Regierung

Reform des Maßnahmenvollzugs ist beschlossen

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Nach gut fünf Jahren verabschiedet sich der Nationalrat am Donnerstag von seinem Ausweichquartier. In der letzten Sitzung in der Hofburg wurde die erste große Reform des seit langem viel kritisierten Maßnahmenvollzugs beschlossen.

Nach 50 Jahren Stillstand hole man den Vollzug für psychisch kranke Rechtsbrecher endlich "ins 21. Jahrhundert geholt", freute sich Justizministerin Alma Zadic (Grüne). Die Opposition hatte sie nicht von ihrem Entwurf überzeugen können.

Kern der mit den Stimmen von ÖVP und Grünen fixierten Reform - die teils im März, teils im September 2023 in Kraft tritt - ist die Erhöhung der Strafschwellen. Psychisch kranke Rechtsbrecher können nur mehr dann potenziell lebenslang in eine Anstalt eingewiesen werden, wenn das Anlassdelikt mit mehr als drei Jahren (bisher: ein Jahr) Freiheitsstrafe bedroht ist (bei Gefahr für sexuelle Integrität oder Leib und Leben schon ab einem Jahr). Und für Jugendliche gelten künftig noch höhere Schwellen: Sie kommen, wenn sie psychisch krank sind, erst bei einem Kapitalverbrechen (also ab zehn Jahren Strafdrohung) in den Maßnahmenvollzug.

Ebenfalls enthalten ist eine Sonderregelung für Terroristen - und zwar für Rückfallstäter, von denen ein neuer Terrorakt zu erwarten ist. Sie sollen in den Maßnahmenvollzug (und damit potenziell lebenslang hinter Gitter) kommen können, wenn sie wegen einer einschlägigen Tat (schwere vorsätzliche Gewalt, Terrorismus) bereits 12 Monate in Haft waren und dann neuerlich ein mit 18 Monaten bedrohtes Terrordelikt begangen haben.

Aus Sicht von SPÖ-Justizsprecherin Selma Yildirim ist das alles kein "Durchbruch". Es gebe weiterhin nicht ausreichend Mittel für gute Betreuung und Behandlung der Menschen im Maßnahmenvollzug. In der Rückfallstäter-Regelung sieht sie ein "Ablenken von wahrer Terrorismus-Prävention".

Die FPÖ lehnte die Gesetzesänderung ab, weil damit eine "falsche Zielsetzung" verfolgt worden sei - "nämlich Kostenersparnis statt Schutz der Gesellschaft", erläuterte Harald Stefan. Es sei nur darum gegangen, Menschen aus den Vollzugsanstalten in die Psychiatrie zu bringen - und dort sei das Personal nicht ausgebildet für den Umgang mit Straftätern.

NEOS-Justizsprecher Johannes Margreiter befürchtete, dass die Qualität der Gutachten noch schlechter wird. Denn mit der Aufnahme von Psychologen in den Kreis der Gutachter würden die Anforderungen heruntergesetzt - obwohl es hier um die "sehr entscheidende Frage geht, ob wir jemanden wegsperren oder nicht". Diese Entscheidung sollten nicht mehr Einzelpersonen treffen, sondern Konzilien, meinte er.

ÖVP-Justizsprecherin Michaela Steinacker sieht hingegen genau in der Heranziehung klinischer Psychologen für Gutachten einen wesentlichen Fortschritt. Die fachgerechte Behandlung werde sichergestellt, zudem den Insassen mit regelmäßiger Überprüfung die Perspektive gegeben, wieder rauszukommen.

Jetzt werde ein wichtiger Schritt gesetzt, um den Maßnahmenvollzug "in die heutige Zeit zu bringen", verteidigte die Grüne Agnes Sirkka-Prammer die Reform. Das sei die nötige Grundlage - und die Frage der Modernisierung von Behandlung und Betreuung der psychisch Kranken im Vollzug samt jener der ausreichenden Unterstützung für das Personal werde der zweite Schritt der Reform werden.

Dieser ist in Ausarbeitung, berichtete die Justizministerin. Heuer habe man schon 40 Millionen Euro extra veranschlagt. "Ich investiere alles, was ich kann, in diesen Bereich, damit die Menschen im Maßnahmenvollzug eine entsprechende Betreuung bekommen", versicherte Zadic.

Gleich am Vormittag beschlossen worden war die Anhebung der Zuverdienstgrenze beim Kindergeld. Diese liegt künftig bei 7.800 Euro (einkommensabhängige Variante) bzw. 18.000 Euro (pauschale Variante). Die Vorlage passierte den Nationalrat einstimmig.

Ganz eingestellt wird der parlamentarische Betrieb in der Hofburg auch nach dem Donnerstag nicht. Denn der Bundesrat wird sich am 20. und 21. Dezember noch im Ausweichquartier mit den Beschlüssen der aktuellen Plenarwoche beschäftigen.

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