Kritik auch von den Grünen, SPÖ und FPÖ

Nehammer verteidigt Migrationsgipfel mit Orban und Vucic

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Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) hat seine Zusammenarbeit mit dem ungarischen Premier Viktor Orbán und dem serbischen Präsidenten Aleksander Vučić gegen Kritik verteidigt.

"Wer seine Grenzen schützt, muss unterstützt werden. Solange die EU hier nicht ausreichend eingreift, müssen wir uns selbst helfen", betonte Nehammer im Vorfeld des dritten Migrationsgipfels mit Orbán und Vučić am Freitag in Wien, bei dem der Kanzler erstmals als Gastgeber auftritt.

"Der 3. Migrationsgipfel wird diese Achse zwischen Österreich, Ungarn und Serbien noch weiter stärken, und die Asylbremse weiter anziehen. Der Außengrenzschutz muss höchste Priorität bekommen auch in der Europäischen Union, dafür werden wir uns auf allen Ebenen weiter einsetzen. Darüber hinaus werden wir uns weiterhin gemeinsam dafür einsetzen, irreguläre Migration zu stoppen, bevor sie überhaupt auf europäischem Boden ankommt, insbesondere durch verstärkte Zusammenarbeit mit sicheren Drittstaaten", unterstrich Nehammer.

Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) betonte, dass die Polizei grenzüberschreitend zusammenarbeiten müsse, um grenzüberschreitende Kriminalität bekämpfen zu können. "Mit Ungarn und Serbien läuft diese polizeiliche Kooperation eng, unbürokratisch und erfolgreich, weil es darum geht, gewissenlose Schlepperbanden zu bekämpfen, die bei ihrem Geschäft den Tod von Menschen in Kauf nehmen", so Karner.

Gipfel-Schwerpunkt: Stärkung des Grenzschutzes

Schwerpunkt des Gipfels soll die Stärkung des Grenzschutzes und die weitere Verbesserung von operativen Maßnahmen sein, hieß es am Donnerstag aus dem Bundeskanzleramt. Deshalb werden die Polizeichefs aller drei Länder an dem Gipfel teilnehmen, um die bisherige Kooperation zu evaluieren und zu vertiefen. Bereits in der Vorwoche hatte es geheißen, dass auch die Außen- und Innenminister an dem Treffen teilnehmen werden. Nehammer wird seine Gäste am Freitag um 10.30 Uhr mit militärischen Ehren vor dem Bundeskanzleramt empfangen. Nach Gesprächen ist für 12.10 Uhr eine Pressekonferenz der drei Staats- und Regierungschefs geplant.

Erstmals waren Nehammer, Orbán und Vučić im Oktober in Budapest zusammengekommen. Einen Monat später folgte ein Treffen in Belgrad. Wichtigstes Ergebnis war damals die Zusage Serbiens, die Visafreiheit für Bürger bestimmter Staaten wie Indien oder Tunesien zu beenden, nachdem Österreich einen massiven Anstieg von Asylanträgen aus diesen Ländern festgestellt hatte. In der Folge gingen die Asylanträge in Österreich deutlich zurück. "Die Ergebnisse der letzten Treffen sprechen für sich", bilanzierte Nehammer.

Nehammers Zusammenarbeit mit Orbán und Vučić ist umstritten, weil den Politikern Angriffe auf Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaat vorgeworfen werden. Die weiterhin hohe Zahl an irregulären Migranten in Österreich zeigt zudem, dass sie im Kampf gegen illegale Migration nicht besonders effektiv sind. So wiesen die Menschenrechtsorganisationen Amnesty International und asylkoordination österreich am Donnerstag in einer Aussendung darauf hin, dass Serbien im ersten Halbjahr 800 Asylanträge registriert habe und Ungarn nur 22. "Im selben Zeitraum wurden in Österreich etwa 24.000 Schutzsuchende registriert, wovon der überwiegende Großteil über Serbien und Ungarn nach Österreich gekommen ist. In Ungarn wurde in den letzten 10 Jahren insgesamt weniger Schutztitel erteilt als in Österreich in den letzten beiden Monaten."

"Klare Kante statt Kuschelkurs"

"Klare Kante statt Kuschelkurs mit Schmuddel-Demokraten", forderten die NGOs den Kanzler auf, beim Gipfel "klar Stellung zu Menschenrechtsverletzungen zu beziehen und eine faire Behandlung von Geflüchteten zur Priorität zu machen". "Der Schutz der Menschenrechte ist nicht verhandelbar. Österreich darf hier keine Kompromisse eingehen", so Nicole Pinter von Amnesty International. Lukas Gahleitner-Gertz von der asylkoordination österreich forderte, dass der Kanzler die Einhaltung gemeinsamer Rechtsstandards von Orbán und Vučić verlangen müsse. "Dass Österreich Millionen von Steuergeld und österreichische Polizist*innen nach Ungarn und Serbien schickt, ist ein Skandal, und angesichts dessen, dass die meisten Asylsuchenden dennoch nach Österreich kommen, absurd."

Keine Freude mit der Zusammenkunft haben auch die mitregierenden Grünen. "Dieser Gipfel wird wahrscheinlich nur zu weiteren radikalen, nicht umsetzbaren - weil grund- und menschenrechtswidrigen - Forderungen führen und zur weiteren Isolation Österreichs auf EU-Ebene und international beitragen", kritisierte die außenpolitische Sprecherin der Grünen, Ewa Ernst-Dziedzic, im Vorfeld des Gipfels in der Tageszeitung "Österreich".

Auch SPÖ äußerte Kritik

Kritik äußerte auch die oppositionelle SPÖ. Ihr Sicherheitssprecher Reinhold Einwallner wies am Donnerstag in einer Aussendung auf das "unsolidarische Handeln" Ungarns hin, das etwa die "Operation Fox" ad absurdum führe, "indem es Schlepper einfach wieder auf freien Fuß setzt". Sowohl Ungarn als auch Serbien würden kaum Asylanträge auf eigenem Boden zulassen und diese durch illegale Pushbacks oder juristische Tricks verhindern. Nehammer und Karner "sollten sich vor allem darum kümmern, dass dieser Missstand ein Ende findet und vor allem gegenüber Orbán darauf pochen, dass Ungarn als EU-Mitglied seinen Beitrag leistet und sich gerade gegenüber Österreich endlich solidarisch verhält".

FPÖ-Chef Herbert Kickl sieht im ungarischen Premier hingegen ein Vorbild für Österreich. "ÖVP-Bundeskanzler Nehammer soll nicht nur mit Viktor Orbán reden, sondern wie Viktor Orbán auch gegen die illegale Masseneinwanderung handeln", forderte Kickl am Donnerstag in einer Aussendung einen "sofortigen Asylstopp, echten Grenzschutz samt Pushbacks, Sach- statt Geldleistungen und konsequente Abschiebungen". Wenn Nehammer und Karner dazu Mut oder politischer Wille fehlten, "dann sollen sie sofort zurücktreten und für Neuwahlen sorgen, damit eine von der FPÖ als einziger stabilen Kraft geführte Bundesregierung diese Schubumkehr in der Einwanderungspolitik sicherstellen kann".

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