Sonntag, 20.15 Uhr auf oe24.TV

Kanzler Kurz sagt Pflege- und Steuerreform an

Teilen

ÖVP-Kanzler Kurz zieht im großen oe24.TV-Interview Bilanz nach einem Jahr und verrät seine Plän.

Sebastian Kurz steht am Samstag auf der Bühne vor 365 Unterstützern und erinnert sich 365 Tage zurück – an den 13. Oktober 2017.

■ Rückblick: „Mir ist es furchtbar gegangen“, erzählt der nunmehrige Kanzler bei einer Tagung, auf der die ÖVP den Jahrestag der Nationalratswahl zelebriert. Damals, zwei Tage vor der Wahl, sei er „fix und fertig vom anstrengenden Wahlkampf“ gewesen. Und angespannt, weil es ihm nicht liege „nur zu sitzen und abzuwarten“. Aber so knapp vor einer Wahl könne man eben nichts anderes mehr machen, so der ÖVP-Chef.

■ Flugkapitän: Das Jahr seit seinem fulminanten Wahlsieg habe sich dann angefühlt „wie ein Flug“, zieht „Kapitän Kurz“ – so betitelte ihn VP-Klubchef August Wöginger zuvor – Bilanz: „Wir haben die Wolkendecke durchbrochen, die Reiseflughöhe erreicht und sind jetzt mit voller Geschwindigkeit unterwegs.“

■ Sozial-Ansage: Und von diesem Tempo lasse sich die türkis-blaue Regierung auch von der Kritik, manches ginge zu schnell, nicht abbringen, betonte Kurz. In diesem Sinne hatte er am Wochenende – auch im oe24.TV-Interview (s. rechts) – eine wichtige Ansage parat: „Ich habe die Regierungskoordinatoren sowie die Sozialministerin gebeten, bis zum Jahreswechsel einen Vorschlag zur Sicherung der Pflege vorzulegen.“ Ziel sei es, dass die Pflege, wenn immer möglich, zuhause stattfinde, Pfleger und Angehörige besser unterstützt werden sowie eine nachhaltige Finanzierung sicherzustellen.

■ Fall in der Familie: Er habe in seiner eigenen Familie erlebt, wie es sich anfühle, wenn ein Mensch, der immer alles für alle gemacht habe, „schlagartig selbst auf Hilfe angewiesen ist“, erzählte Kurz von seiner pflegebedürftigen Großmutter: „Ich bin heilfroh, dass meine Oma gut versorgt ist.“

oe24.TV: Genau vor einem Jahr haben Sie diesen Wahlsieg gefeiert. Wie fällt denn Ihre persönliche Bilanz aus?

Sebastian Kurz: Ich bin zunächst einmal dankbar für den Rückenwind und das Vertrauen der Bevölkerung. Es ist schön, Bundeskanzler sein zu dürfen, wenn man auch so viel Kraft und Energie aus der Bevölkerung bekommt.

oe24.TV: Sie haben am Samstag in Ihrer Rede nun auch „soziales Netz“ und Pflege in den Mittelpunkt gerückt. Ist das jetzt auch der Versuch, die Vorwürfe seitens der Opposition zu kontern, dass Ihre Regierung sozial kalt sei?

Kurz: Ich mache nicht Politik für die Opposition, sondern wir tun das, was wir für richtig erachten. Es braucht Sicherheit, ordentliches Wirtschaften, ein ausgeglichenes Budget. Wir brauchen auch ein soziales Netz, für alle, die es brauchen. Für ältere Menschen wird die Pflege einen Schwerpunkt bilden. Die Frage der Pflegefinanzierung möchte ich schnell lösen. Die Debatte über die Finanzierung ist teilweise sehr unwürdig geführt worden. Das sind wir der älteren Generation schuldig und zum anderen zeigt es uns insgesamt, welche Gesellschaft wir sind, wenn wir das Problem immer weiter hinausschieben und uns nicht der Herausforderung stellen. Ich habe daher die beiden Regierungskoordinatoren sowie die Sozialministerin gebeten, bis zum Jahreswechsel einen Vorschlag zur Sicherung der Pflege vorzulegen.

oe24.TV: Bei der Bildung haben Sie 3.000 zusätzliche Arbeitsplätze für Programmierer angekündigt. Wie soll das funktionieren?

Kurz: Wir werden hier bei HTLs und anderen Schulen neue Zweige schaffen und auch die vorhandenen Kapazitäten ausbauen. Es gibt einen immer größeren Bedarf an Programmierern, an IT-Spezialisten. Und da braucht es viele Menschen an unserem Arbeitsmarkt.

oe24.TV: Eine Trendwende wollen Sie auch im Steuersystem schaffen. Aber wie konkret soll Ihre Steuerreform ausschauen?

Kurz: Wir haben im Wahlkampf versprochen, dass wir die Schuldenpolitik in Österreich beenden und sparsam mit Steuergeld umgehen und die Steuern senken wollen. Wir haben das erstmals nach 60 Jahren Schuldenpolitik zustande gebracht, dass wir keine neuen Schulden machen.

oe24.TV: Wie soll diese Steuerreform 2020 ausschauen?

Kurz: Der erste Schritt war ­Anfang des Jahres eine Ent­lastung für Kleinverdiener. Der zweite Schritt war der Familienbonus, die größte steuerliche Entlastung für Menschen mit Kindern, die gleichzeitig arbeiten gehen. Und 2020 wird es eine weitere große Steuerentlastung geben für arbeitende Menschen, und da vor allem für kleinere und mittlere Einkommen.

oe24.TV: Sie planen ­eine Entlastung von mehr als fünf Milliarden Euro?

Kurz: Ich verstehe, dass Sie nachbohren, aber ich bitte Sie darum, noch etwas Geduld zu haben. Es geht jedenfalls um ein Volumen von mehreren Milliarden. Es wird dazu ­führen, dass bis zum Ende der Legislaturperiode die Steuer- und Abgabenbelastung deutlich auf insgesamt 40 % sinkt.

oe24.TV: Gibt es Dinge, die Sie im Nachhinein bereuen? Z. B., dass Sie beim Nichtraucherschutz bei den Verhandlungen nachgegeben haben? Sie wissen, fast 900.000 Menschen haben das Volksbegehren unterschrieben.

Kurz: Wenn wir eine absolute Mehrheit hätten, dann würde ich da und dort gewisse Dinge noch anders machen. Wenn man eine Koalition bilden muss, dann muss man auch Kompromisse eingehen.

oe24.TV: Also eine Volksabstimmung zum Nichtraucherverbot in der Gastronomie schließen Sie definitiv aus?

Kurz: Ja, das schließe ich aus. Wir halten uns an das Regierungsprogramm. Auch wenn ich persönlich Nichtraucher bin und eine sehr klare Meinung zu dieser Frage habe. Ich möchte nur einen sehr positiven Aspekt hervorgreifen: Ich bin allen Menschen dankbar, die sich da engagiert haben bei diesem Volksbegehren.

oe24.TV: Wie konkret soll die Reform der Mindestsicherung jetzt aussehen?

Kurz: Es geht darum, ein gerechteres System zu schaffen. Gerecht heißt aus unserer Sicht, dass nicht Menschen, die noch nie einen Beitrag in Österreich geleistet haben und neu zugewandert sind, gleich viel oder sogar mehr ­bekommen als Menschen, die hier lange gearbeitet und schon viel für unser Land geleistet haben. Künftig soll die Mindestsicherung für Menschen, die nie in unser Sozialsystem eingezahlt haben, jedenfalls reduziert werden.

oe24.TV: Was sagen Sie zu Christian Kerns Rücktritt?

Kurz: Ich hatte durchaus unterschiedliche Auffassungen und Differenzen mit Christian Kern. Das ändert nichts daran, dass ich ihm persönlich alles Gute wünsche und sich sicher noch die Möglichkeit ergibt, mit ihm auch persönlich noch einmal zu reden. Aber ich hoffe schon, dass es vielleicht jetzt die Chance gibt, dass die Sozialdemokratie von der fundamentalen Opposition ablässt und eine konstruktivere Zusammen­arbeit im Parlament für unsere Republik sucht.

oe24.TV: Sehen Sie da in Pamela Rendi-Wagner jemanden, mit dem Sie besser zusammenarbeiten können?

Kurz: Die Koalition steht für diese Legislaturperiode, und wie der Zugang von ihr, Drozda und anderen sein wird, das werden wir sehen.

oe24.TV: Dieser Tage jährte sich Jörg Haiders Todestag zum zehnten Mal. Da diskutiert man auch viel über den langen Schatten Haiders, der in der heutigen Politik noch mitspielt, und man fragt sich, wie viel Haider steckt in Strache? Wie viel Haider steckt in Sebastian Kurz?

Kurz: Ich glaube, gar keiner steckt in mir. Ich kenne meine Eltern, ich kenne meine Großeltern. Ich kenne meine persönliche politische Prägung, insofern kann ich die Frage sehr einfach beantworten. Er ist sicherlich jemand mit viel Licht und Schatten. Er hat die Oppositionspolitik in Österreich geprägt, wie wahrscheinlich kaum ein anderer zuvor. Es gab viele Skandale und Fehlentscheidungen in Kärnten, die uns auch noch lange danach beschäftigt haben. Ich persönlich möchte aber über Tote nicht schlecht reden.

oe24.TV: Nächstes Jahr steht die EU-Wahl an. Die EU ist Ihnen wichtig. Jetzt haben alle Parteien ihre Kandidaten festgelegt, nur bei der ÖVP gibt es noch keinen Kandidaten.

Kurz: Also zum Ersten, wenn wir einen Kandidaten festlegen, dann ändert sich das nachher nicht mehr. Insofern müssen wir das nur einmal tun. Und zweitens, gerade weil uns Europa wichtig ist, konzentrieren wir uns auf unseren Ratsvorsitz. Wir erledigen ordentlich unseren Ratsvorsitz und danach, wenn die Zeit reif ist, werden wir unsere Kandidaten präsentieren.

oe24.TV: Othmar Karas wäre ­Ihrer Meinung nach geeignet als Spitzenkandidat?

Kurz: Ich schätze ihn, er leistet gute Arbeit in Brüssel. Aber, wie gesagt, wenn ich sage, wir treffen die Entscheidung im nächsten Jahr, dann meine ich das auch so.

oe24.TV: Was hat sich in diesem Jahr für Sie persönlich geändert?

Kurz: Das Aufgabenfeld ist vielfältiger und der Gestaltungsraum viel größer geworden. Aber mein Umfeld, mein Team und mein Freundeskreis sind nach wie vor unverändert.

 

Kurz am Umfrage-Prüfstand: Ein Jahr nach der NR-Wahl ist er unangefochten die Nr. 1

Ein Jahr nach der Nationalratswahl liegt die ÖVP von Sebastian Kurz laut ÖSTERREICH-Umfrage (Research Affairs, 1.003 Interviews, 27.9. - 3.10., Schwankungsbreite: 3,2 %) mit 33 % über dem Wahlergebnis vom 15.Oktober 2017. Auch im ÖSTERREICH-Polit-Barometer (Saldo aus „positiv bzw. negativ aufgefallen“) ist Kurz nicht zu schlagen: Mit 
38 % ist sein Wert mehr als doppelt so hoch wie jener der neuen SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner (17%). Kurz stellt auch die FPÖ in den Schatten: Beste FP-Ministerin ist Karin Kneissl (9%), der am schlechtesten bewertete FPÖler ist Innenminister Herbert Kickl.

Politbarometer
© TZOE

Politbarometer
© TZOE
Fehler im Artikel gefunden? Jetzt melden.