ORF-Chef Wrabetz im Interview

"Meine Pläne für den ORF der Zukunft"

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ORF-Chef plant Ausbau der Information, mehr Eigenproduktionen und „Townhall“-Meetings.

Die Wahl des neuen ORF-Chefs am 9. August wird zum Krimi zwischen Alexander Wrabetz und Richard Grasl – zwischen Rot und Schwarz. In ÖSTERREICH erklärt der amtierende Generaldirektor Wrabetz seine Pläne für den ORF – der Auftakt zur ORF-Wahl-Serie in ÖSTERREICH.

ORF-Chef Alexander Wrabetz im ÖSTERREICH-Interview

ÖSTERREICH: Hat es Sie überrascht, dass mit Richard Grasl plötzlich ein ernsthafter Kandidat aus dem ORF bei der Wahl ­gegen Sie antreten wird?

Alexander Wrabetz:
Überhaupt nicht. Richard Grasl hat ja neun Monate sondiert, ob er sich das zutraut, deshalb habe ich seit Längerem damit gerechnet. Ich finde es gut, dass es nun zumindest zwei Kandi­daten gibt und man die unterschied­lichen Positionen und Visionen sehen kann.

ÖSTERREICH:
Was sind die Unterschiede?

Wrabetz:
Da gibt es mehrere – von der Informationsvielfalt bis zum Kulturbekenntnis, aber öffentlich fokussiert Richard Grasl auf seine anderen Führungsprinzipien. Er will eine Doppelspitze für das Unternehmen, die nur gemeinsam entscheiden darf. Das funktioniert erstens nirgendwo auf der Welt – und zweitens besteht die Gefahr, dass das viele Österreicher als rot-schwarze Packelei sehen würden. Und ein Proporz-ORF ist das Letzte, das die Seher wollen.

ÖSTERREICH: Jetzt kommt’s zum rot-schwarzen Duell. Sind Sie sicher, dass Sie gewinnen werden?

Wrabetz:
Die Stiftungsräte entscheiden am 9. August. Dem ist nicht vorzugreifen. Ich bin zuversichtlich, eine vielfältige Mehrheit zu bekommen, weil ich eine gute Bilanz vorlege. Die Finanzen sind auf Kurs, unsere Image- und Vertrauenswerte sind gut, die Unabhängigkeit unbestritten, wir haben neue Produkte von ORF III bis zu Apps. Das ORF-TV befindet sich gerade in diesen Monaten auf ­einem Höhenflug. Wir haben die besten Einschaltquoten seit fünf Jahren – im Mai waren es über 35 %, im Juni werden es fast 39 % sein. Das ist bei der derzeitigen Fragmentierung des Fernsehens ein kleines Wunder.

ÖSTERREICH:
Woher kommt das Wunder?

Wrabetz:
Erstens weil wir sehr stark in der Information sind – und von Bundespräsidentenwahl bis Brexit in allen Info-Sendungen Bestwerte haben. Zweitens weil wir durch den Start von Guten Morgen Österreich ORF  2 gestärkt und allein dadurch ein halbes Prozent Tages-Marktanteil gewonnen haben. Drittens weil wir im Unterhaltungsbereich von Vorstadtweiber bis Dancing Stars heuer Rekorde schreiben. Und viertens weil wir gerade jetzt auch mit Sport punkten. Auch das unterscheidet mich von meinem Mitbewerber – dass ich bewusst die großen Sportrechte für den ORF sichern will. Unsere Seher fordern das zu Recht – und die Quoten zeigen, dass das ein Erfolgsweg ist.

ÖSTERREICH: An den Informationssendungen des ORF gab es zuletzt scharfe Kritik.

Wrabetz:  Da tragen die Gegner des ORF monstranzartig die Tempelberg-Geschichte aus der Bundespräsidentschafts-Debatte vor sich her. Das war eine unvollständige Recherche, die wir aber im eigenen Medium sofort richtiggestellt haben. Wir arbeiten seit zehn Jahren unbestritten, unabhängig und erfolgreich in der ORF-Information. Wenig überraschend, dass gerade im ORF-Wahljahr versucht wird, das schlechtzureden. Mir ist es wichtiger, starke journalistische Persönlichkeiten im ORF zu haben, als durch Gleichschaltung und Weichspülung jedes Risiko eines Fehlers auszuschließen. Natürlich polarisiert ein Armin Wolf. Nicht das Schlechteste für eine journalistische Marke.

ÖSTERREICH: Muss oder darf ein ORF-Moderator sich via Facebook und Twitter jeden Tag Watschenduelle mit – bevorzugt blauen – Politikern liefern?

Wrabetz:
Davon halte ich wenig, und das geschieht auch nicht. Wenn es Grenzfälle gibt, wird das intern in den Redaktionen besprochen und nicht als öffentliches Scherbengericht via ÖSTERREICH.

ÖSTERREICH:
Gefährdet das nicht die Unabhängigkeit des ORF?

Wrabetz: Ich stehe dafür, dass wir kritischen Journalismus machen, der sich auch kritisch mit allen Parteien auseinandersetzt. Im ORF muss es Journalismus in der ganzen Bandbreite geben. Das unterscheidet mich unter anderem von Richard Grasl, der ja eher einen Journalismus betrieben hat, mit der Politik in Niederösterreich besonders konstruktiv umzugehen. In meinem Konzept für den ORF ist beides möglich: Der Journalismus, der zum Beispiel auf regionaler Ebene besonders konstruktiv ist, oder Interviews, mit denen beispielsweise ein Armin Wolf in der ZiB 2 manchmal aneckt. Im ORF mit Dutzenden Nachrichtenformaten muss auch pointierter Journalismus möglich sein.

ÖSTERREICH: Vor Jahren wollten Sie einen zentralen Chefredakteur im ORF einführen.

Wrabetz:  Da wurde ich missverstanden. Ab 2020 werden alle Journalisten des ORF in einem zentralen Newsroom arbeiten – und für so einen Newsroom braucht man einen „Fahrdienstleiter“, der das organisiert. Aber einen zentralen Chefredakteur will ich sicher nicht, den habe ich vor zehn Jahren nach der Ära Lindner/Mück abgeschafft – sondern ich will unabhängige Redaktionen für jeden Sender.

ÖSTERREICH: Wer wird bei Ihnen Informationsdirektor werden?

Wrabetz:  Einen eigenen Informationsdirektor wird es in meinem Konzept nicht mehr geben. Ich will verschiedene starke Chefredakteure für die einzelnen Medien – einen für Radio, einen für Online, einen für die Magazine, eventuell auch je einen für ORF 1 und ORF 2 getrennt.

ÖSTERREICH: Und Sie als Generaldirektor übernehmen dann persönlich die Verantwortung für diese Chefredakteure und die Information im ORF?

Wrabetz: Dazu sage ich derzeit noch nichts, aber es wäre ein Modell, das es international auch schon gibt.

ÖSTERREICH: Was wollen Sie im Infobereich verstärkt angehen?

Wrabetz: Das Frühstücksfernsehen weiter entwickeln, auch da werden wir flexibler und aktueller werden, ORF III ausbauen und weiterentwickeln, die Information auf ORF 1 verstärken – auch mit Erklär- und Magazinformaten, die zur schnelllebigen Online-Welt passen. Und auf ORF 2 die Diskussionssendungen weiter ausbauen. In unserer bewegten Zeit ist ein einziges Im Zentrum pro Woche zu wenig. Denkbar wären z. B. zusätzliche Diskussionsformate unter der Woche nach der ZiB 2.

ÖSTERREICH: Welche Projekte 
haben Sie über die Information 
hinaus?

Wrabetz: Mein Ziel ist es, hoffentlich schon im nächsten Jahr einen eigenen Youtube-Kanal für Österreich zu starten – so etwa unter dem Motto „Best of ORF“. Im TV werden wir die österreichischen Eigenproduktionen weiter stärken und ausbauen.

ÖSTERREICH: Sie wollten mit einem kompletten Team antreten. Jetzt ist davon nur mehr Kathi Zechner übrig.

Wrabetz: Und Michael Götz­haber, der weiter technischer ­Direktor bleiben soll. Aber das gibt mir auch die Chance, mehr Frauen ins Team zu holen. Und in Zukunft einen kaufmännischen Direktor zu haben, der verstärkt auch den öffentlich-rechtlichen Wert des ORF gegenüber den Gebührenzahlern – unserer wichtigsten Finanzierungssäule – kommunizieren soll.

ÖSTERREICH: Ein Comeback von Richard Grasl in Ihrem Team …

Wrabetz: Richard Grasl kann natürlich auch in Zukunft im ORF Aufgaben übernehmen, aber klarerweise nicht als mein engster Mitarbeiter in der Geschäftsführung.

ÖSTERREICH: Die Seher wollen keine Zwangsgebühren mehr.

Wrabetz:  Ein Ziel der nächsten Amtszeit ist, dass sich der ORF für die Österreicher öffnet. Dass wir mit dem Publikum gemeinsam ausdiskutieren, was sie vom ORF wollen – und wie. Ich möchte das in unsere Zukunftsplanung einfließen lassen, wir wollen Meinungen und Ideen sammeln, über alle Kanäle, vor allem auch Social Media. Und: Es wird ab Herbst in ganz Österreich „Townhall-Meetings“ geben, in denen ich mich mit meinem Team selbst den Menschen, unseren Eigentümern, persönlich der Diskussion stellen will – und jeder kann offen sagen, wie er den ORF will. Das kann auch Teil unseres Programms werden.

ÖSTERREICH: Auch wenn es dann auf Sie Torten-Attentate wie in Deutschland geben sollte?

Wrabetz: Hoffentlich nicht. Ich glaube, das wird ein sehr kon­struktiver Dialog. Aber richtig ist: Der Fußball-Teamchef, der Operndirektor und der ORF-Chef sind immer in der Diskus­sion – jeder weiß, wie’s besser geht, jeder kritisiert, oft auch zu Recht. Deshalb kandidiere ich auch weiter als Alleingeschäftsführer – weil ich im wahrsten Sinn des Wortes meinen Schädel für den ORF hinhalte, auch die gesetzlich vorgesehene Letzt-Verantwortung übernehme. Und weil ich das gern tu – und zu meinen Entscheidungen stehe.

Interview: Wolfgang Fellner

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