Michael Ludwig im Interview

Roter Star steigt gegen Kurz in den Ring

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Er ist der neue starke Mann der SPÖ und zeigt nun auch erstmals Kanzler Kurz die Krallen.

Wien. In der Wiener SPÖ hat Bürgermeister Michael Ludwig das fast undenkbar doch möglich gemacht: Die einst so gespaltenen Roten scheinen ihre Reihen wieder geschlossen zu haben.

Der Techniker der Macht – hart in der Sache, herzlich im Ton – ist damit auch der klare neue starke Mann in der gesamten roten Welt. Im großen Sonntagsinterview für ÖSTERREICH steigt Ludwig nun erstmals auch deutlich gegen VP-Kanzler Sebastian Kurz in den Ring: Dass die türkis-blaue Regierung den 12-Stundentag durchgepeitscht hat, will Wiens SP-Chef nicht unbeantwortet lassen.

ÖSTERREICH: Warum sind Sie gegen den 12-Stunden-Tag?

Michael Ludwig: Im Wesentlichen gibt es 2 Punkte: der inhaltliche und der formale Punkt. Es gibt schon viele ­Arbeitsgruppen, die 12 Stunden und mehr arbeiten. Auch bei mir hier im Rathaus, von der Feuerwehr bis hin zu den Krankenschwestern, Rettung und viele andere. Aber da gibt es klar definierte Rahmenbedingungen, die mit den Interessenvertretern der ArbeitnehmerInnen vereinbart werden. Zum zweiten, dem formalen Weg, dass man die Interessenvertretungen, die Gewerkschaften, nicht in diese Gespräche einbezieht und von der sozialpartnerschaftlichen Tradition abgeht, auf Augenhöhe zu verhandeln, und damit zeigt, dass man mit den Gewerkschaften keine Lösungen finden will. Das halte ich für eine gefährliche Entwicklung, denn wir unterscheiden uns von anderen Ländern auch dadurch, dass wir ein sehr gutes sozialpartnerschaftliches Modell haben, das sehe ich dadurch auch gefährdet.

ÖSTERREICH: Sie glauben, dass das Durchpeitschen des Gesetzes die Proteste noch anheizt?

Ludwig: Ich gehe davon aus, dass sich die Gewerkschaften das nicht leisten können, dass sie so vorgeführt werden, und die Proteste nicht beendet sind. Sie sind es ihren Mitgliedern ja schuldig, sich für sie einzusetzen. Die Stimmung bei der großen Demonstration, die vor einer Woche in Wien mit mehr als 100.000 Beteiligten stattgefunden hat, hat gezeigt, dass es nicht, wie von Schwarz-Blau behauptet, Proteste der Funktionäre seien, sondern dass viele ArbeitnehmerInnen erkennen, dass es weit über den Anlassfall hinaus darum geht, die Interessen der Beschäftigten zu vertreten.

ÖSTERREICH: Wie soll die SPÖ da weiter vorgehen?

Ludwig: Das eine ist die sozialpartnerschaftliche Regelung. Das ist eine Auseinandersetzung, die die Gewerkschaften führen, wo sich auch SozialdemokratInnen unterstützend bekennen. Aber ich würde sehr davor warnen, dass man das parteipolitisch instrumentalisiert. Die Gewerkschaftsbewegung besteht aus Menschen ganz unterschiedlicher politischer Herkunft. Wie die FPÖ das aber ihren Wählern erklärt, ist mir schleierhaft. Denn das als großen Sieg für die Arbeitnehmerinteressen verkaufen zu wollen, halte ich für sehr kühn. Die Beschäftigten werden sich da schon ein Bild machen. Das andere ist die parteipolitische parlamentarische Auseinandersetzung, die die SPÖ hart führt.

ÖSTERREICH: Sind Sie für ein Volksbegehren zum 12-Stunden-Tag?

Ludwig: Nachdem die sozialpartnerschaftliche und die parlamentarische Ebene nicht berücksichtigt wurden, werden alle anderen Möglichkeiten, die die repräsentative, aber auch die direkte Demokratie hat, einzusetzen sein. Ich glaube nicht, dass sich die Bevölkerung das so gefallen lassen möchte, dass sie so vorgeführt wird.

ÖSTERREICH: Wieso liegen VP und FP in Umfragen dann noch so gut?

Ludwig: Der Bundesregierung ist es bis jetzt gelungen, ihr Wahlkampf-Thema „Zuwanderung und Fluchtbewegung“ als übergeordnetes Thema zu halten. Selbst während Österreich den EU-Vorsitz hat, wird nur dieses Thema forciert und einseitig Stellung bezogen. Was ich für ­einen schweren Fehler halte. Österreich war als neutrales Land immer sehr geeignet, eine Basis zu bilden, auf der man unterschiedliche Meinungen zusammenführt. Der Schutz der EU-Außengrenzen ist wichtig, aber dass sich die Bundesregierung so eindeutig auf die Seite von Seehofer, Söder und den Visegrád-Staaten geschlagen hat – unmittelbar vor Beginn des EU-Vorsitzes Österreichs, halte ich für einen schweren diplomatischen Fehler. Wir haben da sehr an Glaubwürdigkeit verloren, in der gesamten EU. Statt Fingerspitzengefühl zu zeigen, hat die schwarz-blaue Regierungsspitze nur Öl ins Feuer gegossen. Ich sorge mich, dass die Bundesregierung Österreich innerhalb der EU isoliert.

ÖSTERREICH: Und die von VP-FP angedrohten Grenzschließungen?

Ludwig: Statt um Lösungen geht es ihnen um Emotionalisierungen. Denn die aktuelle Situation ist nicht besorgniserregend. Grenzsperren, das sehe ich wie Kollege Platter, würden dem Tourismus, der Wirtschaft schaden. Das wäre für unser Land eine sehr kostenaufwendige Entscheidung.

Interview: Isabelle Daniel
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