Der Bundeskanzler schießt sich auf die ÖVP ein.
Kritik an der ÖVP ist am Montag im Mittelpunkt der SPÖ-Klubtagung im Wiener Museumsquartier gestanden. Unter dem Motto "Innovationen für Österreich" identifizierten Parteichef Christian Kern und Klubobmann Andreas Schieder den eigenen Koalitionspartner als eines der Hemmnisse für zukunftsfähige Lösungen von der sozialen Sicherheit bis zur Zuwanderung und Integration.
In seiner Grundsatzrede zur Eröffnung der Tagung zeichnete Kern ein Bild von der "Achterbahnfahrt" in der globalen politischen Landschaft, vom Brexit, dem europaweiten Aufstieg der Rechtspopulisten und der von ihnen genutzten Frustration und Wut in der Gesellschaft, dem Putschversuch in der Türkei bis zur US-Wahl. Auch in Österreich sei die Situation nicht einfacher geworden. "Und: Wir sind mit einem Koalitionspartner konfrontiert, der Orientierung sucht, um es so zu formulieren."
Als eines der virulentesten Themen nannte er den Konflikt um die Mindestsicherung. Die SPÖ trete dafür ein, sich solidarisch mit den Schwächsten in der Gesellschaft zu zeigen. "Wir finden uns dabei in bester Gemeinschaft mit der katholischen Soziallehre und mit dem, was die Vertreter der Kirche fordern", betonte der Parteichef. Die ÖVP-Position sei hingegen von einem anderen Weltbild getrieben, da gehe es um Sanktionen und Strafen.
Politiische Spielereien
Kritik übte Kern, aber auch Schieder, am Verhandlungsstil des Koalitionspartners. Sozialminister Alois Stöger mit "politischen Spielereien" im Kreis zu schicken, verhindere sachpolitische Lösungen, so Kern. Die SPÖ wolle weiter klar eine österreichweite Lösung, die den Menschen ein sinnvolles Auskommen ermögliche und Armut bekämpfe. "Aber wir sind nicht bereit, um jeden Preis eine Lösung einzugehen, die sich mit dem skizzierten Modell möglicherweise gar nicht verträgt."
Bezüglich Zuwanderung und der Flüchtlingsproblematik betonte Kern die Außengrenzsicherung der EU, man dürfe sich von der Türkei nicht erpressen lassen. Auch hier sah er aber Anlass zur Kritik an der ÖVP und an Außenminister Sebastian Kurz, ohne diesen namentlich zu nennen. Im Integrationsbereich gebe es nur sehr enttäuschende Fortschritte. Man sei "mit einem Vorschlagshagel konfrontiert, der dann in der Realität zu sehr wenigen belastbaren Ergebnissen führt", so Kern.
"Lasst es mich so formulieren: Mit einem Burkaverbot werden wir mit Sicherheit nicht die Integrationsnotwendigkeiten, vor denen wir stehen, erfüllen können", sagte der SPÖ-Chef und Bundeskanzler. "Es ist für uns natürlich auch keine Lösung der Integrationsfrage, wenn wir versuchen, mit der Flüchtlingsbegründung soziale Standards in Österreich weiter und immer weiter zu reduzieren. Und dementsprechend brauchen wir über den Vorschlag über Ein-Euro-Jobs und einen Billigarbeitsmarkt in Österreich gar nicht diskutieren."
Kopflosigkeit
Auch Schieder attestierte der ÖVP Kopflosigkeit, man wisse nicht, wer dort letztlich entscheide. "Ich hoffe, dass sich die ÖVP bald zurückbewegt auf den Weg des Arbeitens." Bezüglich des Tagungsthemas verwies er darauf, dass die Digitalisierung eine soziale Agenda brauche. Das sah auch Kern ganz ähnlich. Angesichts aktueller Umbrüche müssten Wirtschaft, Bildung und staatliche Strukturen, vor allem aber auch die sozialen Sicherungssysteme auf neue Beine gestellt werden.