VP-Chef will sich intensiv in Wahlkampf einbringen - Kurz zieht positive EU-Vorsitz-Bilanz: 50 Trilog-Abschlüsse und 75 Einigungen im EU-Rat.
Die ÖVP plant für die EU-Wahl am 26. Mai einen Vorzugsstimmenwahlkampf. "Es wird ein Vorzugsstimmensystem geben. Das bedeutet, wir werden als Volkspartei unsere Kandidatenliste erstellen, aber die Wähler haben selbst die Chance zu entscheiden, wen sie als ihren Vertreter und Abgeordneten im Europäischen Parlament haben wollen", erklärte ÖVP-Chef und Kanzler Sebastian Kurz im APA-Interview.
Die endgültige Reihung für den Einzug ins EU-Parlament erfolgt nach der Zahl der Vorzugsstimmen der türkisen Kandidatinnen und Kandidaten. Prozentuelle Hürden für eine Vorreihung gibt es nicht. Da es sich bei der EU-Wahl wegen der geringeren Wahlbeteiligung vor allem um eine Mobilisierungswahl handelt, soll so die maximale Mobilisierung bei den ÖVP-Wählern in Stadt und Land erzielt werden. Zur geplanten Zusammensetzung der türkisen Wahlliste wollte sich Kurz noch nicht äußern.
Karas als Spitzenkandidat gehandelt
Derzeit wird vor allem ÖVP-EU-Delegationsleiter Othmar Karas als möglicher Spitzenkandidat gehandelt. Ob es Karas wird und um ihn herum ein Team versammelt wird, das die verschiedenen ÖVP-Zielgebiete abdeckt und dem auch, wie zuletzt in verschiedenen Medien kolportiert, weibliche türkise Regierungsvertreterinnen wie Karoline Edtstadler angehören sollen, wollte der ÖVP-Chef nicht kommentieren. "Ich arbeite gut mit Othmar Karas zusammen. Die Liste werden wir Anfang des Jahres im Jänner, Februar beschließen. Ich bitte sie die Listenerstellung abzuwarten."
Inhaltlich werde die ÖVP als "klar pro-europäische Kraft" auftreten. "Wir treten für ein Europa der Subsidiarität ein und für eine Europäische Union, die sich in den kleinen Fragen zurücknimmt, und in den großen Fragen stärker wird. Wir wollen nicht noch mehr Bürokratie und Regulierung. Wir brauchen eine Europäische Union, die Sicherheit bietet, wettbewerbsfähig ist und sich außerhalb ihrer Grenzen engagiert." Im Wahlkampf will sich Kurz auch selbst engagieren. "Ich werde mich als Chef der neuen Volkspartei intensiv in diesen Wahlkampf einbringen. Das habe ich auch bei den vergangenen vier Landtagswahlen so gemacht."
Kurz befürchtet keinen Konflikt mit FPÖ
Ein mögliches Konfliktfeld mit dem Koalitionspartner FPÖ befürchtet Kurz nicht. "Man sollte hier einen klaren Blick auf die Realität haben. Die Realität ist, wir sind zwei verschiedene Parteien mit unterschiedlichen Persönlichkeiten, Überzeugungen und Grundhaltungen. Wir arbeiten in der Koalition gemeinsam das Regierungsprogramm ab, das wir uns für Österreich vorgenommen haben, aber wir stehen in einem Wahlkampf im Wettbewerb zueinander. Das war auch bei den vier Landtagswahlen, die es heuer gab, schon so."
Eine positive Bilanz zog der Bundeskanzler in Sachen EU-Ratspräsidentschaft. Österreich übergibt den EU-Vorsitz ja mit dem Jahreswechsel an Rumänien. "Es war ein intensives Halbjahr, es ist uns als Ratsvorsitz aber gelungen, viele Themen abzuschließen." Kurz nannte konkret über 50 Trilog-Abschlüsse und 75 Einigungen im EU-Rat. Als größte Erfolge bezeichnete der Kanzler die Einigung auf die Verhandlungsbox zum EU-Budget, die die Struktur für den mehrjährigen Finanzrahmen festlegt, die Stärkung des Mandats der EU-Grenzschutzagentur Frontex sowie die Einigung auf eine CO2-Reduktion im Straßenverkehr im Kampf gegen den Klimawandel.
Einiges sei leider auch nicht gelungen, weil es grundsätzlich viele Themen auf europäischer Ebene gibt, wo Einstimmigkeit fehlt. "Die EU ist ein demokratisches Konstrukt. Das ist gut so. Das bedeutet manchmal, dass wenn zwei Drittel einer Meinung sind, ein Drittel ausreicht, um ein Thema zu blockieren."
"Am problematischsten" sei, dass die Brexit-Frage nach wie vor nicht geklärt ist. "Das war das dominierende Thema und wird es auch das nächste Halbjahr bleiben. Es ist notwendig, alles zu tun, um einen Hard Brexit zu verhindern und sicher zu stellen, dass der Austritt, wenn er schon stattfindet, geordnet über die Bühne geht. Dieses Ziel ist noch nicht erreicht."
Schwerpunkt Migrationspolitik
Kritik, dass in der Migrationspolitik, die einer der Schwerpunkte von Österreichs EU-Ratspräsidentschaft war, zu wenig weitergegangen sei und etwa das Innenministerium bei Treffen auf EU-Ebene Fortschritte eher blockiert denn vorangetrieben haben soll, will Kurz nicht überbewerten. "Die Opposition kritisiert grundsätzlich alles. Sie kritisiert den Kampf gegen die illegale Migration und sie kritisiert auf der anderen Seite, dass es zu wenig Fortschritte im Kampf dagegen gibt. Ich bin mit dem Fortschritt zufrieden. Wo es möglich war, sind Fortschritte gelungen. Es gibt heuer um 95 Prozent weniger Ankünfte in Europa als vor drei Jahren. Die Mittelmeerroute über Italien ist de facto geschlossen, und es sterben dadurch weniger Menschen im Mittelmeer. Das Mandat von Frontex wurde gestärkt, was die zentralen Fragen der Rückführungen und die Zusammenarbeit mit Transitstaaten betrifft. Nach langem Druck von uns gibt es endlich ein Umdenken auf europäischer Ebene."
Innenpolitisch will Kurz 2019 die "Fortsetzung unserer Politik zur Attraktivierung des Wirtschaftsstandortes". Die Zahl der Arbeitslosen will der Bundeskanzler in Richtung 300.000 bringen. "Daran werden wir weiter arbeiten." Im Zuge der Steuerreform sollen vor allem Menschen mit niedrigen und mittleren Einkommen entlastet werden, in der Pflegefrage will man eine nachhaltige Lösung präsentieren, damit pflegebedürftige Menschen in Würde und wenn möglich zu Hause altern können. Das Volumen der Steuerreform werde man Mitte April bekanntgeben, wenn Österreichs Budgetpläne nach Brüssel gemeldet werden.