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100.000 gegen 12-Stunden-Tag

ÖGB-Chef Katzian fordert jetzt Volksabstimmung

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Der ÖGB gab machtvolle Antwort auf den 12-Stunden-Tag: ÖGB-Chef Wolfgang Katzian will jetzt eine Volksabstimmung.

Im letzten Moment hat die Regierung das neue ­Arbeitszeitgesetz abgemildert – den Ärger der Gewerkschaft hat das nicht besänftigt, im Gegenteil: Laut ÖGB gingen am Samstag über 100.000 gegen dieses Regierungsvorhaben auf die Straße (die Polizei sprach zuerst von 30.000 – korrigierte nach Protesten der ÖGBler dann auf 80.000). Und gleich morgen, Montag, wird es mit einer Art Warnstreik der ÖBB weitergehen.

Demo gegen 12-Stunden-Tag
© APA/HANS PUNZ


Langer Zug.
Am Samstag ging es auf der Mariahilfer Straße am Westbahnhof los: 130 Busse und Dutzende Sonderzüge „schaufelten“ empörte Demonstranten buchstäblich auf die Straße, sie kamen aus ganz Österreich. Die Menge war so groß, dass die Spitze des Demo-Zuges bereits am Heldenplatz war, die letzten Demonstranten aber noch am Westbahnhof standen.

"Seid’s deppert", stand auf den Demo-Plakaten

Die Stimmung: angefressen und kampfeslustig. „Wir lassen uns unsere Gesundheit nicht kaputtmachen“, so ein erboster Oberösterreicher live auf oe24.TV. Unterstrichen wurde das mit „Nein zum 12-Stunden-Tag“-Stickern, T-Shirts und Luftballons. „Seid’s deppert“ stand auf einem ÖGB-Plakat der Metaller. Oder noch deftiger: „12 h + ÖVP/FPÖ = Oasch.“ Metallgießer gingen mit Schutzanzügen durch die „Mahü“ in Richtung Heldenplatz und schrien der Regierung ihr Nein zum neuen Arbeitszeitgesetz entgegen.

Demo gegen 12-Stunden-Tag
© APA/HANS PUNZ


Mit im Demo-Zug: SPÖ-Chef Christian Kern, der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) und der nö. SP-Chef Franz Schnabl. Aber vor allem Gewerkschafter, allen voran ÖGB-Chef Wolfgang Katzian. Und auch die schwarzen Gewerkschafter waren voll dabei – deren Vorsitzender Norbert Schnedl sicherte zu, dass man sich „nicht auseinanderdividieren“ lasse.

Demo gegen 12-Stunden-Tag
© APA/HANS PUNZ

Eklat: Gewerkschafter 
will Sturz der Regierung

ÖVP sieht Eklat. Am Heldenplatz kam es dann zu einem kleinen Eklat: Die ÖVP erregte sich enorm darüber, dass der Vorsitzende der Postgewerkschaft Helmut Köstinger dazu aufrief, die Regierung zu stürzen.

Als letzter Redner trat dann der neue ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian auf. Unter enormem Applaus forderte er eine Volksabstimmung: „Sie sagen, sie wollen zwölf Stunden arbeiten – fragt doch das Volk!“, rief er. Die Kritik der Regierung an der Demonstration wies er zurück: „Was soll ich machen – heimgehen und Danke sagen? Sicher nicht! Der Kampf gegen den 12-Stunden-Tag beginnt genau jetzt.“

Demo gegen 12-Stunden-Tag
© APA/HANS PUNZ

62 Prozent sehen nur Nachteile durch 12-Stunden-Tag

Sehen Sie Vor- oder Nachteile durch 12-Stunden-Tag? Klare Antwort: Mehrheit von 62% sieht eher Nachteile.

ÖGB-Chef Katzian fordert jetzt Volksabstimmung
© TZOe

Richtig, die Gewerkschaft nicht einzubinden? 70% finden den Alleingang der Regierung nicht richtig.

ÖGB-Chef Katzian fordert jetzt Volksabstimmung
© TZOe


Würden Sie selbst 12 Stunden arbeiten? Aber: Mehrheit von 52% würde sehr wohl 12 Stunden arbeiten.

ÖGB-Chef Katzian fordert jetzt Volksabstimmung
© TZOe

Achtung Pendler! Morgen herrscht Zug-Chaos

Der ÖGB lässt Muskeln spielen – am Montag gibt es bei der Bahn einen Ministreik.

Morgen, Montag, werden Tausende Pendler erste Auswirkungen des Politstreits um den 12-
Stunden-Tag spüren:

  • Bundesbahn. Bei den ÖBB finden zwischen 6 und 9 Uhr Betriebsversammlungen statt. Der Betriebsrat informiert die Mitarbeiter über die Auswirkungen der Änderungen des Arbeitszeitgesetzes. „Man muss mit massiven Verspätungen rechnen“, ist aus den ÖBB zu hören. Tatsache ist: Tausende werden zu spät zur Arbeit kommen.

  • Postbus. Doch das ist nicht alles – auch der Postbus steht in der Früh still: In allen 40 Postbusdienststellen werden Mitarbeiter über den 12-Stunden-Tag 
in Betriebsversammlungen informiert.

  • Hotspot Graz. In der stei­rischen Hauptstadt könnte es noch ein bisschen schlimmer werden: Denn hier gibt es auch bei den Verkehrsbetrieben Stehungen und Versammlungen.

Die Geduld der Pendler wird also strapaziert werden. Doch drohen zu spät kommenden Beschäftigten Sanktionen? Die Antwort lautet: Nein. Zugverspätungen oder -ausfälle sind ein Verhinderungsgrund, der das Fernbleiben von der Arbeit rechtfertigt. Man muss aber alles Zumutbare unternehmen, um zur Arbeit zu kommen – also zum Beispiel mit dem Auto fahren.

Video zum Thema: Wien: Mega-Demo gegen 12-Stunden-Tag

Katzian: "Fragt doch das Volk!"

ÖGB-Chef im ÖSTERREICH-Interview.

ÖSTERREICH: Eine Machtdemonstration des ÖGB?

Wolfgang Katzian: Wenn wir in 10 Tagen gegen den überfallsartigen Beschluss der Regierung mehr als 100.000 Leute mobilisieren, dann ist das ein starkes Zeichen, dass die Menschen das nicht wollen. Wenn die Regierung sagt, das stimmt nicht, dann sage ich: Fragt das Volk, macht doch eine Volksabstimmung!

ÖSTERREICH: Sie fordern die Rücknahme des Gesetzes.

Katzian: Ich will, dass dorthin zurückgekehrt wird, wo solche Sachen hingehören, die tief in die Lebensbereiche der Menschen eingreifen – nämlich auf die Ebene der Sozialpartner. Niemand versteht, warum so ein Gesetz überfallsartig und geheim durchgezogen wird. Ja, wir wollen die Umsetzung dieses Gesetzes am 1. Jänner 2019 verhindern.

ÖSTERREICH: Und wie geht es weiter mit dem Protest?

KaTZiaN: Wir haben schon mit Betriebsversammlungen begonnen. Wir werden welche am Montag haben, die wird man auch in der Öffentlichkeit bemerken. Damit klar wird, dass die Leute nicht 12 Stunden hakeln wollen.

ÖSTERREICH: Die ÖBB-Betriebsversammlungen. Wollen Sie von Streik reden?

Katzian: Nein. Wir haben uns aber bereits für den Sommer ein paar Dinge überlegt – die sage ich aber noch nicht. (gü)

Video zum Thema: 100.000 bei Demo gegen 12-Stunden-Tag

Muss ich länger arbeiten? Alles zum 12-Stunden-Tag

ÖSTERREICH beantwortet die wichtigsten Fragen zu den neuen Arbeitszeiten.

  1. Muss ich jetzt 12 statt 8 Stunden täglich arbeiten?
    Nein. An der Normalarbeitszeit von 40 Wochenstunden und 8 Stunden am Tag ändert sich nichts. Allerdings wird die Höchstarbeitszeit von 50 auf 60 Wochenstunden und von 10 auf 12 Stunden angehoben. Arbeitgebern wird es erleichtert, die 60-Stunden-Woche zu verhängen. Der Betriebsrat muss nicht zustimmen.

  2. Ist die Mehrarbeit freiwillig?
    Ja, das hat die Koalition ins Gesetz geschrieben. Die Gewerkschaft argumentiert aber, dass sich Arbeitnehmer dem Wunsch des Chefs auf Dauer nicht entziehen werden können.

  3. Was bekomme ich als Ausgleich?
    Mehr Geld oder mehr Freizeit. Das kann sich der Arbeitnehmer aussuchen. Die 50-prozentigen Überstundenzuschläge bleiben bestehen, die Durchrechnungszeiträume ändern sich nicht. Zumindest vorerst nicht – die Gewerkschaft vermutet aber, dass sich das künftig ändern wird.

  4. Habe ich künftig längere Wochenenden bzw. eine 4-Tage-Woche?
    Theoretisch ja, im Gesetz steht, dass der Zeitausgleich in ganzen Tagen zu nehmen ist. Aber ob es das längere Wochenende wird, entscheidet der Chef.

  5. Gibt es versteckte Fallen?
    Vermutlich wird die Zahl der „leitenden Angestellten mit All-In-Verträgen“ massiv steigen – denn auch an dieser Schraube hat die Koalition gedreht. Laut ÖGB besteht die Gefahr, dass diese Arbeitnehmer um Zuschläge umfallen.

Video zum Thema: Mega-Demo gegen 12-Stunden-Tag

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