Kanzler sieht bei ÖVP kein Korruptionsproblem

Nehammer: Keine Distanzierung von Kurz

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Karl Nehammer (ÖVP) zieht im ''Kanzlergespräch'' Bilanz über die bisherige Regierungsarbeiter.

Die Regierung plant die Ausweitung des Wohn- und Heizkostenzuschuss um 500 Millionen Euro. Dies erklärte Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) bei einem Pressegespräch zum ersten Jahrestag seiner Angelobung. Zielgruppe sind demnach niedrige Einkommen, Familien und Mittelschicht. Um Abwicklung und Kriterien sollen sich die Länder kümmern, das Geld kommt vom Bund. Haushalten soll das zwischen 200 und 400 Euro bringen. Das entsprechende Modell will man noch vor Weihnachten vorlegen.

Maßnahmen gegen die Teuerung sowie die Sicherung der Gas- und Energieversorgung bezeichnete Nehammer als die "prägendsten Faktoren" seiner einjährigen Kanzlerschaft. Drei Entlastungspakete mit lang- und kurzfristigen Maßnahmen und einem Volumen von 50 Mrd. Euro sowie die Abschaffung der Kalten Progression mit einem Volumen von 20 Mrd. bis 2026 verbuchte Nehammer etwa auf der Habenseite. Zwei Drittel der Vorhaben aus dem Regierungsprogramm von ÖVP und Grünen habe man bereits abgearbeitet, so der Kanzler.

Über noch offene und strittige Pakete wie das Antikorruptionsgesetz, das Informationsfreiheitsgesetz oder das Klimaschutzgesetz werde weiter verhandelt. In Sachen Antikorruption sollte man etwa breiter denken, als bisher gedacht. "Entscheidend ist, dass wir Korruption als Gift für die Gesellschaft und Gift für die Demokratie betrachten. Misstrauen in die Institutionen schafft immer mehr Möglichkeiten für radikale Kräfte." Österreich lag zuletzt im Korruptionsindex von Transparency International auf Platz 13. "Wie kommen wir unter die Top 3", fragte Nehammer. "Spannend" und "interessant" findet der Kanzler etwa die Möglichkeit eines Compliance-Beauftragten für die Bundesregierung.

Nehammer sieht kein Korruptionsproblem

Dass die ÖVP ein Korruptionsproblem habe, stellte Nehammer emotional in Abrede. Er sprach von einer "unredlichen Unterstellung", einem "Pauschalurteil" und "politischer Agitation". Es gebe kein systemisches Korruptionsproblem in der Volkspartei, man müsse vielmehr jeden Einzelfall prüfen. "Für das, was Thomas Schmid getan hat, gibt es von mir keine Toleranz. All das ist klar zu verurteilen."

Differenzierter betrachtet Nehammer die Vorwürfe gegen Ex-Kanzler Sebastian Kurz. Dieser habe sich für die Tonalität in manchen Chats entschuldigt. "Alle, gegen die Vorwürfe geübt wurden, sind de facto nicht mehr operativ in der politischen ersten Reihe der Volkspartei." Aber: "Beschuldigt heißt nicht Schuld." Das gelte auch für den jüngst zum ÖVP-Kommunikationschef erkorenen einstigen Kurz-Vertrauen Gerald Fleischmann.

 "Markenschaden" für ÖVP

Insgesamt befinde sich die ÖVP in einer "schwierigen Situation", die ÖVP habe infolge von Chataffären, ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss und Berichterstattung darüber einen "Markenschaden" erlitten. Der U-Ausschuss sei eine Art "Giftausschuss über das Produkt". Es sei evident, dass dies einen Schaden hinterlasse, so Nehammer, der seit einem Jahr auch die Volkspartei führt. Nehammer ortet aber keine Wechselstimmung in der Bevölkerung. Vertrauen könne man letztlich nur "durch kontinuierliche Arbeit" und das Erzeugen von Sicherheit in der Krise zurückgewinnen.

Lob gab es von Nehammer für die Zusammenarbeit mit den Grünen. Der Kanzler sprach von einer "außergewöhnlichen Mischung" aus einer bürgerlichen und links-alternativen Partei, die über ideologische Grenzen hinweg Lösungen erziele. "Wir bewähren uns als Koalition in der Krise." Die drei wichtigsten Parameter Arbeitslosigkeit, Wirtschaftswachstum und Schuldenquote "funktionieren in dieser Koalition", sagte Nehammer. "Das ist bemerkenswert, wenn man daran denkt, dass wir uns in einer der größten Krisen der Zweiten Republik befinden."

Kritik an neuem Format

Nehammer wurde am 6. Dezember 2021 als Bundeskanzler angelobt, am 3. Dezember wurde er zum Parteiobmann der ÖVP designiert. Er und sein Presseteam luden deshalb Donnerstagnachmittag zum neuen Format "Kanzlergespräch". Nehammer stellte sich dabei für eineinhalb Stunden "on record" Journalistenfragen. Bereits im Vorfeld des Termins gab es in sozialen Netzwerken Diskussionen über das Setting des Formats.

Der Verein der Chefredakteur:innen wies darauf hin, dass zu derartigen Pressegesprächen breit und möglichst alle Redaktionen eingeladen werden sollten. Absurde Sperrfristzeiten würden künftig nicht mehr akzeptiert. Ursprünglich war eine Sperrfrist für Sonntagfrüh angesetzt, nach Kritik der Medienvertreter verständigte man sich schließlich aus produktionstechnischen Gründen auf Freitagnachmittag.

Sollte es Überlegungen geben, aus dem neuen Format eine Art "Bundespressekonferenz" nach deutschem Vorbild zu entwickeln, müssten Regeln und Leitlinien dafür von Journalistenvertretern kommen, deponierte der Verein der Chefredakteur:innen. Das Kanzleramt signalisierte Verständnis für das Anliegen und zeigte Gesprächsbereitschaft.
 

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