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EU-Wahl: ÖVP distanziert sich von der eigenen Mutterpartei

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Die Delegierten der ÖVP stimmen dem Wahlprogramm der Europäischen Volkspartei (EVP) am Mittwoch beim EVP-Kongress in Bukarest nicht zu. 

Als Gründe nannten Bundeskanzler Karl Nehammer und Generalsekretär Christian Stocker mehrere rote Linien, wie die geforderten Zustimmungen zur Schengen-Erweiterung oder der Kernenergie. EVP-Vorsitzender Manfred Weber bekräftigte hingegen die Unterstützung der EVP für eine rasche Schengen-Erweiterung.

Nehammer sagte am Mittwoch nach dem Ministerrat, es gebe im Programm bei einigen wichtigen Fragen "Unschärfen". Dabei nannte er neben Atomkraft und Schengen auch die Position zur Einstimmigkeit. Daher sei es hier wichtig, Haltung zu zeigen. EVP-Vorsitzender Manfred Weber erklärte zur angekündigten österreichischen Enthaltung, dass die EVP eine breite, demokratische Partei mit unterschiedlichen Meinungen sei.

Es geht um das Schengen-Veto

Weber stellte am Mittwoch vor Journalisten in Bukarest aber auch klar: "Die EVP unterstützt die vollständige Schengen-Erweiterung. Wir wollen, dass Rumänien und Bulgarien so schnell wie möglich dem Schengen-Raum vollständig beitreten." Auch österreichische Sozialdemokraten seien dagegen: Die Herausforderung sei, "die österreichischen Freunde zu überzeugen." Die EVP wolle mit der Abhaltung dieses wichtigen Kongresses vor den Europawahlen in Bukarest zeigen, dass ihr osteuropäische Länder wichtig seien.

Ab Ende März fallen mit "Air Schengen" die Kontrollen an den Luft- und Meeresgrenzen zwischen den EU-Staaten sowie Rumänien und Bulgarien. Der Präsident der rumänischen nationalliberalen PNL-Partei, Nicolae Ciucă, erneuerte beim EVP-Kongress seine Forderung einer raschen vollständigen Aufnahme seines Landes in den Schengen-Raum: "Gerade die im Ausland lebenden und arbeitenden Rumänen freuen sich auch sehr auf eine Öffnung der Landgrenzen." Die Aufnahme in das Wahlmanifest gebe ihm "mehr Hoffnung, dass dies bald geschehen wird".

"Klare Haltung als Volkspartei"

"Wir haben klare Positionen und eine klare Haltung als Volkspartei auch in Europa, dazu stehen wir und dabei können wir auch nicht abweichen. Es sind viele gute Vorschläge und wichtige Punkte im Manifesto enthalten, gleichzeitig gibt es aber einige rote Linien für uns", so Generalsekretär Stocker. Die von Rumänien und Bulgarien geforderte volle Aufnahme ihrer Länder in den Schengen-Raum lehnt die ÖVP ab: "Das Schengen-System ist kaputt. Wir müssen das System reparieren und dürfen es nicht schön reden", so Stocker in einer Mitteilung. Positiv streicht er hervor, dass einige Forderungen der ÖVP etwa im Kampf gegen illegale Migration zum Konzept des sicheren Drittstaates enthalten seien.

EU-Wahl: ÖVP distanziert sich von der eigenen Mutterpartei
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ÖVP-Abgeordneter Othmar Karas will dem Manifest trotzdem zustimmen: "Meine inhaltlichen Positionen sind bekannt: Ich halte das Schengen-Veto für einen Fehler, es behindert auch eine sichere gemeinsame Außengrenze. Das Ende der Einstimmigkeit in Fragen der Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik wäre gerade in diesen Zeiten ein starkes Signal für mehr Handlungsfähigkeit. Und Investitionen in Forschung im Energie- und Umwelt-Sektor werden unerlässlich sein, um der Politik und Wirtschaft eine breite Auswahl an Technologien zu bieten. Atomkraftwerke bleiben für mich kein Teil der Lösung", erklärte er in Bukarest.

Die Europäische Volkspartei (EVP), der auch die ÖVP angehört, kommt am Mittwoch und Donnerstag im rumänischen Bukarest zusammen, um ihre Spitzenkandidatin für die EU-Kommissionspräsidentschaft zu wählen und ihr Wahlprogramm zu beschließen. Für Österreich wird Kanzler Nehammer laut Programm Donnerstagmittag in Bukarest sprechen. Am Mittwoch sind Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) sowie die EU-Abgeordneten Othmar Karas, Erster Vizepräsident des Europaparlaments, und Christian Sagartz anwesend, am Donnerstag kommt ÖVP-Spitzenkandidat Reinhard Lopatka dazu.

Wohlstand und Sicherheit

Das am Mittwoch von rund 2.000 Delegierten aus 44 Ländern zu verabschiedende Wahlmanifest wird auf die beiden Pfeiler Wohlstand und Sicherheit aufbauen. Im Zentrum stehen dabei laut EVP-Chef Manfred Weber die Stärkung von Wettbewerbsfähigkeit und Wirtschaft sowie die Sicherung des Friedens und die Stärkung der militärischen Kraft Europas. In Bukarest erwartet werden laut Angaben der EVP neben zwölf amtierenden EVP-Regierungschefinnen und -chefs auch zahlreiche Oppositionsführerinnen und -führer sowie EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola. Der Kongress startet Mittwochmittag mit Debatten zu den drei Themen Verteidigung und Sicherheit, generationenübergreifende Solidarität sowie Wirtschaft und Jobs.

"Mit ihrer sturen Blockade zum Schengen-Beitritt Rumäniens und Bulgariens stehen Nehammer und Lopatka allein da. Rumänien und Bulgarien erfüllen seit Jahren alle Schengen-Beitrittskriterien, trotzdem werden die Fachkräfte und Pflegekräfte aus beiden Ländern an unserer Grenze weiterhin als EU-Bürgerinnen und -Bürger zweiter Klasse behandelt. Dieses Veto ist also leider nicht nur ein Schaden für die ÖVP, sondern ein Schaden für Österreich", sagt NEOS-Außenpolitiksprecher und Spitzenkandidat für die EU-Wahl Helmut Brandstätter in einer Aussendung.
 

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