ORF-Sommergespräch

Kern: Kanzler nur bei Platz eins

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'Was wir beide ja nicht können, ist über gemeinsame Urlaube in meiner Kanzlerzeit zu diskutieren."

Mit Kanzler Christian Kern (SPÖ) sind die heurigen ORF-"Sommergespräche" zu Ende gegangen. Kanzler Christian Kern hat am Montagabend gleich zu Beginn des ORF-"Sommergesprächs" den gemeinsamen Urlaub mit Moderator Tarek Leitner auf Ibiza von vor zwei Jahren thematisiert - damals noch als ÖBB-Chef. "Was wir beide ja nicht können, ist über gemeinsame Urlaube in meiner Kanzlerzeit zu diskutieren, die hat es ja bekanntlich nicht gegeben", sagte der SPÖ-Chef zu den Vorwürfen.



"Ich finde das bedauerlich, dass der Außenminister und ÖVP-Chef und seine engsten Mitarbeiter da Unwahrheiten darüber verbreiten. Aber mir ist wichtig, ihnen zu versichern, wie auch immer hart Sie fragen werden, ich werde nachher sicherlich nicht wehleidig mich über den ORF beschweren, das ist ganz wesentlich, weil ich Respekt vor der journalistischen Arbeit habe." Leitner selbst äußerte sich während des Fernsehinterviews nicht zu der Causa.

Umfrage: Hat das Sommergespräch Kern Stimmen gebracht?

Kern will bei Wahlniederlage keiner Regierung angehören

Kern ließ zu Ende des Interviews damit aufhorchen, dass die SPÖ in Opposition gehen werde, wenn sie nur Zweiter wird. "Wenn wir Erster sind, dann werde ich Kanzler bleiben, wenn wir das nicht werden", so Kern, dann werde er die SPÖ in die Opposition führen und Österreich eine schwarzblaue Regierung bekommen.

Schon zuvor warnte Kern im ORF-Sommergespräch vor einer Regierungszusammenarbeit von ÖVP und FPÖ. Die beiden Parteien hätten Wirtschaftsprogramme, "wo du nicht weißt, wer von wem abgeschrieben hat". Es gehe in der Politik nicht um die Fassade, sondern um Interessen, so Kern, der sich dabei auf der Seite der Mittelschicht sieht. Er verteidigte seine Forderung nach einer Erbschaftssteuer und einer Wertschöpfungsabgabe; von einem bedingungslosen Grundeinkommen sei er aber "kein großer Anhänger"

Dass die SPÖ unter Kern eine Zusammenarbeit mit der FPÖ nicht mehr kategorisch ausschließt, begründete Kern mit dem geringen politischen Erfolg der Ausgrenzungspolitik, die FPÖ habe sich immer als der Verfolgte aufgespielt. Sein Weg sei es, so Kern, inhaltliche und personelle Angebote zu bewerten und vor der Wahl niemanden auszuschließen, eine Ausnahme sei der FPÖ-Mandatar Johannes Hübner, der sich evident antisemitisch geäußert habe.

Für die Aufhebung des Anti-FPÖ-Parteitagsbeschlusses brauche es eine Urabstimmung, erinnerte Kern. Dies sei aber eine artifizielle Diskussion. "Wir verschwenden Gesprächszeit mit einer Frage, die sich am 16. Oktober (dem Tag nach der Wahl, Anm.) nicht stellen wird", sagte Kern.

Anlaufschwierigkeiten im Wahlkampf

Die parteiinternen Anlaufschwierigkeiten im SPÖ-Wahlkampf streifte der rote Parteichef nur am Rande. Zur Affäre rund um den Berater Tal Silberstein sagte Kern lediglich, dass hier ein Vertrauensverhältnis enttäuscht worden sei. Mit dem früheren BZÖ-Politiker Stefan Petzner habe er zwar diskutiert, eine Beraterzusammenarbeit sei aber nie ein Thema gewesen, so Kern.

 Kern betonte mehrmals, dass er aus einem Unternehmen in die Politik gekommen sei und dass unter seiner Kanzlerschaft die Trendwende am Arbeitsmarkt gelungen sei. Auch das Budgetdefizit in Relation zum BIP sei gesunken. Es sei das noch mit Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) ausgehandelte Programm, dass Österreich wieder in die Spur bringe.

Flüchtlingspolitik

In der Flüchtlingspolitik der drei großen Parteien SPÖ, ÖVP und FPÖ konstatierte Kern, dass sich die Positionen angenähert haben. Auch für die SPÖ seien der Grenzschutz und der Kampf gegen die illegale Migration wichtig, "Wirtschaftsflucht wird nicht gehen". Der Unterschied liege aber in der Beurteilung der Menschenwürde und darin, nicht gegen Flüchtlinge zu hetzen, ihnen eine Chance zu geben sowie darin, dass die Integration im Vordergrund steht, legte Kern die SPÖ-Linie dar. Es sei auch klüger, hinter verschlossenen Türen miteinander zu sprechen als öffentlich von Italien die Schließung der Mittelmeerroute zu fordern.

Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) soll übrigens - falls die SPÖ in der Regierung bleibt - als "Sicherheitsminister" für Inneres zuständig sein, das Dogma der Trennung von Militär und Polizei werde aber nicht aufgehoben, stellte Kern klar.

Seine Analyse, dass die Politik zu 95 Prozent aus Inszenierung bestehe, erhalte er nach wie vor aufrecht, es werde oft bewusst ein Konflikt gesucht, weil die Medien nicht in der Lage seien oder nicht willens, über etwas anderes zu berichten.

Auf Seite 2 finden Sie den Live-Ticker zum Nachlesen.

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 21:52

Das letzte Sommergespräch ist beendet

Vielen Dank fürs Mitlesen!

 21:52

Werden Sie weiter in der Politik bleiben?

Ich habe eine Berufskarriere aufgegeben, ich bin der Politik in dem Land verbunden. Mir geht es nicht darum, meinen Lebenstraum zu verwirklichen, sondern den der Menschen in diesem Land. Jetzt geht es darum, wie gestalten wir die nächsten zehn bis zwanzig Dekaden?

 21:51

Werden Sie nur Bundeskanzler sein, wenn die SPÖ als stärkste Partei aus der Wahl herausgeht?

Wenn wir nicht stärkste Partei sind, wird uns die Rolle der Opposition bleiben.

 21:50

Wieviel Inszenierung ist unumgänglich?

In einer gewissen Weise gehört es dazu, die Dinge an den Mann zu bringen. Wir haben heute den Plan für den Klimawandel präsentiert. Wenn man es aber nicht schafft, Themen spektakulärer darzustellen, interessiert es kaum jemanden. Mir kommt vor, in der Politik werden bewusst Konflikte gesucht, weil die Medien nicht willens sind, über etwas anderes zu schreiben.

 21:48

Wieviel in der Politik ist Inszenierung?

Inszenierung ist nicht das Vordergründige. Vielfach werden Themen vom Zaun gebrochen, um zu zeigen, dass man der härtere ist. Oft reden die Leute so und machen etwas ganz was anderes. Man stellt sich hin und inszeniert etwas, das gar nicht stattfindet.

 21:46

Filmausschnitt "Vorstadtweiber"

 21:45

Wir brauchen mehr Europa bei all diesen Fragen. Dass wir es nicht geschafft haben, die Steuer gleich zu bemessen, beschäftigt uns heute. Wir haben keine gemeinsamen Ziele bei Arbeitslosenquoten. Da brauchen wir mehr Europa, aber auch Fairness. Jeder muss seine Verpflichtungen erfüllen, auch in der Integrationsfrage.

 21:43

Wieviel 'Österreich zuerst' steckt in der Haltung der SPÖ gegenüber der EU?

Alle großen Probleme, die wir in Europa, auf der Welt haben, können wir nur in einem Europa besser bekämpfen. Wir profitieren maßgeblich, ich erlebe aber, dass wir in Europa eine Ent-Solidarisierung haben, wir sehen dasselbe auch bei der Entsendung von Arbeitskräften. Es sind billige Arbeitskräfte aus dem Osten gekommen, die sich nicht an die Regeln gehalten haben. Mein Plädoyer ist, dafür zu sorgen, dass sich alle Länder solidarisch verhalten.

Es ist weniger ein 'Österreich zuerst' als ein 'Jeder macht seine Hausaufgaben'.

 21:42

Wir stehen vor einem Großumbau des Sozialstaats, das bedingungslose Grundeinkommen muss man sorgfältig prüfen.

 21:40

Bedingungsloses Grundeinkommen: Was halten Sie davon?

Ich bin kein großer Anhänger davon, ich arbeite für mehr als für den Broterwerb, Arbeit ist auch für das Selbstwertgefühl des Menschen. Arbeit ist ein Schlüsselbegriff, mein Konzept ist, 22.000 zusätzliche Jobs zu beschaffen.

 21:39

Wir brauchen ein Modell, mit dem wir den Sozialstaat finanzieren können. Unterm Strich kommt raus, dass personalintensive Unternehmen profitieren würden, die einzigen, die einen Nachteil hätte, wären die großen Energie-Konzerne.

 21:37

Wir haben Steuersenkungen im Außmaß von fünf Millionen vorzunehmen. Wir machen das ganz ehrlich und sagen, wie wir das finanzieren wollen. Es gibt andere Parteien, die wollen zwölf, vierzehn Millionen einsparen. Wir wollen aber seriös Steuern senken.

 21:35

Thema Erbschaftssteuer

Wenn Sie ein Durchschnittseinkommen nehmen, müsste jemand achtmal hart arbeiten, um zu jenem Punkt zu kommen, wenn jemand eine Million geerbt hat. Deswegen muss die Erbschaft besteuert werden.

 21:34

Von wem soll man sich das holen?

Die, die arbeiten müssen gerecht besteuert werden.

 21:32

Wer soll den jetzt noch was von wem holen?

Wir haben gesehen, dass nach der Finanzkrise die Dinge aus dem Lot gekommen sind, wir haben steigende Arbeitslosigkeit gehabt. Jetzt sind wir zurück in Erfolgsspur, jetzt geht es darum, dass die wahren Leistungsträger einen Anteil vom Erfolg bekommen. Wir beginnen, wieder in eine Schieflage zu kommen. Ich will, dass die Menschen ihren Anteil am Erfolg bekommen.

Wir müssen Österreich erfolgreich machen. Nur wenn man den Wohlstand geschaffen hat, kann man ihn gerechter verteilen. Wir haben einen interessanten Leistungsbegriff. Mein Vater war Elektriker, meine Mutter am Ende Hausfrau. Die haben hart gearbeitet, damit es ihren Kindern besser geht. Ich will, dass solche Familien Unterstützung haben und nicht nur jene, die zahlen können.

 21:31

Videoeinspielung aus dem Film "Freundschaft"

 21:28

Verstehen Sie die Gerechtigkeitsdiskussion zur Mindestsicherung?

Wir haben die Aufgabe, für ein friedvolles Zusammenleben zu sorgen und dafür, dass die Armut zurückgeht. Das ist uns mit der Mindestsicherung gelungen. Es muss aber auch klar sien, dass die, die arbeiten, mehr verdienen als die, die nicht arbeiten.

Wirtschaftsflucht in Österreich wird nicht gehen, wir müssen die Zuwanderung reduzieren. Das Gerechteste ist, wenn diese Menschen die Chance auf Ausbildung kriegen, damit sie dem Land später etwas zurückgeben können.

 21:26

Die illegale Migration aus Afrika soll laut Ihnen auf Null gedrückt werden.

Jeder vernünftige Mensch will natürlich, dass die illegale Migration auf Null gedrückt wird. Wenn wir uns hinstellen und sagen, die Mittelmeerroute muss geschlossen werden, wirkt es bei manchen Politikern so, als wüssten Sie nicht, dass sie mitmachen müssen.

Wir wissen, dass der gemeinsame Erfolg in der EU das Problem auch in Österreich lösen wird. Als Bundeskanzler muss ich Lösungen produziert, da ist es manchmal klüger, die Dinge hinter geschlossenen Türen vorzubereiten.

 21:24

Gibt es einen Unterschied zwischen linker und rechter Flüchtlingspolitik?

Es gibt eine vernünftige Flüchtlingspolitik, das ist die Sicherung der Grenzen und dass sich jeder, der kommt, an die Regeln halten muss. Ich glaube es gibt einen großen Punkt, der heißt 'die Würde des Menschen ist unteilbar', vielleicht ist das der große Unterschied. Es geht darum, wie wir eine Gesellschaft bildet, die sich nicht spaltet. Hier sind Menschen zu uns gekommen, die auch bleiben werden. Wer sagt, 'wir wollen die alle nicht', begeht einen großen Fehler. Langfristig müssen die Menschen integriert werden.

Bei der moderaten Flüchtlingspolitik steht das Integrationsbestreben viel mehr im Zentrum als bei der rechten.

 21:22

Hat sich in der SPÖ und bei Ihnen beim Flüchtlingsthema die härtere Linie durchgesetzt?

Wir haben unserer Rechnung nach bereits die Aufnahme-Zahl von 17.000 überschnitten, deswegen habe ich den Brief an die EU geschrieben. Uns ist bewusst, dass wir helfen müssen bis zu den Grenzen unserer Möglichkeiten, aber nicht darüber hinaus. Um die Zuwanderung zu begrenzen, brauchen wir EU-Lösungen, der Deal mit der Türkei hat hervorragend funktioniert, jetzt sehen wir Fortschritte bei der Zusammenarbeit mit Libyen.

Wir haben den Assistenzeinsatz aufgrund gemeinsamer Beschlüsse ausgeweitet.

 21:20

Doskozil soll zum Sicherheitsminister werden. Rüttelt die Zusammenlegung von Militär und Polizei nicht an einem Tabu?

Ich möchte Doskozil zum Sicherheitsminister machen, weil er weiß wovon er spricht. Wir wollen eine Gewaltenteilung zwischen Heer und Polizei, die Ämter werden nicht zusammengelegt.

 21:18

Wie soll der Parteitagsbeschluss (keine Zusammenarbeit mit der FPÖ) ausgehebelt werden?

Wir haben gesagt, falls wir jemals darüber nachdenken über eine Zusammenarbeit mit der FPÖ, wird es eine Urabstimmung geben. Wir diskutieren hier jedoch über etwas, da kann ich sagen, das ist lichtjahre entfernt.

 21:17

Können Sie sagen ja, das umschließt auch die FPÖ?

Ich habe gesagt, ich schließe niemanden aus. Ich sehe aber im Moment keine inhaltliche Grundlage für eine Zusammenarbeit mit der FPÖ. In der Politik geht's nicht um die Fassade, sondern um beinharte Interessen.

 21:15

Ist im Wertekompass die FPÖ umfasst? Gibt es ein grundsätzliches Infragekommen?

In dem Bestreben die FPÖ grundsätzlich auszuschließen, haben wir erreicht, dass die ÖVP die ewige Regierungsmacht geworden ist. Wir haben gesehen, dass es mit der ÖVP schwierig ist, zu guten Ergebnissen zu kommen. Deswegen haben wir den Wertekommpass gemacht. Nach der Wahl sprechen wir mit allen Parteien, dann werden wir über eine Koalitions- und Regierungsbildung entscheiden. Ich werde vor der Wahl niemanden ausschließen. Außer in expliziten Fällen von Antisemitismus wie zum Beispiel bei Herrn Hübner.

 21:13

Kann die SPÖ mit einer Haider-geprägten und von Strache geführten FPÖ zusammenarbeiten?

Der springende Punkt ist, wir haben bei der FPÖ 30 Jahre lang die Haltung vertreten, dass wir grundsätzlich nicht zusammenarbeiten wollen. Die FPÖ hat sich mit einer gewissen Beleidigtheit wie der Verfolgte aufgespielt. Deswegen habe ich gesagt, machen wir es anders. Deswegen haben wir ein Programm aufgestellt, wofür wir stehen.

 21:12

Braucht es so viel Kompromiss?

Entscheidend sind die Ergebnisse. Da zählt, was am Ende rauskommt, was die Menschen spüren von dieser Politik. Dass man Kompromisse macht, ist in der Politik zwingend.

 21:10

Wieviel Kompromiss mussten Sie zugestehen?

Es war ein meiner Meinung nach sehr guter Kompromiss. Als ich Kanzler geworden bin, war die Stimmung im Boden. Wenn wir heute BIlanz ziehen, sind die Maßnahmen, die ich durchgesetzt habe, eine Leistung. Meine erste Frage ist "Was hilft Österreich", ich werde auch nach dem 15. Oktober für ein Mandat kämpfen, um das umzusetzen.

 21:09

Wir stehen zu dem Regierungsprogramm, das wir mit Mitterlehner vereinbart haben. Ich denke es ist richtig, diesen Weg fortzusetzen, da muss man nicht auf den eigenen persönlichen Vorteil schauen.

 21:08

Hat es im Wahlkampf nicht doch viele handwerkliche Fehler gegeben?

Es sind sicher Fehler passiert, das ist überhaupt keine Frage. Zu Tal Silberstein: Da ist ein Vertrauens-Verhältnis enttäuscht worden.

 21:06

Der Wahlkampf ist nicht immer rund gelaufen. Wo war die Wendung der Dinge vom Retter der SPÖ zur Realität der Politik?

Kern startet ORF-Gespräch mit Stellungnahme zu Urlaubs-Vorwurf: Über gemeinsame Urlaube in meiner Kanzlerzeit können wir beide leider nicht diskutieren, weil diese nicht stattgefunden haben. Egal wie hart Sie fragen, ich werde mich danach nicht beschweren über den ORF.

Zur Frage: Natürlich ist man in den Umfragen lieber vorne als am 2. Platz. Ich bin aber zuversichtlich, was die Wahlauseinandersetzung betrifft.

 21:05

Es geht los!

Leitner begrüßt Kanzler Kern.

 21:02

In drei Minuten geht's los!

 20:55

Auch auf Twitter fragt man sich, ob es ein Sommer- oder Urlaubsgespräch wird.

 20:47

Man darf gespannt darauf warten, ob auch der Wirbel um den gemeinsamen Urlaub thematisiert wird.

 20:40

Herzlich Willkommen zum Live-Ticker

Im letzten ORF-Sommergespräch des Jahres trifft SPÖ-Chef Christian Kern auf Moderator Tarek Leitner. In 25 Minuten geht es los!