Med-Rektor warnt

OPs verschoben, Kinder deshalb im Rollstuhl

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Univ.-Prof. Dr. Hellmut Samonigg, Rektor der Med Uni Graz, schlägt Alarm: Krebs-Operationen verschoben. Kinder erhalten nicht mehr rechtzeitig Operationen und landen im Rollstuhl. Wann das Gesundheitssystem an "die Wand fährt".

Im oe24.TV-Interview mit Isabelle Daniel sagt der Mediziner und Rektor Hellmut Samonigg, dass unser Gesundheitssystem im Herbst auf der Kippe steht. Schon jetzt, warnt er eindringlich, gebe es Tote und schwere Schäden, weil schon jetzt OPs verschoben werden müssen. Das betreffe Krebs-OPs, aber auch OPs für Kinder.

oe24.TV: Wir sind aktuell noch nicht in der Herbst-/Wintersaison, wo immer Virusinfektionen dazukommen. Es gibt jetzt Warnungen aus steirischen Spitälern. Kann man die Gesundheitsversorgung nicht mehr aufrecht erhalten wie gewohnt?
Hellmut Salmonigg: Es ist definitiv so, dass wir die Gesundheitsversorgung nicht mehr so zur Verfügung stellen können wie vor zwei Jahren. Ein Beispiel – das LKH Universitätsklinikum in Graz, da sind 19 Fachdisziplinen, wo wir Einschränkungen haben und es sonst in der Steiermark auch keinen Ersatz gibt. Einschränkungen in der Gesundheitsversorgungen sind da, es zeichnet sich keine Verbesserung ab.

oe24.TV: Wo gibt es die Einschränkungen in der Gesundheitsversorgung?
Salmonigg:
 Als Rektor am LKH Universitätsklinikum kann ich sagen, dass es im Herbst noch ganz schwierig wird im Kinderbereich. Bei der internistischen Versorgung von Kindern, teils auch der chirurgischen.
In der Inneren Medizin haben wir einen großen Mangel, Patienten unterzubringen.
Große Defizite gibt es auch im chirurgischen Komplex. Vor allem gibt es Einschränkungen bei der OP-Saal-Benützung und Intensivversorgung. 

»Ja, es werden regelmäßig Krebs-Operationen verschoben«

oe24.TV: Ein 84-jähriger Krebspatient konnte wegen Kapazitätsmangel nicht operiert werden. Gibt es solche Fälle auch in Graz?
Salmonigg:
Ja, es müssen regelmäßig OPs abgesagt werden. Es werden auch Krebs-OPs abgesagt. Weil eben Akutpatienten mit der Notarztrettung kommen und sofort operiert werden müssen und es dann keine Kapazitäten mehr gibt. Solche OPs müssen wiederholt verschoben werden, das kann dazu führen, dass die OP bei mehrmaliger Verschiebung gar nicht mehr möglich ist.

oe24.TV: Wie erklären Sie sich das? Was kann helfen?
Salmonigg:
Ich habe das Gefühl: Bei der Diskussion über das Problem, das wir haben, ist eine Kälte eingezogen. Vor allem, wenn das Ganze nur vom betriebswirtschaftlichen Aspekt her gesehen wird. Es gibt viele in der Pflege, die reduziert haben, um Nebenbeschäftigungen nachzugehen. Wenn es nicht gelingt, sie zurückzuholen, auch mit finanziellen Anreizen, vergibt man eine Riesenchance. Aber nicht so, dass wieder 50% des zusätzlichen Geldes ans Finanzministerium in Wien geht. Auch die Steuerproblematik für die, die mehr arbeiten wollen, muss man jetzt in den Griff kriegen. Es ist nicht mehr die Zeit, ewig zu diskutieren. Die gravierenden Einschränkungen finden jetzt statt. Es sterben jetzt Menschen. Es sind jetzt Menschen, die Schaden nehmen. Es sind jetzt Kinder, die nicht mehr operiert werden konnten und lebenslang im Rollstuhl sind. Im Sinne einer Notaktion muss man Menschen jetzt zurückholen in den Arbeitsprozess. 

oe24.TV: International rechnet man mit einer Triple-Epidemie, dass neben Corona so wie jedes Jahr auch die Influenza und das RS-Virus im Herbst kommt. Wie hält das System das aus?
Salmonigg:
Gar nicht. Aus heutiger Sicht wird es im Herbst zu einer ganz schwierigen Situation kommen. Aber das Bewusstsein, dass wir in einer schwierigen Krise sind, ist nicht auf allen Ebenen angekommen. Mir geht alles zu langsam. Wir müssen jetzt sofort handeln. 

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