Kanzler und Regierungsvertreter trafen sich mit Organisationen.
Wien. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat am Montag Vertreter mehrerer Organisationen zu einem Runden Tisch zur Alterseinsamkeit empfangen. Der von der Regierung angestrebte "Pakt" soll Maßnahmen ermöglichen, um während der Coronakrise ein sicheres Umfeld für Pflegeheime und Krankenhäuser zu schaffen. Neben unterschiedlichen Maßnahmen plädierte der Regierungschef für ein stärkeres Bewusstsein.
Der "Pakt gegen die Alterseinsamkeit" war vom Regierungschef in dessen Erklärung angekündigt worden. Vonseiten der Regierung nehmen daran noch Vizekanzler Werner Kogler, Sozialminister Rudolf Anschober (beide Grüne) und Zivildienstministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) daran teil. Zu den vertretenen Organisationen zählen unter anderem die Caritas, das Hilfswerk, das Rotes Kreuz, die Diakonie, die Lebenshilfe sowie Seniorenbund und Pensionistenverband.
Alterseinsamkeit sei schon generell eine Herausforderung unserer Gesellschaft, betonte Kurz. Auch während der Pandemie sei es vor allem wichtig , soziale Kontakte aufrecht zu erhalten. Als mögliche Maßnahmen zählte er unter anderem bauliche Einrichtungen wie Plexiglasscheiben, gute Hygiene, Besuchskonzepte und gezielte Testungen auf. Aber auch ein "stärkeres Bewusstsein in unserer Gesellschaft" für die Alterseinsamkeit gelte es zu schaffen.
Zusammenhalt in der Gesellschaft der Schlüssel
Dort schloss auch Gesundheits- und Sozialminister Anschober an. Auch für ihn ist Zusammenhalt in der Gesellschaft der Schlüssel. Den vor allem in den Städten verändere sich die Lebensstruktur - etwa durch die zunehmende Mobilität - mehr und mehr. "Unser Leben ist weiter auseinandergerissen", so der Sozialminister. Auch Anschober sprach die teils schon geschaffene Möglichkeit von besonders geschützten Zugängen in Alters- und Pflegeheimen an.
Auf freiwilliges Engagement setzt die auch für den Zivildienst zuständige Ministerin Köstinger. Gerade in Zeiten der Pandemie sei es wichtig, Ehrenamtliche einzusetzen sowie Nachbarschaftshilfe stärker in den Fokus zu rücken. Natürlich sei dies aber auch - vor allem in Zeiten steigender Infektionen - mit "gewisser Angst" verbunden, merkte Köstinger an.
Die derzeitige Seniorenratspräsidentin Ingrid Korosec (ÖVP) betonte wie auch die anderen Teilnehmer, dass es sich bei Alterseinsamkeit um ein grundsätzliches Thema handle. "Wir müssen aufpassen, dass sich diese Einsamkeit nicht zur sozialen Pandemie entwickelt", warnte sie zudem. Gemeinsamkeit statt Einsamkeit sei das Wichtigste zum Gesundheitserhalt und zur Wiedergesundung, betonte der Präsident des Behindertenrats, Herbert Pichler.
Erste Ziele gesetzt
Die Regierung und die Vertreter mehrerer Organisationen haben beim Runden Tisch am Montag mehrere Ziele zur Bekämpfung der Alterseinsamkeit gesetzt. Einerseits werde man kurzfristige Maßnahmen für die Zeit der Pandemie erarbeiten, hieß es danach auf APA-Anfrage aus dem Kanzleramt. Weiters werde - wie schon von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) angekündigt - ein langfristiger "Pakt" geschlossen.
Ein weiterer runder Tisch wurde für die kommenden Wochen avisiert, hieß es nach dem mehrstündigen Gespräch im Kanzleramt. Bis dorthin sollen die kurzfristigen Maßnahmen erarbeitet werden. "Die beste Antwort auf Einsamkeit ist ein Österreich des Zusammenhalts", meinte Sozial- und Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) auch nach dem Runden Tisch. Arbeit gegen die Einsamkeit werde ein zentraler Teil der Pflegereform.
Für die Einsetzung eines oder einer Beauftragten der Bundesregierung plädierte Caritas-Präsident Michael Landau beim Runden Tisch. Er forderte ein breites Bündnis aus Bund, Ländern, Gemeinden, Kirchen und Religionsgemeinschaften, Wirtschaft und Zivilgesellschaft. "Wir müssen das Virus isolieren, und nicht die Menschen", richtete er sich an die Regierung, wie der APA danach berichtet wurde. Zudem benötige es eine Enttabuisierung des Themas mit medienwirksamen Kampagnen.
"Wichtige Lernerfahrung aus der Corona-Krise"
"Dass das Thema Einsamkeit ganzheitlich und breit in den Blick genommen werden muss, ist eine wichtige Lernerfahrung aus der Corona-Krise", hatte auch Diakonie-Direktorin Maria Katharina Moser im Vorfeld des Runden Tisches gesagt. "In der ersten Phase der Corona-Krise lag der Fokus auf virologischen und infektiologischen Betrachtungsweisen. Aber Gesundheit hat auch eine psychische, soziale und spirituelle Dimension."
Volkshilfe-Direktor Erich Fenninger wiederum forderte Maßnahmen gegen den "Kollaps der Angehörigenpflege". Es brauche eine österreichweite, einheitliche Erhöhung der verrechenbaren Stunden für die mobile Pflege und Betreuung sowie ein kostenloses Coaching für pflegende Angehörige. Fenninger verwies zudem darauf, dass die Preisentwicklung für Schutzkleidung und Hygienemittel in den vergangenen Monaten starken Schwankungen unterworfen waren.
Enttäuscht über den Runden Tisch zeigte sich FPÖ-Obmann Norbert Hofer. "Mehr als Lippenbekenntnisse und schöne Worte von Regierungsseite" hätten die geladenen Vertreter von Caritas, Hilfswerk, Diakonie oder Pensionistenverband nicht zu hören bekommen, resümierte er. "Der Kanzler plädierte zwar für ein stärkeres Bewusstsein, blieb aber konkrete Antworten und Maßnahmen schuldig", befand Hofer.
Kogler verweist auf NPO-Fonds
Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) appellierte im Zusammenhang mit dem geschlossenen "Pakt" gegen Alterseinsamkeit an die Hilfsorganisationen, den von der Regierung geschaffenen NPO-Fonds zur Unterstützung von gemeinnützigen Vereinen zu nutzen. "Wir wollen Sie als Bundesregierung bei Ihrer wichtigen Arbeit für unsere Gesellschaft so gut wie möglich unterstützen", sagte er nach dem Runden Tisch.
"Ich weiß von meiner eigenen Familie, wie schwierig und belastend die Corona-Zeit vor allem auch für ältere Menschen ist", so Kogler in einer Stellungnahme gegenüber der APA. Neben der Sorge um die Gesundheit spiele hier das Thema Einsamkeit eine große Rolle. "Jeder und jede einzelne kann hier mithelfen und im persönlichen Umfeld darauf schauen, dass niemand zurückbleibt und niemand allein gelassen wird."
Auch weitere Organisationen begrüßten die Initiative. "Dass das Thema Einsamkeit ganzheitlich und breit in den Blick genommen werde muss, ist eine wichtige Lernerfahrung aus der Corona-Krise", so Diakonie-Direktorin Maria Katharina Moser. Ein "großes, im Zuge der Corona-Pandemie besonders virulent gewordenes Problem" sieht Othmar Karas vom Hilfswerk behandelt. Der Samariterbund lobte die "sinnvolle und notwendige Initiative".