Häupl sagt Rot-Grün an

Poker um neue Koalition

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Wiens Landes-Chef Michael Häupl will pünktlich zum 1. Mai Rot-Grün im Bund.

Fast wäre der 1. Mai heuer eine fade Angelegenheit geworden. SPÖ-Chef Werner Faymann will heute um 11 Uhr vor dem Rathaus einen „neuen Kurs für Europa“ verkünden. Sein Wiener Parteichef Michael Häupl will kurz davor einen „glühenden Appell“ für mehr „soziale Gerechtigkeit“ halten. Die erwarteten 90.000 Sozialdemokraten erwartet ein „Und ewig grüßt das Murmeltier“-Erlebnis.

Häupl: „Rot-Grün auf Bundesebene interessant“
Hinter den Kulissen gibt es heute freilich ein neues Lieblingsthema der Roten, das quer durch alle Bezirke auf Transparenten erscheinen wird: „Rot-Grün auch im Bund – Schluss mit der ÖVP-Blockade in der Regierung.“

Michael Häupl hat diesen Sprengsatz für die ganz auf positive Regierungsbilanz getrimmten Mai-Feiern selbst gelegt. Am Wiener SP-Parteitag sagte er vom Rednerpult aus zu Faymann: „Vielleicht gibt es auch noch einen anderen Partner als den, den du jetzt hast. Rot-Grün auf Bundesebene wäre vielleicht interessant.“

Während Häupl seit dieser rot-grünen Wort-Granate auf Tauchstation gegangen ist, jedes Interview ablehnt und auch jeden Rot-Grün-Flirt aus seiner 1.-Mai-Rede gestrichen hat, um nicht weiter Öl ins Feuer zu gießen, sind zwei SP-Granden, die am 1. Mai traditionell eine wichtige Rolle in der Partei spielen, mutiger.

SPÖ-Parlamentspräsidentin Barbara Prammer sagt im ÖSTERREICH-Gespräch: „Rot-Grün wäre eine interessante Variante!“ Und Altkanzler Vranitzky – noch immer das Mastermind der Partei – legt im Interview kräftig nach: „Rot-Grün wäre sehr reizvoll und spannend. Blockaden sollten so durchbrochen werden.“

Dörfler: „Bin Befürworter einer rot-blauen Koalition“
Rein rechnerisch wäre bei Bundeswahlen derzeit freilich nur eine Koalition mehrheitsfähig: Rot-Blau.

Für diese von der SPÖ zum Tabu erklärte Koalition macht sich just zum 1. Mai auch ein Landeshauptmann stark: Der Kärntner Landes-Chef Gerhard Dörfler sagt im ÖSTERREICH-Interview, er sei „ein starker Befürworter einer rot-blauen Koalition“, weil sie im „Sozial-, Bildungs- und Budget-Bereich die rot-schwarzen Blockaden lösen“ würde.

Dörfler könnte der ideale Brückenbauer zwischen Rot und Blau werden. Er ist mittlerweile „der beste Freund“ der roten Landes-Chefs Häupl, Voves und Burgstaller, unterhält aber – seit der erfolgreich gelösten Ortstafelfrage – auch beste Kontakte zum Bundeskanzleramt. Sagt da jemand eine neue Lovestory an?

Rot-Grün hat 40 %, nur 26 % wollen es

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© TZ Österreich


Laut aktueller Gallup-Umfrage (400 tel. Befragte, Zeitraum: 26. + 27. 4. 2010) liegen SPÖ und FPÖ gleichauf mit 27 % auf Platz 1. Die Piraten erreichen bereits 6 %. Dadurch haben SPÖ-ÖVP keine Mehrheit mehr.

In der aktuellen Umfrage hat eine Koalition Rot-Grün bereits gleich viel Zustimmung wie Rot-Schwarz: Je 26 Prozent. Schwarz-Blau kommt auf 20 %.

Dörfler: „Rot-Blau ist für mich denkbar“

ÖSTERREICH: Sind Sie ein Befürworter von Rot-Blau?
Gerhard Dörfler: Ich bin grundsätzlich für alles offen – sage aber, dass ich im Bildungs-, Sozial- und Budget-Bereich Parallelen zur SPÖ sehe. Ich hätte mit einer rot-blauen Koalition kein Problem.

ÖSTERREICH: Die SPÖ lehnt diese Koalition vehement ab.
Dörfler: Also ich habe im menschlichen Bereich kein Problem. Nicht mit Kanzler und Staatssekretär, mit dem ich die Ortstafelfrage vorbildlich gelöst habe, und nicht mit den SP-Landeschefs, die ich als echte Freunde sehe.

ÖSTERREICH: Ist Rot-Blau für Sie 2014 denkbar?
Dörfler: Ich halte es für denkbar und auch für wünschenswert, wenn man die Blockade dieser Koalition beenden will. Das letzte Wort hat der Wähler – man soll nie die Rechnung ohne Wirt machen.

Vranitzky: „Rot-Grün wäre sehr reizvoll“

ÖSTERREICH: Fänden Sie mittlerweile eine rot-grüne Koalition im Bund auch reizvoll?
Franz Vranitzky: Auf alle Fälle. Es wäre sehr reizvoll und spannend. Mittlerweile haben wir ja die Möglichkeit, die rot-grüne Koalition in Wien zu beobachten.

ÖSTERREICH: Würde mit einer rot-grünen Koalition denn mehr weitergehen?
Vranitzky: Blockaden könnten so durchbrochen werden. Die ÖVP-Landeshauptleute lassen der Bundes-VP ja nicht viel Luft für Reformen.

ÖSTERREICH: Also sollte die Bundes-SPÖ das anstreben?
Vranitzky: Ja, aber wir kennen das Wahlergebnis noch nicht. Derzeit würde sich ­eine rot-grüne Koalition rechnerisch nicht ausgehen. Daher sollte man Pläne für minderheitenfreundliches Mehrheitswahlrecht weiter verfolgen.

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