FPÖ-Spitzenkandidat vergleicht Nazi-Lieder mit "O Tannenbaum" oder "Stille Nacht"
Der eher schläfrige NÖ-Wahlkampf hat in der Schlussphase doch noch einen Skandal bekommen. FPÖ-Spitzenkandidat Udo Landbauer ist wegen NS-verherrlichender Lieder in seiner Burschenschaft massiv unter Druck geraten. Landbauer bekräftigt zwar, mit antisemitischem und nationalsozialistischem Gedankengut nichts am Hut zu haben, er ist trotzdem mit zahlreichen Rücktrittsaufforderungen konfrontiert.
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Nazi-Eklat bei FPÖ: Vorwürfe gegen Landbauer
Fragwürdiger Vergleich
Nach Bekanntwerden des Liederbuchs mit der Textzeile "Gebt Gas, ihr alten Germanen, wir schaffen die siebte Million" (Anm.: eine Anspielung auf die sechs Millionen ermordeten Juden unter der Nazi-Diktatur) stellte Landbauer seine Mitgliedschaft bei der Burschenschaft Germania zu Wiener Neustadt ruhend und forderte Aufklärung innerhalb der Verbindung. Die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt leitete von Amts wegen ein Ermittlungsverfahren gegen unbekannt wegen des Verstoßes gegen das Verbotsgesetz ein. Und die Burschenschaft Germania wurde auf eigenen Wunsch mit sofortiger Wirkung vom Verband Österreichischer Pennäler Ring suspendiert.
"In meiner Anwesenheit sind solche Lieder nie vorgekommen. Ich hab' niemals verwerfliche Lieder gesungen", sagte Landbauer am Mittwoch. Er betonte zwar neuerlich, mit antisemitischem und nationalsozialistischem Gedankengut nichts am Hut zu haben, ließ aber gleichzeitig wissen, dass er sich von einer "linken Meinungsdiktatur" nicht vorgeben lasse, was böse und was gut sei. Landbauer zog einen fragwürdigen Vergleich, indem er sagte, dass er es sich auch nicht nehmen lasse, "O Tannenbaum" oder "Stille Nacht" zu singen.
Strache gegen Konsequenzen
Rückendeckung bekam er von seinem Bundesparteiobmann und Vizekanzler Heinz-Christian Strache. Zum Zeitpunkt, als das Liederbuch erstellt wurde, sei Landbauer elf Jahre alt gewesen und erst später in die Verbindung eingetreten. Strache sah daher keinen Grund für Konsequenzen. Landbauer habe die Sache "sehr deutlich klargestellt" und selbst Aufklärung gefordert. Für den Text trage er keine Verantwortung. "Burschenschaften haben nichts mit der FPÖ zu tun", meinte Strache.
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Strache sieht keine Konsequenzen für Landbauer
Der Koalitionspartner ÖVP ging deutlich auf Distanz. Der Text sei "absolut indiskutabel", so Kanzleramtsminister Gernot Blümel. Die Verantwortlichen sollen zur Verantwortung gezogen werden. Bundeskanzler Sebastian Kurz begrüßte das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft. "Null Toleranz bei Antisemitismus, Rassismus und Verherrlichung der NS-Schreckensherrschaft", schrieb der ÖVP-Obmann auf dem Kurznachrichtendienst Twitter. Die Neos kündigten in der Causa eine parlamentarische Anfrage an.
Deutlich härter ins Gericht mit Landbauer gingen die im Wahlkampf befindlichen Landesparteien. Für die niederösterreichische SPÖ und die SPÖ Wiener Neustadt ist Landbauer rücktrittsreif. Der FPÖ-Spitzenkandidat habe sich "ein für alle Mal für jede politische Funktion disqualifiziert". Landbauers Rücktritt forderte auch Grünen-Spitzenkandidatin Helga Krismer.
Kritik und Empörung
Empört reagierte die Israelitische Kultusgemeinde. Wieder stehe ein FPÖ-Politiker aus dem deutschnationalen Lager im Mittelpunkt einer Affäre um NS-Verherrlichung und Holocaustrevisionismus. "Wieder nötigt uns ein antisemitischer FPÖ-Skandal, unseren Gesprächspartnern in Brüssel zu versichern, dass die FPÖ nicht das wahre Österreich repräsentiert", sagte IKG-Präsident Oskar Deutsch, der sich am Mittwoch anlässlich der Schoah-Gedenkveranstaltung im Europäischen Parlament in Brüssel befand.
Kritik kam auch von der Menschenrechtsorganisation SOS Mitmensch: "Landbauer versucht, die Öffentlichkeit jetzt an der Nase herumzuführen. Das brutal antisemitische Nazi-Liederbuch seiner Burschenschaft ist kein Ausreißer", meinte Sprecher Alexander Pollak. Für Andreas Peham vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands (DÖW) könnten die NS-verherrlichenden Liedtexte der Burschenschaft Germania nur die "Spitze des Eisbergs" sein. Seit den 1950er-Jahren ist dem Experten kein Text in dieser Heftigkeit bekannt, sagte er am Mittwoch am Rande einer Pressekonferenz. Peham hofft auf einen "Reinigungsprozess" unter den Verbindungen.