Staatssekretär im Billigbüro

Kurz zeigt sein neues Ikea-Reich

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Man bot ihm die Möbel von Ernst Strasser an – Kurz lehnte ab.

Es ist Donnerstag, 18 Uhr, Sebastian Kurz ist schon seit 5.30 Uhr auf den Beinen. Die ÖSTERREICH-Reporterin empfängt der 24-Jährige in einem Ikea-Büro am Minoritenplatz in der Wiener City. Dort, im 6. Stock eines Büro-Neubaus – quasi eines Zubaus des ehrwürdigen Innenministeriums –, amtiert das jüngste Regierungsmitglied aller Zeiten.

Der Titel scheint zu verpflichten: So spartanisch ist nicht einmal das nur einen Steinwurf entfernte Büro von Kanzler Werner Faymann eingerichtet. Konferenztisch, kleiner Computertisch, Ikea-Drucke an der Wand – einer zeigt New York, der andere die Londoner City (fehlt nur noch Istanbul). Und noch eine mobile Klimaanlage am Fenster des Dachgeschossbüros. Aus.

Persönliche Dinge fehlen – sogar ein Foto seiner Freundin Susanne (25), die Kurz – er gibt es zu – nicht mehr so oft zu Gesicht bekommt. Arbeiten von halb sechs in der Früh bis Mitternacht, kein freies Wochenende – da wird der Job zum Belastungstest für die Jungliebe.

Sein neuer Lebensmittelpunkt ist seit sechs Wochen das 30 Quadratmeter große Ministeriums-Standard-Büro. Die Möbel des früheren Innenministers Ernst Strasser („I am a lobbyist“) ließ er im Fundus. Auch in die Nähe „seiner“ Ministerin ­Johanna Mikl-Leitner wollte er nicht.

Da sitzt er lieber in der Integrationsabteilung, „seiner“ Abteilung, zusammen mit seiner Sekretärin, seinem Büroleiter (spricht fließend Türkisch, hat zehn Jahre in der Türkei gelebt) und Pressesprecher Gerald Fleischmann. Und nimmt seine ersten Vorhaben in Angriff: die leichtere Anerkennung von im Ausland erworbenen Zeugnissen von Migranten. Seine Aktion die „Top 100 Migranten“ ist gut angekommen.

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Das Interview mit Sebastian Kurz

ÖSTERREICH: Wir sitzen hier in Ihrem neuen Büro. Warum ist es so spartanisch eingerichtet?

Sebastian Kurz: Ich habe es erst vor drei Wochen beziehen können.

ÖSTERREICH: Sie sind seit sechs Wochen Integrations-Staatssekretär. Mit drei Themen konnten Sie bis jetzt medial auffallen. Reicht das?
Kurz: Normalerweise bekommt eine neue Regierung 100 Tage Schonfrist. Bei mir gab es minus zwei Tage. Schon zwei Tage vor der Angelobung habe ich die ersten Programme vorlegen müssen. Ich kann nur sagen: Ich hau mich jetzt Tag und Nacht voll rein und arbeite unermüdlich, weil es viele Altschulden im Bereich Integra­tion gibt.

ÖSTERREICH: Wie schaut Ihr Tag aus?
Kurz: Er beginnt um 5.30 Uhr, ich komme gegen 24 Uhr nach Hause. In den letzten sechs Wochen gab es kein einziges freies ­Wochenende.

ÖSTERREICH: Nervt es Sie, dass Sie ständig auf Ihr Alter angesprochen werden?
Kurz: Auf mein Alter werde ich nur bei Interviews an­gesprochen. Bei meinem Team oder den NGOs ist das kein Thema. Viele fragen auch: Wie ist es, ein Büro zu leiten? Ich bin aber schon seit sieben Jahren in der Politik, seit zwei Jahren in einer führenden Funktion. Ich habe schon vor meiner Position als Staatssekretär ein Büro geleitet.

ÖSTERREICH: Durch Ihre Person rückt das Thema Integration in den Fokus. Wie möchten Sie das nutzen?

Kurz: Ich bin für Integration durch Leistung. Mir ist es zum Beispiel ein Anliegen, dass akademische Titel und Fachausbildungen von Migranten leichter anerkannt werden. Nur jeder 5. Einwanderer macht das. Diese Zahl möchte ich verbessern. Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle und Josef Pühringer, der Vorsitzende der Landhauptleute-Konferenz, haben mir ihre Unterstützung schon zugesichert. Es kann nicht sein, dass ein studierter Arzt aus Indien in Wien Taxifahrer ist.

ÖSTERREICH: Was die Österreicher brennender interessiert. Wie stehen Sie zum Kopftuch oder zum Burkaverbot?

Kurz: Wenn die Frauen das Kopftuch freiwillig tragen, dann ist es in Ordnung für mich. Werden die Frauen dazu gezwungen, sehe ich das als Unterdrückung der Frau, und das lehne ich zutiefst ab. Und zur Burka: Das ist in Österreich überhaupt kein Thema. Deswegen brauchen wir derzeit auch nicht über ein Burkaverbot diskutieren.

ÖSTERREICH: Und Türkisch als Maturasprache?

Kurz: Wie haben in Wien die Möglichkeit, in über zehn Fremdsprachen zu maturieren, da muss man sich vor Türkisch nicht fürchten. Was ich nicht unterstütze, ist, dass man auch andere Prüfungen wie etwa Chemie in Türkisch abhält. Wir tun dem Schüler nichts Gutes, wenn wir ihm in der Schule ein scheinbar geschütztes Umfeld schaffen, wo er ohne Deutsch auskommt. Spätestens am Arbeitsmarkt wird er schmerzhaft merken, dass es ohne Deutschkenntnisse nicht geht.

ÖSTERREICH: Jeden Dienstag ist Ministerrat. Alle, die links und rechts von Ihnen sitzen, könnten Ihre Eltern sein. Wie setzt man sich da durch?
Kurz: Ich weiß nicht, warum man bei mir medial immer versucht, zu vermitteln, dass sich bei mir jetzt alles geändert hat. Ich sitze seit zwei Jahren in der Ministerrats-Vorbesprechung. Insofern kenne ich die Personen, die Zusammensetzung, ich kenne die Themen, den Ablauf. Und wenn man etwas erreichen will, dann macht man das meistens in Gesprächen vorab und nicht im Ministerrat.

ÖSTERREICH: Haben Sie sich für den neuen Job mit Anzügen eindecken müssen?
Kurz: Nein, man sieht mich jetzt nur nicht mehr so oft in Jeans und T-Shirt.

ÖSTERREICH: Sie verdienen mit 24 Jahren über 14.000 Euro pro Monat. Haben Sie sich einen Wunsch erfüllt?
Kurz: Ich habe schon mit 22 Jahren mehr verdient als andere in meinem Alter, weil ich im Wiener Landtag gegessen bin. Auch da habe ich mir keine Wünsche erfüllt. Ich spare mein Geld.

ÖSTERREICH: Wollen Sie sich einen Traum erfüllen. Vielleicht ein Haus bauen?
Kurz: Um Gottes willen nein. Ich bin ein urbaner Mensch, ein Haus ist derzeit kein Traum von mir.

ÖSTERREICH: … dann vielleicht eine größere Eigentumswohnung?
Kurz: Ich komme nur zum Schlafen nach Hause. Das würde mir noch fehlen, wenn ich noch mehr zum Putzen hätte. Ich wohne derzeit mit meiner Freundin auf 60 Quadratmetern. Das reicht aus.

ÖSTERREICH: Wie geht Ihre Freundin damit um, dass Sie als Ihre Begleitung auf Du und Du mit der Politspitze ist?

Kurz: Als ich noch Landtagsabgeordneter war, hat sie mich öfters zu Einladungen begleitet. Durch die mediale Aufmerksamkeit lässt sie mich jetzt lieber öfters alleine wohin wandern.

ÖSTERREICH: Und Beschwerden, dass Sie zu viel Zeit im Büro verbringen, gab es noch nicht?
Kurz: Das Thema gibt es immer. Aber Susanne trägt es mit Fassung.

ÖSTERREICH: Wann hatten Sie das letzte Mal Zeit für Ihre Freundin?
Kurz: Letzte Woche habe ich mir einen halben Tag freigenommen, damit wir ihren 25. Geburtstag nachfeiern können.

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