Das sagt ÖSTERREICH zur Nehammer-Rede - ein Kommentar von Chefredakteur Niki Fellner.
Bundeskanzler Karl Nehammer hat am Freitag offiziell den Wahlkampf eröffnet. Sein „Österreichplan“ ist nicht nur das neue ÖVP-Wahlprogramm, sondern auch gleich der Fahrplan für eine künftige schwarz-blaue Regierung. Die Nehammer-Rede beinhaltet viele Punkte, denen eine große Mehrheit der Österreicher zustimmen wird.
Steuersenkungen für den Mittelstand, ein 1.000-Euro-Bonus für alle, die Vollzeit arbeiten, und steuerfreie Überstunden. Dazu eine harte Linie bei Sicherheit und Migration, wie beispielsweise nur noch Sachleistungen für Asylwerber.
Die Frage, die erlaubt sein muss, ist: Warum hat die ÖVP all das in den letzten Jahren nicht umgesetzt? Immerhin ist Nehammer seit mehr als zwei Jahren Kanzler.
Freilich sind 90 % des Österreichplans mit den Grünen nicht möglich. Der Kanzler-Auftritt war damit nicht nur der Startschuss für den Wahlkampf, sondern zugleich auch die Grabrede auf die türkis-grüne Regierung. Die Koalition mit den Grünen ist spätestens mit diesen 82 Seiten endgültig Geschichte.
Mit ÖVP und Grünen droht 1 Jahr Stillstand
ÖVP und Grüne sind so weit voneinander entfernt wie Wels von Wien-Neubau: Beim Leistungsbegriff, bei der Migration, beim Verkehr, beim Gendern. Diese Regierung hat keine Zukunft mehr. Es ist kaum vorstellbar, wie ÖVP und Grüne in diesem Jahr gemeinsam noch irgendwelche Reformen umsetzen wollen. Stattdessen droht uns ein Jahr Wahlkampf und totaler Stillstand.
Wenn Nehammer seinen Plan ernst meint, dann muss er diesen türkis-grünen Regierungskrampf endlich beenden und noch im Frühjahr in Neuwahlen gehen. Denn wenn er mit den Grünen noch bis Herbst weiterwurschtelt, wird ihm seine Forderungen niemand abkaufen.
Christian Kern hat 2017 den Fehler gemacht, dass er nicht gleich nach seiner Plan-A-Rede in Neuwahlen gegangen ist. Dieser fehlende Mut hat ihn am Ende das Kanzleramt gekostet.
Wenn Kanzler mutig ist, lässt er am 9. Juni wählen
Nehammer hat zwei Optionen: Er nimmt das Momentum seiner Rede mit, schiebt den Grünen den schwarzen Peter für das Platzen der Koalition zu (Motto: Mit diesen Öko-Fundis ist kein Staat zu machen) und legt die Nationalratswahl mit der EU-Wahl auf 9. Juni zusammen. Dann hat er die Chance, in den nächsten Monaten in ein echtes Duell mit Herbert Kickl zu gehen und am Ende vielleicht sogar gegen alle Wetten seinen Kanzlersessel zu verteidigen.
Oder er knickt vor den Grünen ein, die die Dynamik der EU-Wahl mit Lena Schilling und einen heißen Klima-Sommer für eine Herbst-Wahl nützen wollen. Dann droht der ÖVP nach dem Absturz bei der EU-Wahl eine Obmann-Debatte im Sommer und ein Durchmarsch der FPÖ. Dann wird Nehammer seinen „Österreichplan“ wohl nie umsetzen können ...