgt, wie das abgelaufen ist." Und wenn aus dem Innenministerium der Aufruf komme, die Medien nicht nach dem Grundsatz der Neutralität und der fairen Gleichbehandlung zu behandeln, sondern zwischen braven und weniger braven zu unterscheiden, "dann muss man das sehr ernst nehmen. Das ist Nichts, wo man zur Tagesordnung übergehen kann. Wenn sich eine solche Reihe von inakzeptablen Verhandlungsweisen fortsetzt, wird das immer mehr zur Grundsatzfrage werden." Den Rücktrittsaufforderungen der Opposition an Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) will sich Fischer zwar nicht direkt anschließen. Eine Entscheidung darüber hätten der Bundespräsident, der Bundeskanzler oder der Nationalrat zu treffen. Er hält es aber für "legitim", wenn manche den Minister als nicht mehr tragbar bezeichnen. Und Fischer kann sich auch vorstellen, dass etwa in Großbritannien die Reaktionen stärker ausfallen würden.
Die türkis-blaue Koalition ist für den Alt-Bundespräsidenten eine "Rechts-Regierung, in der starke rechtspopulistische Kräfte vertreten sind". Und wenn Kickl in dieser Regierung als Innenminister eine zentrale Funktion einnehme, dann sei diese "von einem pluralistischen Liberalismus weit entfernt".
Mit den rechtspopulistischen Regierungen in Ungarn oder Polen oder mit Donald Trump in den USA will Fischer die österreichische Regierung aber nicht vergleichen. Wenn man hier "ein Ist-Gleich-Zeichen" setzen müsste, dann "würde mich das in Alarmstimmung versetzen. Aber da gibt es doch Unterschiede, Gott sei Dank". Man müsse jedoch die Entwicklung beobachten, meinte Fischer. Es gebe nicht nur in Österreich sondern in ganz Europa Tendenzen zu einer stärkeren nationalistischen Einstellung und zu leichtfertigem Populismus. "Diese Tendenzen sind nicht gut für eine pluralistische, liberale Demokratie."
Flüchtlingspolitik
"Nicht einverstanden" ist das frühere Staatsoberhaupt auch mit der Flüchtlingspolitik der Regierung. Fischer gesteht zwar zu, dass zur Lösung der quantitativen Probleme Österreich nicht das Land der "unbegrenzten Möglichkeiten" sein könne. Ein anderes Problem ist es aber, wie man dem einzelnen Flüchtling, dem einzelnen Menschen gegenübertrete, ob man bereit sei, die Grundstandards einzuhalten und allen die gleiche Menschenwürde zuteilwerden lasse. Wenn man Aversionen gegen Flüchtlinge spüre und eine gezielte Politik betrieben werde, "um Flüchtlinge aus dem Land hinaus zu vergraulen" - auch indem man sie etwa bei der Mindestsicherung herabstuft - dann sei er "sehr besorgt", sagte Fischer.
Positiv sieht Fischer die Tätigkeit als Regierungskoordinator für das Gedenkjahr. Die Arbeit müssten zwar andere beurteilen, er bekomme aber viele positive Reaktionen und glaube, dass es gelungen ist, sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht Maßstäbe zu setzen. Der allergrößte Teil der Vorbereitungen ist abgeschlossen, aber in den letzten drei Monaten werde noch viel Relevantes sichtbar werden - etwa das Gedenken an die Pogromnacht der brennenden Synagogen, der 100. Jahrestag des Endes des ersten Weltkriegs, der Republiks-Geburtstag am 12. November in der Staatsoper, eine Matinee im Burgtheater oder der 100. Jahrestag zum Grundsatzbeschluss des Frauenwahlrechtes.
Die Krise der Sozialdemokratie in den meisten Ländern Europas führt der frühere SPÖ-Politiker einerseits darauf zurück, dass das alte Parteiensystem insgesamt an Relevanz verliert. Und die Sozialdemokratie leide mit ihren starken Parteistrukturen stärker darunter als andere. Andererseits befinde man sich heute auch in einer grundlegend anderen Situation als zu Zeiten eines Bruno Kreisky. "Die Geschichte hat keinen Auto-Piloten eingebaut, der einen geradlinigen Kurs sicherstellt." Im historischen Prozess gebe es immer Schwankungen und derzeit schlage die Pendelbewegung nach rechts aus. Aber auch das wird sich eines Tages ändern.
Zustand der SPÖ
Zum Zustand der SPÖ und dem Wechsel von Christian Kern zu Pamela Rendi-Wagner an der Parteispitze wollte Fischer nicht Stellung nehmen. Er bestätigte aber, dass auch nach seinem Ausscheiden aus dem Amt des Bundespräsidenten seine Parteimitgliedschaft weiterhin ruhend gestellt bleibt, obwohl er sich der Sozialdemokratie sehr verbunden fühle. Fischer begründete dies damit, dass ein ehemaliger Bundespräsident parteipolitisch genauso ungebunden sein soll, wie ein amtierender.
Zu seinem Geburtstag wird es neben den Feiern im Kreise der Familie ein Abendessen mit Gästen bei seinem Amtsnachfolger Alexander Van der Bellen geben. Auch der Wiener Bürgermeister lade zu einem Geburtstagsessen ein.