Wahl-Echo

Internationale Pressesetimmen zur Wahl

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"Sie haben Ursula gestürzt!", freut sich die türkische Zeitung "Vatan" über den Verlust der ÖVP. Internationale Pressesetimmen zur Wahl.

In der Berichterstattung der türkischen Zeitungen über die Wahl in Österreich sind am Montag zwei Gesichtspunkte im Vordergrund gestanden: Die Niederlage der ÖVP und der Wahlerfolg der FPÖ, die trotz "rassistischer Aussagen" einen Erfolg gefeiert habe.

"Vatan" (liberales Massenblatt):
"Sie haben Ursula gestürzt! Die Partei von Außenministerin Ursula Plassnik, die sich (im vergangenen Jahr) ganz allein den Beitrittsverhandlungen mit der Türkei widersetzt hatte, ist von 42 auf 34,3 Prozent abgestürzt. Die rechtsradikale FPÖ, die alle im Land befindlichen Zuwanderer hinauswerfen lassen will, ließ mit 11,2 Prozent die Grünen hinter sich. Mit diesen Ergebnissen fällt eine rot-grüne Koalition ins Wasser."

Die Straßburger "Dernières Nouvelles d'Alsace" (DNA) erwarten nach dem überraschenden Wahlsieg der SPÖ in Österreich schwierige Koalitionsverhandlungen:

"Das Gefeilsche zwischen den politischen Gruppen dürfte Wochen dauern. Doch wir müssen den Ausgang vom Sonntag noch genauer analysieren - vielleicht ist dies ja eine Warnung für alle Rechtsparteien in Europa. Die ausgezeichneten wirtschaftlichen Ergebnisse der Schüssel-Mannschaft haben die Wähler nicht überzeugt. Sie wurden dadurch untergraben, dass keine Verteilung der Einnahmen stattfand und zudem das Sozialversicherungssystem geschwächt wurde. Und dann ist da noch das Problem der Einwanderung (...), mit dem die demokratischen Parteien nicht umgehen können. Zur großen Freude der virulenten Rechtsextremen, die mit der Ausländerfeindlichkeit ihr Geschäft machen."

"Neue Zürcher Zeitung":
"Eher überraschend ist die Tatsache, dass doch ein großer Teil der Wahlberechtigten kein Auge für die unbestreitbaren Erfolge der bisherigen Regierung unter Bundeskanzler Schüssel zu haben scheint. Es macht den Anschein, als sei eine gesunde Wirtschaft bereits eine Selbstverständlichkeit, vor deren Hintergrund man nun wieder idealistischere politische Ziele anstreben kann. (...)

In den wichtigsten politischen Bereichen wären von einer Neuauflage der großen Koalition keine seismischen Erschütterungen zu erwarten - geringere jedenfalls, als dies im Falle einer Regierungsbeteiligung der Grünen zu erwarten gewesen wäre. Die Grünen sind für ihren vorsichtigen Kurs der Distanz gegenüber beiden Volksparteien schlecht belohnt worden. Offenkundig ist ihr Profil bei ihrer Unverbindlichkeit zu unscharf geblieben. Sie werden wohl für einige Zeit in der Opposition verbleiben."

"Corriere della Sera" (Mailand):
"Die Arithmetik des Wahlergebnisses bestätigt, falls es nicht doch noch große Überraschungen geben sollte, dass der neue Mann in der Wiener Hofburg Alfred Gusenbauer sein wird. Und dass eine Große Koalition zwischen ÖVP und SPÖ das Land regiert, in der Wolfgang Schüssel allerdings keine Rolle spielen wird. Unwahrscheinlich ist es dagegen, dass dieser seine Wahlversprechen bricht und versucht, eine Dreierkoalition mit den beiden Parteien der extremen Rechten zu bilden.

Schüssel zahl den Preis für eine Politik, die die Staatsfinanzen saniert, die Steuern verringert und die Wirtschaft liberalisiert hat, die aber am Ende die Mittelschichten schwer bestraft und vor allem den Gesundheits- und den Bildungssektor stark vernachlässigt hat."

"Dagens Nyheter" (Stockholm):
"Man fragte sich, nicht zuletzt seitens der ÖVP, ob Geld in die Parteikasse der Sozialdemokraten geflossen war, unter dem Gesichtspunkt der engen Bande zwischen den Beteiligten. Die Untersuchung wurde vor der Wahl fertig, aber bisher nicht veröffentlicht. Gleichzeitig kam die Enthüllung des Nachrichtenmagazins 'profil' am Sonntag davor: Wolfgang Schüssel war mit einem BAWAG-Jet nach Bulgarien gereist und da saß Schüssel auf einem Foto in einem vertraulichen Gespräch mit dem BAWAG-Schurken Elsner.

Das kann für viele das Fass zum Überlaufen gebracht haben, obwohl Schüssel gesagt hatte, dass er die Reise für das Wohl des Landes unternommen hatte. Wem kann man noch vertrauen? Politik ist doch nur Gezänk und Streit, sie sind doch alle gleich. (...) Die Frage ist nun, ob die Regierungsverhandlungen das Vertrauen in die österreichische Politik wiederherstellen werden. Einiges spricht dafür, dass dies nicht der Fall sein wird."

"Luxemburger Wort":
"Der klare Favorit, Amtsinhaber Wolfgang Schüssel, wurde überraschend abgestraft, Oppositionsführer Alfred Gusenbauer unverhofft zum Wahlsieger. Zugleich fällt das Wahlergebnis so aus, dass die beiden großen Volksparteien ÖVP und SPÖ zusammengehen müssen, wenn die nächste Regierung auch wirklich regierungsfähig sein soll. In Anspielung auf das Resultat der Bundestagswahlen vom vergangenen September spricht man in Wien von deutschen Verhältnissen. Angesichts der Mehrheitsverhältnisse führt wohl keine Weg an einer großen Koalition (wie es sie schon 1987-2000 gab) vorbei. Denn keine der kleinen Parteien, FPÖ, BZÖ und Grüne, kann künftig allein Zünglein an der Waage spielen. Gerade den Rechtsauslegern wird wohl niemand eine Träne nachweinen. Österreich kehrt also zum politischen Mainstream zurück. Doch birgt eine Große Koalition bei allen Vorzügen auch Gefahren etwa jene einer Lähmung der Politik durch überzogenen Konsensualismus wie gerade der Blick auf Berlin lehrt."

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